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Der neue EU-Außenbeauftragte will die Staatengemeinschaft schlagkräftiger machen

Der Spanier Josep Borrell wird neuer EU-Außenbeauftragter – trotz Verurteilung wegen Insiderhandels. Er muss nun große Erwartungen erfüllen.

Ihm war völlig klar: Er ist einer von denen, die auf der Abschussliste stehen. Dementsprechend nervös war Josep Borrell vor seiner Anhörung vor dem Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments an diesem Montag. Und dementsprechend schlaflos dürfte seine Nacht gewesen sein, in der er nicht wusste, ob er die Prüfung der Abgeordneten bestanden hatte – oder eben nicht.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, David McAllister, lobte ihn nach der Anhörung zwar mit einem „Gut gemacht“. Von Seiten der Abgeordneten aber gab es kritische Töne, sodass das Ergebnis am Montagabend noch nicht absehbar war.

Am Dienstag gaben die Fraktionssprecher ihm nun grünes Licht: Der Spanier wird der zukünftige EU-Außenbeauftragte und damit Brüssels Chefdiplomat in Zeiten, in denen die Welt vor einer geopolitischen Zeitenwende steht.

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Borrells Aufgabenliste ist dementsprechend lang: Der EU-Beitrittsprozess des Westbalkans muss voranschreiten. Es braucht eine umfassende Afrika-Strategie, um Migrationsbewegungen zu vermeiden und zugleich zu verhindern, dass China mit seinen Investitionen in Europa politische Oberhand gewinnt.

Ebenfalls braucht es eine stärkere Vernetzung von Europa und Asien sowie bessere Beziehungen zu Lateinamerika – und vor allem zu den USA und Russland. Neue Nuklear-Abkommen müssen ausgehandelt werden, Cyberabwehr wird ein immer größeres Thema und generell muss die EU militärisch stärker werden. Und natürlich: Die EU muss endlich außenpolitisch einheitlich auftreten und sich als Großmacht positionieren.

Auf EU-Ebene kennt er sich aus

Er werde für „eine stärkere Rolle Europas in der Welt eintreten“, versprach Borrell den Parlamentariern zu Beginn der Anhörung. „Die EU muss sich die Sprache der Macht zu eigen machen.“

Außenpolitisch erfahren ist Borrell, auch auf EU-Ebene kennt er sich aus. Er war von 2004 bis 2007 Präsident des EU-Parlamentes, leitete anschließend zwei Jahre den Vorsitz des Entwicklungsausschusses und ist seit vergangenem Jahr spanischer Außenminister. In dieser Zeit habe er sich bereits dafür eingesetzt, dass Europa in der Außenpolitik besser und geschlossener auftrete, sagte Borrell.

Seine Nominierung als EU-Außenbeauftragter im Juli war in Parlamentarierkreisen zunächst positiv aufgenommen worden. Seine Vorgängerin, Federica Mogherini, muss sich vorwerfen lassen, zu viel durch die Welt gereist zu sein und lieber lächelnd Hände von zwielichtigen Staatschefs geschüttelt zu haben, anstatt die großen unangenehmen Probleme anzugehen.

Dem 72-jährigen Borrell wird dagegen nachgesagt, keine große Lust mehr zu haben, ständig zu reisen. Außerdem habe er weniger ein Problem damit, den Regierungen der Mitgliedsländer bei außenpolitischen Entscheidungen die Stirn zu bieten. Er sei weniger daran interessiert, der Nette zu sein, und stattdessen bereit, entschiedener zu handeln – auch wenn er damit den Unmut der Landesregierungen auf sich ziehen könnte.

Borrell ist also durchaus bereit, sich selbst unbeliebt zu machen, wenn er dafür die EU-Außenpolitik schlagkräftiger gestalten kann. Etwas, vor dem seine Vorgängerin Mogherini zurückscheute. Kurzum: Die Parlamentarier blickten nach seiner Nominierung zuversichtlich auf den baldigen hohen Vertreter.

Doch dann rückte ein Detail aus Borrells Leben in den Fokus: Vergangenes Jahr wurde der Politiker wegen Insiderhandels verurteilt. Er habe Aktien seiner Ex-Frau an einem Energieunternehmen verkaufen lassen, das kurz darauf bekanntgab, finanzielle Schwierigkeiten zu haben, so der Vorwurf. Mit einer Straftat in der persönlichen Historie dürfte Borrell nicht mehr höherer Beamter in der EU-Kommission werden – aber Kommissar?

Borell zeigte zu wenig Unrechtsbewusstsein

Bei seiner Anhörung dauerte es dementsprechend nicht allzu lange, bis die Sprache auf den Insiderhandel kam. Welche Schlussfolgerungen er aus seiner Bestrafung ziehe, fragte die lettische EVP-Abgeordnete Sandra Kalniete. „In diesem Amt werden Sie wesentlich wichtigere Insiderinformationen haben.“

Darauf antwortete Borrell: „Ich habe immer abgestritten, dass ich irgendwelche privilegierten Informationen genutzt habe. Es stimmt, ich wurde bestraft. Aber ich habe nur sieben Prozent des Aktienportfolios verkauft.“ Die restlichen 93 Prozent hätten daraufhin 300.000 Euro an Wert verloren.

Als später eine weitere Abgeordnete ihn erneut dazu befragte, verteidigte sich Borrell abermals: „Wenn ich wirklich Insiderinformationen gehabt hätte, wäre ich ja dumm gewesen, die übrigen Aktien nicht auch zu verkaufen.“ Wenn man ihn dazu auffordern würde, sein aktuelles Aktiendepot zu abzustoßen, hätte er kein Problem damit und würde es sofort tun.

Das kam nicht unbedingt gut an: „Als amtierender Außenminister ist Josep Borrell gut im Stoff. Aber was seine frühere Verurteilung in Spanien zu Insidergeschäften angeht, war mir sein Unrechtsbewusstsein zu wenig ausgeprägt“, sagte Michael Gahler, Sprecher der EVP-Fraktion im Auswärtigen Ausschuss, nach der Anhörung.

Trotzdem schaffte es Borrell letztlich, die Unterstützung des Ausschusses zu bekommen: Die Fraktionssprecher bestätigten den designierten EU-Außenbeauftragten nach einer Nacht Bedenkzeit.

Bald kann sich also Borrell an die Lösung der drei Grundprobleme der gemeinsamen EU-Außenpolitik begeben, die er selbst als „Identität“, „Stellung beziehen“ und „Methodik“ definiert. „Die Europäer wissen noch nicht genau, was sie außenpolitisch sein wollen. Sie haben Probleme, gemeinsam Stellung zu beziehen“, erläuterte er die drei Punkte.

Auch müsse die EU eine gemeinsame Geostrategie entwickeln. „Die Hauptstädte müssen verstehen, dass eine gemeinsame EU-Außenpolitik Mehrwert schafft.“ Auf die Frage einer Abgeordneten, wie er denn konkret vorgehen wolle, um ein einheitliches Vorgehen zu erzielen, antwortete Borrell lediglich: „Ich halte es für unmöglich, auf diese kosmische Frage in zwei Minuten zu antworten.“ Nur so viel: Es erfordere viel Empathie.

Mehr: So will EU-Kommissionsvize Dombrovskis die Eurozone reformieren.