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Neue Infektionswelle trifft Asiens Corona-Vorzeigeländer

Japan, Südkorea und Thailand galten wegen niedriger Infektionszahlen als globale Vorbilder in der Pandemiebekämpfung. Doch schwere Rückschläge bedrohen auch die Wirtschaft der Länder.

Junge Bangkoker tanzten in den Nachtklubs der Hauptstadt, an Freiluftmärkten drängten sich Menschenmassen um die Garküchen, und an den Stränden der Ferieninsel Phuket standen die Sonnenstühle schon wieder so dicht beieinander, als hätte es die Coronavirus-Pandemie nie gegeben. Kurz vor dem Jahreswechsel noch schien es so, als hätte sich Thailand erfolgreich von der globalen Gesundheitskrise abgeschottet. Mehr als ein halbes Jahr lang lagen die bestätigten lokalen Infektionsfälle fast jeden Tag bei null. Südostasiens zweitgrößte Volkswirtschaft machte sich so einen Namen als Vorzeigeland in der Pandemiebekämpfung – und kehrte zu einem Alltag ohne Einschränkungen zurück.

Doch die Zeit der Unbeschwertheit ist vorbei: Nach einem Virusausbruch unter Gastarbeitern an einem Großmarkt für Fische und Meeresfrüchte ist Thailand wieder in Alarmstimmung. Inzwischen melden die Behörden landesweit neue Fälle – am Dienstag wurden 527 weitere Infektionen gezählt. Während in Europa solche Werte derzeit für Erleichterung sorgen würden, reagieren die Behörden des Landes mit einem Teillockdown, um Schlimmeres zu verhindern: Am Dienstag traten in Bangkok neue Restriktionen für die Gastronomie in Kraft. Restaurants dürfen ab 21 Uhr keine Gäste mehr empfangen. Bars und Entertainmentbetriebe mussten bereits zuvor komplett schließen. „Bleibt für die nächsten 14 Tage zu Hause“, forderte Regierungschef Prayut Chan-o-cha seine Landsleute zum Wochenbeginn auf.

Thailand ist nicht der einzige bisherige Corona-Musterschüler in Asien, der nun mit einem ernsthaften Rückschlag in seiner Eindämmungsstrategie zu kämpfen hat. Auch Japan und Südkorea, die die Pandemie monatelang unter Kontrolle hatten, kämpfen derzeit mit einer neuen Infektionswelle. Die Entwicklung gefährdet den erhofften wirtschaftlichen Aufschwung – auch weil die Einwohner der betroffenen Länder wohl noch länger auf einen Impfstoff warten müssen.

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Ausnahmezustand für Tokio erwartet

In Japan erwägt Regierungschef Yoshihide Suga nun die erneute Verhängung eines Ausnahmezustands für die Hauptstadtregion mit ihren mehr als 30 Millionen Einwohnern. „Die Zahl der neuen Fälle ist nicht gesunken“, begründete er den Schritt am Montag. „Im Gegenteil, die Zahlen steigen immer weiter, was bedeutet, dass wir stärkere Maßnahmen benötigen.“ Am Donnerstag sollen diese offiziell angekündigt werden. Vorige Woche waren unter den 126 Millionen Japanern erstmals mehr als 4000 Neuinfektionen gezählt worden.

Dies wäre das zweite Mal in dieser Pandemie, dass die Landesregierung zu ihrer härtesten Maßnahme im Kampf gegen Sars-CoV-2 greift. Im Gespräch ist außerdem, die Notstandsgesetzgebung zu revidieren, um Strafgelder für Unternehmen zu erlauben, die gegen Forderungen verstoßen. Damit will die Regierung laut Suga die Wirksamkeit der Gegenmaßnahmen erhöhen. Bisher konnten die Behörden auch im Notstand weder Menschen noch Unternehmen rechtlich zwingen, zu Hause zu bleiben oder Geschäfte früher oder ganz zu schließen, sondern nur bitten.

Auch in Japan sind die Infektionszahlen im Vergleich zu Europa und Amerika noch niedrig. Selbst im derzeit heißesten Virenherd Tokio lag die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner während der vergangenen Woche, bei 43. Dies entspricht rund einem Fünftel vorweihnachtlicher deutscher Werte. Aber die Politik ist auch bei diesem Wert schon in Sorge, dass das Gesundheitssystem zusammenbrechen könnte. In Tokio sind inzwischen 80 Prozent der für Covid-19-Patienten reservierten 3500 Betten belegt. Tendenz steigend.

Die neuen Maßnahmen werden sich nun voraussichtlich vor allem gegen das Gaststätten- und Tourismusgewerbe richten, weil in Bars und Restaurants die meisten Ansteckungen stattfanden. Regierungschef Suga will wie bereits sein Vorgänger Shinzo Abe das Wirtschaftsleben so wenig wie möglich schädigen – so sollen Kaufhäuser und Kinos unter strengeren Auflagen wohl geöffnet bleiben. Auch der Unterricht an den Schulen und Universitäten dürfte im Gegensatz zum ersten Notstand weiterlaufen. Dennoch bedeuten die neuen Maßnahmen einen weiteren Schlag für die ohnehin schon schwer gebeutelte Wirtschaft.

Thailands Wirtschaft besonders hart getroffen

Für das vergangene Jahr gehen die Ökonomen davon aus, dass die Wirtschaft um mehr als fünf Prozent geschrumpft ist. Die neuen Maßnahmen dürften nun das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr um weitere 3,8 Billionen Yen – umgerechnet rund 30 Milliarden Euro – drücken, schätzt Junichi Makino, der Chefvolkswirt des Wertpapierhauses SMBC Nikko Securities. Der wirtschaftliche Schaden wäre damit zwar um etwa 80 Prozent niedriger als im ersten Lockdown, der landesweit ausgedehnt wurde und 49 Tage dauerte. Aber er würde damit das Bruttoinlandsprodukt immer noch um mehr als 0,5 Prozent senken.

Noch härter trifft der Rückfall in die Coronakrise Thailand. Die Wirtschaftsleistung des Landes war bereits 2020 stark eingebrochen – nach Berechnungen der Zentralbank um 6,6 Prozent. Damit erlebte das Land die schwerste Rezession in Südostasien. Besonders hart traf das Tourismusland die Entscheidung der Regierung Ende März, die Grenzen für Urlauber zu schließen. Der Tourismusindustrie, die Schätzungen zufolge für rund ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts steht, brach ein Großteil der Einnahmen weg: Die Reisenden aus dem Ausland brachten statt der umgerechnet rund 38 Milliarden Euro im Jahr 2019 im vergangenen Jahr nur noch neun Milliarden Euro ins Land.

Der Virusausbruch verbunden mit dem neuen Teillockdown nimmt den Thailändern nun die Hoffnung, dass die Krise bald enden könnte. Laut einer am Wochenende veröffentlichten Meinungsumfrage geht mehr als die Hälfte der Bevölkerung davon aus, dass sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert. An eine Besserung glaubt so gut wie niemand. Bei der Zentralbank wuchs der Pessimismus bereits im Dezember: Sie senkte ihre Wachstumsprognose für 2021 von 3,6 auf 3,2 Prozent. Von der Rückkehr zum Niveau vor Beginn der Coronakrise wäre das Land damit noch weit entfernt.

Südkorea verlängert zweithöchste Warnstufe für Seoul

Besser sieht die wirtschaftliche Lage in Südkorea aus, obwohl das Land wie Thailand und Japan nach monatelangen Eindämmungserfolgen nun ebenfalls mit einem neuen Virusausbruch konfrontiert ist. Ende Dezember meldete das Land mehrere Tage in Folge mehr als 1000 Neuinfektionen am Tag – das sind die mit Abstand höchsten Werte seit Beginn der Pandemie. In der Millionenmetropole Seoul wurde deshalb gerade die zweithöchste Warnstufe bis zum 17. Januar verlängert. Zusätzlich fordern die Gesundheitsbehörden die Einwohner landesweit auf, auf Treffen von mehr als vier Personen zu verzichten.

Trotz der Einschränkungen erwarten die Ökonomen der Ratingagentur Moody‘s aber, dass Südkoreas Wirtschaft vor allen anderen fortgeschrittenen G20-Volkswirtschaften das Niveau von 2019 wieder erreichen wird. Nach Prognosen der Notenbank schrumpfte die Wirtschaft im vergangenen Jahr lediglich um 1,1 Prozent – vor allem, weil das Land die Pandemie ohne umfangreiche Lockdowns kontrollieren konnte und dank der starken Elektronikindustrie auch vom globalen Telearbeitsboom profitierte. Für 2021 sagt Moody‘s nun ein Wachstum von 3,1 Prozent voraus.

Der Optimismus scheint gerechtfertigt zu sein, denn die Koreaner haben offenbar gute Chancen, auch die neue Ansteckungswelle unter Kontrolle zu bringen. „Präventive Tests und Maßnahmen zur sozialen Distanzierung zeigen langsam, aber sicher ihre Wirkung“, sagte am Dienstag Sohn Young Rae, ein leitender Beamter des Gesundheitsministeriums.

Impfprogramme hinken dem Westen hinterher

Eine wirksame Eindämmungsstrategie ist in den bisherigen Corona-Vorzeigeländern auch deshalb wichtig, weil sie mit ihren Impfprogrammen dem Westen hinterherhinken. In Japan und Korea sollen die ersten Impfungen erst im Februar stattfinden. In Thailand ist noch völlig offen, wann die ersten Einwohner das Vakzin gegen Covid-19 erhalten. Die Regierung in Bangkok sah angesichts der bis zuletzt geringen Ansteckungszahlen offenbar lange Zeit keine Notwendigkeit, sich genügend Impfstoffe für eine breit angelegte Immunisierungskampagne zu sichern.

Die bisher abgeschlossenen Lieferverträge decken erst ein Fünftel der Bevölkerung ab. Regierungschef Prayut, der wegen der Impfstrategie zunehmend in der Kritik steht, versprach am Montag zwar die Beschaffung von 35 Millionen weiteren Impfdosen – woher diese kommen sollen und wann sie zur Verfügung stehen sollten, verriet er aber nicht.

Auch in Japan bringen die neuen Corona-Probleme die Regierung unter Druck. Ministerpräsident Suga hatte lange ungeachtet steigender Infektionszahlen an einer Tourismuskampagne festgehalten, die Reisen mit mehr als 100 Euro pro Tag bezuschusste. Er sendete damit aus Sicht des Infektionsexperten Atsuo Hamada von der Medizinischen Universität Tokio die falsche Botschaft: „Eigentlich hätte die Regierung klar fordern sollen: ‚Bitte gehen Sie nicht nach draußen.‘“

Die Bevölkerung quittierte Sugas Zögern bereits in Meinungsumfragen. „Sugas Umgang mit der Pandemie hat zu einem starken Rückgang seiner Popularität beigetragen und bedroht sein Überleben vor den Wahlen zur Parteiführung und den Parlamentswahlen in diesem Jahr“, sagt Tobias Harris, Japan-Experte vom Risikoberater Teneo Intelligence.