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Netflix wird zum Kinokiller

Rechtzeitig zur Berlinale konnte die UFA mit einer Ankündigung brillieren. Die Filmtochter des Medienriesen produziert exklusiv einen Spielfilm für den amerikanischen Streamingdienst Netflix. „Wir sind sehr froh, mit Betongold einen der ersten deutschsprachigen Filme in Kinoqualität exklusiv für Netflix zu produzieren, der weltweit veröffentlicht wird“, frohlockt Sebastian Werninger, Produzent und Chef der UFA Fiction.

Die Geschichte vom Aufstieg und Fall dreier Immobilienbetrüger aus Berlin, die nächstes Jahr Premiere auf Netflix haben wird, ist hingegen für die Kinobetreiber ein Albtraum. Denn die Filmtheater werden den Film nicht ausstrahlen können.

Der amerikanische Streaming-Gigant braucht sie schlichtweg nicht für seine Verwertungskette. Netflix, das mit einem Umsatz von zuletzt knapp 16 Milliarden Dollar längst ein Riese im internationalen Filmgeschäft ist, verändert den Markt grundsätzlich.

Der Konzern aus dem kalifornischen Los Gatos nutzt Produzenten wie die UFA oder auch die großen Hollywood-Studios als Werkbank, um mit exklusiven Serien und Spielfilme rund um den Globus die Zuschauerschaft auf den immer größer werdenden Flachbildschirmen in den eigenen vier Wänden zu verwöhnen. Längst ist Netflix nicht nur der erfolgreiche Serien-Produzent, sondern auch prämierter Filmhersteller.

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„Roma“ von Alfonso Cuarón gewann schließlich auf den Filmfestspielen in Venedig zuletzt die Auszeichnung für den besten Film. Für sein Schwarz-Weiß-Drama holte der Mexikaner jetzt auch noch vier Trophäen beim britischen Filmpreis, darunter die für den besten Film. Zugleich heimste Cuaróns Film zehn Oscar-Nominierungen ein.

Dabei ist der zeitgleiche Start von Filmen wie „Roma“ auf Streamingdiensten und der Kinoleinwand schlichtweg Gift für die Filmtheater. Die Politik von Netflix, einen Film nur kurze Zeit in wenigen Kinos zu zeigen, hat dabei Methode.

Die Revolution auf dem Kinomarkt lässt sich auch an den Zahlen ablesen, welche die Filmförderungsanstalt (FFA) jährlich zur Berlinale herausgibt. Die Kinos verkauften trotz guter Konjunktur und Konsumstimmung mit 105 Millionen fast 14 Prozent weniger Tickets. Das ist das mieseste Ergebnis seit mehr als einem Vierteljahrhundert.

Fast reflexartig schiebt der Vorstand der Filmförderungsanstalt FFA, Peter Dinges, die Schuld für das schlechte Ergebnis auf die fehlenden Blockbuster. Doch ist das in einem Jahr mit populären Streifen wie dem Queen-Film „Bohemian Rhapdsody“ oder der Hape-Kerkeling-Buchverfilmung „Der Junge muss an die frische Luft“ die wirklich einzige Erklärung?

Eher ist es der veränderte Markt, der den Kinos zu schaffen macht. Wenn den 900 Kinos in Deutschland wegen der Strategie der Streamingdienste wie Netflix oder Amazon zunehmend die attraktiven Filme fehlen, droht ihnen mittelfristig eine Marginalisierung.

Die Filmtheater in Deutschland schlagen Alarm. Denn bei exklusiven Produktionen schauen die Kinobesucher meist in die Röhre. Christian Bräuer, Vorstand des Interessensverbandes AG Kino, blickt trotz des vielen Glamours auf dem roten Teppich der Berlinale auch ein wenig pessimistisch in die Zukunft. „Wenn sich Netflix durchsetzt, wird es zu einer Bedrohung für die Filmtheater“, sagt der Geschäftsführer der Yorck-Kino GmbH in Berlin und der Programmkino Ost GmbH in Dresden.

Noch konzentriert sich die Filmförderung auf die Herstellung der Ware Film. Die Verbreitung über die Kinos hingegen bleibt weitgehend außen vor. Dabei führen mehr geförderte Filme nicht automatisch auch zu mehr Besuchern. Der Anteil der deutschen Filme in den heimischen Kinos ist mit rund 23 Prozent zuletzt konstant geblieben.

„Es geht um kulturelle Vielfalt“, sagt Bräuer, der mit der AG Kino mehr als 300 Filmtheater mit einem Marktanteil von 15 Prozent vertritt. Wenn gar einzelnen Kinos von Rechteeigentümern Exklusivität eingeräumt wird, kann dies zu schweren Wettbewerbsverzerrungen führen.

Ländlicher Raum droht cineastisch zu veröden

Deutschland braucht angesichts des Siegeszuges der Streamingdienste wie Netflix ein neues Modell der Filmförderung. Insbesondere der ländliche Raum droht cineastisch zu veröden. Dabei ist Kino ist nicht nur Ware, sondern auch Kultur. Deshalb müssen Bund und Länder insbesondere anspruchsvollen Programmkinos und Filmtheatern im ländlichen Raum mit einer langfristigen finanziellen Hilfe unter die Arme greifen.

„Innerhalb von fünf Jahren brauchen wir eine bundesweite Förderung im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich. Darunter bringt es nichts“, sagt Kino-Betreiber Bräuer. Wie auch immer die endgültige Zahl aussehen wird, an einer pekuniären Förderung von staatlicher Seite führt kein Weg vorbei.

Im Kanzleramt ist das Leiden der Kinobranche registriert worden. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) will einen runden Tisch einrichten, um über Lösungen zu diskutieren, damit die Kinoleinwand nicht zur Reklametafel für die Streamingdienste wird. Die Zeit drängt.

Die Filmtheater haben zwar Videorekorder, Kabel- und Satellitenfernsehen, Pay-TV und Internet überlebt. Doch die derzeitige Entwicklung ist eine ernsthafte Bedrohung für das Kino. Sollten die Filmtheater technisch stehen bleiben oder von exklusiven Inhalten ausgeschlossen werden, drohen sie auf der Strecke zu bleiben.

Eine neue Art der Filmförderung im größten Medienmarkt Europa ist wichtiger denn je, sollen Kinos bleiben was sie schon immer waren: Ein Ort der Begegnung der Filmmagie.

Jede Woche schreibt Handelsblatt-Korrespondent und Buchautor Hans-Peter Siebenhaar seine Sicht auf die Kommunikationswelt auf.