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Neue EZB-Chefin Lagarde umwirbt Frankfurter Banker

Mit ihrer ersten großen Rede im Amt kommt die neue EZB-Chefin Lagarde gut an. Deutsche-Bank-CEO Sewing spricht von der ermutigendsten Rede, die er seit Jahren über Europa gehört habe.

Als Christine Lagarde an diesem Freitagmorgen zu ihrer ersten großen Rede als neue EZB-Präsidentin in der Alten Oper in Frankfurt ansetzt, braucht sie keine zwei Minuten, um zu zeigen, dass mit ihr ein völlig neuer Stil bei der Notenbank einkehrt.

„Meine Damen und Herren, ich freue mich, heute hier zu sein“, begrüßt sie das Publikum beim European Banking Congress auf Deutsch und bekommt Applaus. Dann setzt sie auf Englisch fort, im nächsten Jahr werde ihr Deutsch noch besser sein. Es sei ihr eine Freude, an dieser Stelle zu sprechen.

Frankfurts Bürgermeister Uwe Becker und Commerzbank-Chef Martin Zielke hatten „Madame Lagarde“ zuvor auf Französisch begrüßt. „Wir sind hocherfreut, dass man sich bei der EZB für Sie entschieden hat“, sagte Zielke.

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Lagarde spricht klar, betont und weicht auch mal vom geschriebenen Wort ab. Als ihr Amtsvorgänger Mario Draghi im vergangenen Jahr am selben Ort redete, begann er mit dem Satz: „Die Wirtschaft im Euro-Raum ist inzwischen seit fünf Jahren gewachsen, und wir erwarten, dass die Expansion in den kommenden Jahren weitergeht.“ Draghi las seine Reden meist in relativ monotoner Stimmlage ab und gab sich wenig Mühe, die Atmosphäre aufzulockern.

Lagarde dagegen umwirbt die Frankfurter Banker. Nach ihrem Auftritt sagt Deutsche Bank-Chef Christian Sewing: „Es war die ermutigendste Rede, die ich in den letzten zwei bis drei Jahren über Europa gehört habe.“ Man müsse mehr über die Vorzüge von Europa sprechen und die Leute mitnehmen, betonte er. So könne man auch linke und rechte Strömungen in der Gesellschaft bekämpfen.

„Lagarde ist viel empathischer und nahbarer als Draghi. Der kam immer hierher, hat brummelig seine Rede abgelesen und ist dann wieder verschwunden“, sagte ein hochrangiger Banker. Er sei vorsichtig optimistisch, dass sich unter Lagarde der Stil der EZB ändere, kommentiert ein anderer Banker: „Beim Thema Geldpolitik hat Lagarde heute nichts wirklich Neues gesagt. Aber es ist vermutlich gut, dass sie nicht wie Draghi vorab die Richtung vorgibt, sondern darüber zunächst im EZB-Rat diskutiert.“

Die Botschaft der neuen EZB-Chefin: Europa muss als zweitgrößte Wirtschaftszone der Welt offen sein und Vertrauen in sich selbst haben. Wichtig sei daher vor allem eine Stärkung der Binnennachfrage. Man kann ihre Botschaft auch als Wink an Deutschland lesen, finanzpolitisch aktiver werden.

Stärkere Digitalisierung als Schlüssel für Produktivität

In Lagardes Rede an diesem Freitag ging es vor allem um Themen, die die Politik aus ihrer Sicht anpacken muss. Sie betonte, dass die Geldpolitik ihr Ziel mit Hilfe der Politik schneller und mit weniger Nebeneffekten erreichen kann. Außerdem kündigte sie an, bald mit einer grundlegenden Überprüfung der geldpolitischen Strategie zu beginnen.

Lagarde verwies darauf, dass die Euro-Zone inzwischen einen deutlichen Überschuss in der Leistungsbilanz schreibt, also im Handel von Waren und Dienstleistungen mit dem Ausland. Vor der Euro-Krise war die Bilanz noch neutral.

Den Überschüssen von Ländern wie Deutschland standen Defizite vor allem in südeuropäischen Ländern gegenüber. Danach verbesserten viele Defizitländer im Euro-Raum ihre Wettbewerbsfähigkeit. Gleichzeitig erzielt Deutschland nach wie vor hohe Überschüsse. Das hat dazu geführt, dass die Bilanz für den Euro-Raum insgesamt nun deutlich positiv ist.

Aus Sicht von Lagarde birgt der Überschuss jedoch die Gefahr, dass die Euro-Zone stärker leidet, wenn die Weltwirtschaft wie derzeit schwächelt. Daher sei eine Stärkung der Binnennachfrage nötig, zum Beispiel durch höhere Investitionen.

„Die öffentlichen Investitionen im Euro-Raum liegen weiterhin unter ihren Vorkrisen-Niveaus“, kritisierte sie. Vor einigen Wochen hatte Lagarde bereits Länder mit Haushaltsüberschüssen wie Deutschland und die Niederlande zu mehr Ausgaben im Kampf gegen die Konjunkturschwäche im Euro-Raum aufgefordert.

Zudem verwies Lagarde darauf, dass sich durch eine höhere Nachfrage auch die Inflation im Euro-Raum stützen ließe. Dies würde den Euro-Ländern wirtschaftliche Anpassungen erleichtern. Liegt die Inflation sehr niedrig, müssen Länder, die weniger wettbewerbsfähig sind, die Löhne senken, um konkurrenzfähiger gegenüber anderen Ländern der Währungsunion zu werden. Liegt die Inflation höher, reicht es dagegen aus, die Löhne langsamer anzuheben als anderswo.

Lagarde betonte in ihrer Rede außerdem, dass Europa vor allem bei der Produktivität größere Fortschritte machen müsse. Als Schlüssel dafür sieht sie eine stärkere Digitalisierung. Dabei drohe der Kontinent gegenüber anderen Wirtschaftsräumen den Anschluss zu verlieren.

Wichtig sei vor allem ein großer Markt. „Die Vervollständigung des digitalen Binnenmarktes, der Kapitalmarktunion und des Binnenmarktes für Dienstleistungen kann Europa den Anstoß geben, den es braucht, um neue innovative Firmen hervorzubringen und neue Technologien schneller zu verbreiten.“

Mit konkreten Hinweisen zur künftigen Geldpolitik hielt sich die neue EZB-Chefin dagegen noch zurück. Das mag daran liegen, dass sie neu im Amt ist, kann aber auch ein neuer Stil sein.

Kritiker haben ihrem Vorgänger Mario Draghi oft vorgeworfen, er habe in seinen Reden Entscheidungen unabgesprochen vorweggenommen. Ob sich Lagarde in diesem Punkt auch von Draghi unterscheidet, wird sich wohl erst in den nächsten Monaten zeigen.