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Neue IWF-Chefin warnt vor Schäden im Welthandel für „ganze Generation“

Kristalina Georgiewa, neue Chefin des Internationalen Währungsfonds, hat Alleingänge im Handel und Klimaschutz scharf verurteilt. In ihrer Antrittsrede präsentierte sie beunruhigende Zahlen.

Kristalina Georgiewa versuchte spürbar, die Stimmung aufzulockern. Ihren ersten großen Auftritt am Dienstag als neue Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) spickte die 66-jährige Bulgarin mit Anekdoten aus ihrer Studentenzeit, sie zitierte Shakespeare und wandte sich immer wieder direkt an ihr Publikum.

Doch in ihrer Kernbotschaft blieb sie klar: Georgiewa warnte in aller Schärfe vor einem drohenden globalen Abschwung. Handelskonflikte hätten zu einer „synchronisierten Verlangsamung“ geführt und müssten besser gestern als heute gelöst werden, forderte sie. Aus einer Studie des Währungsfonds gehe hervor, dass vor allem der Handelskrieg zwischen den USA und China massiven Schaden anrichte.

Würden die Strafzölle zwischen den Wirtschaftsgiganten nicht aufgehoben, reduziere sich die Summe der weltweiten Bruttoinlandsprodukte bis zum kommenden Jahr um 700 Milliarden US-Dollar, so die Prognose. Ein Großteil davon sei auf leidendes Geschäftsvertrauen und negative Marktreaktionen zurückzuführen. Georgiewa untermalte die Studie mit Schaubildern und unterbrach sich für einen Moment: „Ist jemand aus der Schweiz hier? Nein? Nun, kein Wunder – denn der Schaden wäre in etwa so groß wie die gesamte Schweizer Wirtschaft.“

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Der IWF werde seine Wachstumsprognose für 2019 und 2020 erneut senken, kündigte Georgiewa an. Es wäre die vierte Abwärtskorrektur in Folge. „Die Unsicherheit – getrieben vom Handel, aber auch vom Brexit und geopolitischen Spannungen – hemmt unser wirtschaftliches Potenzial“, so Georgiewa.

Für das laufende Jahr, so erklärte die IWF-Chefin, erwarte sie „in fast 90 Prozent der Welt ein langsameres Wachstum. Das bedeutet, dass das Wachstum auf den niedrigsten Stand seit Beginn des Jahrzehnts sinken wird“. Der Welthandel, betonte sie, sei „fast zum Erliegen gekommen“. Die Konsequenzen könnten „eine ganze Generation“ überdauern, etwa durch unterbrochene Lieferketten und eine „digitale Berliner Mauer“, die einzelne Länder zwinge, „sich zwischen konkurrierenden Technologiesystemen zu entscheiden“.

Seit Georgiewa Anfang Oktober das Spitzenamt übernahm, war viel darüber spekuliert worden, welchen Ton sie in ihrer Antrittsrede anschlagen werde. Beschönigen, das machte sie deutlich, ist nicht ihr Stil. Als Chefin einer multilateralen Superorganisation, die in Zahlungsschwierigkeiten geratene Staaten mit Krediten unterstützt, kann und soll sie zwar Klartext reden. Doch zugleich muss sie auf konstruktiven Ausgleich bedacht sein – selbst wenn der größte Geldgeber, die USA, seine Handelspartner mit Strafzöllen provoziert.

Schon Georgiewas Vorgängerin Christine Lagarde, die im November den Vorsitz der Europäischen Zentralbank (EZB) übernimmt, kämpfte mit dieser Balance. Auch sie warnte: „Niemand gewinnt einen Handelskrieg.“ In der kommenden Woche wird der IWF mit seinen 189 Mitgliedstaaten gemeinsam mit der Weltbank seine jährliche Herbsttagung abhalten.

Bei vergangenen Konferenzen war der Handelskrieg stets Thema, doch in Zeiten von Donald Trumps Protektionismus, Chinas fragwürdigen Marktpraktiken und einer schwächelnden Wirtschaft in Europa tun sich die Beteiligten mit Lösungsansätzen schwer. Ob sich tatsächlich etwas ändert, scheint zu diesem Zeitpunkt ungewiss. Neue Gespräche zwischen Peking und Washington sollen an diesem Donnerstag starten, doch beide Seiten haben niedrige Erwartungen bekundet.

In ihrer Rede adressierte Georgiewa auch China, ohne das Land namentlich zu benennen. Sie machte deutlich, dass sich China im Ringen der Giganten ebenfalls bewegen müsse. „Subventionen müssen thematisiert, die Rechte an geistigem Eigentum geschützt werden“, forderte die IWF-Chefin. Und auch der Rest der Welt sei gefragt, sich auf ein modernes Handelssystem, „das das Potenzial von Dienstleistungen und E-Commerce freisetzt“, zu einigen.

Geprägt im Kalten Krieg

Ähnlich wie Lagarde, die ihre Reden oft nahbar gestaltete, setzte Georgiewa auf eine persönliche Note. Ihre Sozialisation im Kalten Krieg habe sie nachhaltig geprägt, sagte die Bulgarin. „Ich habe gesehen, wie hoch der Preis für schlechte Politik sein kann. Ich habe aber auch erlebt, wie internationale Unterstützung dazu beitragen kann, dass ein Land und seine Menschen wieder auf dem Weg zum Wohlstand sein können.“

Letztendlich gehe es auch bei Herausforderungen wie dem Klimawandel darum, dass man Menschen überzeuge und mitnehme, warb Georgiewa. Die IWF-Chefin sprach sich für höhere CO2-Preise aus, betonte aber, dass die Einnahmen an anderer Stelle investiert werden müssten, um finanzielle Bürden für den Durchschnittsbürger niedrig zu halten.

Unter dem Strich machte Georgiewa deutlich, dass sie in ihrer Amtszeit die großen Linien der Weltwirtschaft und Politik miteinander verknüpfen möchte: Dazu gehören Technologie, Klima, Handel, aber auch Ängste in der Bevölkerung vor Nachteilen der Globalisierung.

Auch bemühte sie sich um konkreten Rat. So sei es kurzfristig wichtig, dass die Zentralbanken ihre Zinssätze niedrig halten. Eine Dauerlösung könne das allerdings nicht sein, warnte Georgiewa. Sehr niedrige oder sogar negative Zinssätze könnten ebenfalls großen Schaden anrichten.

Die Gefahr einer weltweiten Rezession hält sie nicht für ausgeschlossen. „Wenn sich die globale Wirtschaft stärker als erwartet abschwächt, ist möglicherweise eine koordinierte finanzpolitische Reaktion erforderlich“, sagte sie. Noch sei die Welt nicht an diesem Punkt, doch Zeit zu verlieren habe man nicht. „Wir sollten uns an den Rat von Shakespeare erinnern: Besser drei Stunden zu früh als eine Minute zu spät.“