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Nahtoderfahrung: Wie Gründer eine Insolvenz erfolgreich abwenden

Wie man über sich hinauswächst und sein Startup durch schwierige Zeiten bringt - Copyright: Getty Images
Wie man über sich hinauswächst und sein Startup durch schwierige Zeiten bringt - Copyright: Getty Images

Holger G. Weiss ist Gründer und CEO von German Autolabs und entwickelt seit Langem innovative Geschäftsmodelle im Future-Mobility-Segment. Er baute bereits erfolgreich mehrere Startups und Technologieunternehmen mit auf und ist als Berater und Business Angel für Unternehmen und junge Gründerteams tätig. Er lebt mit seiner Frau und dem gemeinsamen Hund an einem wunderschönen See in der Nähe von Berlin.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch „Helden werden in der Krise geboren“ von Holger G. Weiss, das im Redline Verlag erschienen istDas Buch gibt Tipps, wie man sein Unternehmen in Krisenzeiten richtig führt. Die Protagonisten im Buch sind fiktiv, die Fälle aber in der Realität genau so passiert.

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Jeremy war nicht Gründer der Firma, sondern vor einigen Jahren als Geschäftsführer von den Gesellschaftern eingesetzt worden. Das Gaming-Startup war nach schnellen Erfolgen in den ersten Jahren heftig in den Umsätzen eingebrochen und er sollte die Firma neu aufstellen. Die Gründer waren im Rahmen des Umbaus aus der Geschäftsführung ausgeschieden. Es war Jeremys Plan, mit einer neuen Generation an Spielen die Firma wieder auf den Wachstumspfad zu bringen. Obwohl es Umsätze gab, reichten diese bei Weitem nicht aus, um den Umbau der Firma zu finanzieren.

Die Investor:innen hatten aber in den letzten Jahren immer wieder Geld in die Firma gesteckt, weil sie an Jeremys Strategie glaubten. Obwohl die Firma weiterhin immer wieder Rückschläge erlitt, waren sich alle einig, dass man die Strategie fortsetzen wolle.

Dann brauchte die Firma mal wieder eine neue Finanzierung. Jeremy hatte die Zahlen gut im Blick und seine Vorhersagen waren sehr genau, weshalb es in den letzten Monaten keine Überraschungen für ihn und die Gesellschafter gegeben hatte.

Die Umsätze brachen sofort ein

Die Firma vertrieb ihre Spiele über verschiedene Kanäle, aber besonders erfolgreich über ein Portal, fast 100 Prozent der Umsätze wurden über dieses Portal generiert. Die E-Mail kam an einem Samstagnachmittag. Aus strategischen Gründen hatten die Portalbetreiber beschlossen, Spiele in der Art, wie Jeremy sie produzierte, mit sofortiger Wirkung nicht mehr zu verkaufen. Mit einer Frist von sieben Tagen wurde der Vertrag gekündigt. Die Umsätze brachen sofort ein, sodass eine Brückenfinanzierung aufgesetzt werden musste.

Alle Investor:innen waren bereit zu helfen, aber die Runde konnte nicht realisiert werden. Ein ehemaliger Mitgründer wollte aus der Situation für sich selbst Profit schlagen. Er war noch Gesellschafter und drohte damit, die Verträge nicht zu unterschreiben, wenn er nicht dafür eine Ausgleichszahlung erhielte. Die Investor:innen wurden nervös, weil ihnen klar wurde, dass sie dieses Verhalten in jeder kommenden Finanzierung und auch bei einem Exit in eine sehr schwierige Lage bringen würde. Als Konsequenz zogen sie letztlich ihr Finanzierungsangebot zurück. Wenige Tage später musste Jeremy mit der Firma Insolvenz anmelden.

Das heißt, sobald kein Geld mehr auf dem Konto ist, ist das Unternehmen pleite. Solange Liquidität nicht durch Umsätze gesichert ist, muss sie von außen zugeführt werden. Das geschieht bei Startups in der Regel durch Investor:innen oder durch Darlehen. Hierbei ergibt sich oft die Herausforderung, dass in einer noch nicht abgeschlossenen Finanzierungsrunde die Kosten für Mitarbeiter:innen, Miete, Produktentwicklung und Vertrieb trotzdem weiter laufen. Das kann schnell zu einer existenzbedrohenden Situation führen, denn ohne Liquidität ist kein Unternehmen lebensfähig.

Eine gewisse Abhängigkeit von Investor:innen liegt in der Natur der Sache, ist aber von beiden Seiten bewusst gewollt und beruht auf Gegenseitigkeit: Gründer:innen sind auf das Kapital der Investor:innen angewiesen und diese umgekehrt auf das unternehmerische Geschick der Gründer:innen. Allerdings muss man sich von Beginn an klarmachen, dass ein Startup diese Unterstützung kontinuierlich braucht und dabei sind Gesellschafter:innen, die über liquide Mittel verfügen, etwas sehr Wertvolles. Diese haben einen sehr viel schnelleren Zugriff auf frisches Geld aus den ihnen zur Verfügung stehenden Funds. Liquiditätsengpässe führen in der Regel zur Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens und damit zur Insolvenz, wenn sie nicht in einer überschaubaren Zeit überbrückt werden.

Ohne Liquiditätskontrolle geht nichts

Liquiditätskontrolle und Planung gehören damit auch zu einer der wichtigsten Aufgaben, die im Gründer:innen-Team klar verteilt und zugewiesen sein müssen. Ich habe häufig gesehen, dass dieses Thema bei Startups ungenügend besprochen wird, was dann durchaus dazu führen kann, dass man davon ausgeht, es werde sich schon jemand anderes drum kümmern. Das Erwachen kommt dann manchmal zu spät.

Dabei kommt der Organisation und dem Management der zeitlichen Aspekte eine besondere Rolle zu. Die besondere Herausforderung ist hierbei nicht oder kaum kontrollierbare Mittelabflüsse. Das sind Zahlungen, wie Sozialabgaben, Einkommensteuer, und alle Zahlungsverpflichtungen, die automatisch eingezogen werden, ohne dass man in irgendeiner Art und Weise darauf Einfluss hat. Gehälter sind oft bei jungen Startups die größte Einzelposition, welche die Liquidität als solches gefährden können. Diesem automatischen Geldabfluss steht erschwerend entgegen, dass neues Geld Zeit braucht, bis es auf dem Konto ist. Sollten die Voraussetzungen einer Insolvenz gegeben sein, kann man sich dem als Unternehmer:in nicht widersetzen und muss Insolvenz anmelden.

So drückt ihr die Kosten richtig

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu verhindern, wenn der Abschluss einer neuen Finanzierungsrunde sich noch hinzieht und sich Umsätze auf der anderen Seite nicht kurzfristig anziehen lassen. Das heißt in erster Linie: Kosten sparen.

Kosten runter heißt weniger Ausgaben, weniger Ausgaben bedeutet länger Geld auf dem Konto und damit eine längere Runway zu haben. Runway beschreibt, wie lange ein Startup noch über liquide Mittel verfügt. Kurzfristige Kosten, die man einsparen kann, sind beispielsweise ein verhandelter Gehaltsverzicht oder eine Reduzierung der Fixkosten (Software-Abos, Büromiete etc.). Das kann schnell einige Wochen über eine schwere Liquiditätslücke hinweghelfen.

Dabei ist es aber wichtig, dieses Thema offen und transparent mit Mitarbeiter:innen zu besprechen und klarzumachen, dass es hier nicht zwangsläufig um einen Verzicht geht, sondern eher darum, dass Gehälter oder Anteile von Gehältern verspätet ausgezahlt werden. Ein Gründer:innen-Team muss vorher genau analysieren, ob das eigene Team in der Lage ist, mit einer solchen Situation umzugehen. Ich habe mehrfach die Situation erlebt, dass so etwas gutgeht und es ein Team auch stärken kann. Ohne Zweifel birgt ein solcher Schritt aber auch die Gefahr, dass ein Team nervös wird und es zu unerwünschten Effekten wie Kündigungen kommt.

Es gibt auch andere Möglichkeiten. So kann man beispielsweise Teile des Gehaltes statt in Cash auch als zusätzliche Unternehmensoptionen ausgeben. Das hat den Vorteil, dass die Mitarbeiter:innen keinen Verzicht leisten müssen, die Cash- Situation des Unternehmens aber weniger betroffen ist. Diese Möglichkeit kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Mitarbeiter:innen an die Zukunft des Unternehmens glauben und darauf vertrauen, mit den erhaltenen Anteilen in der Zukunft eine sehr viel höhere Upside zu erhalten.

Weiterhin kann man Kosten kurzfristig durch Verhandlungen mit Dienstleister:innen sparen, indem man längere Zahlungsziele vereinbart. Dabei hat sich oft gezeigt, dass ein einfacher Anruf, mit der Bitte die Rechnung mit einer längeren Zahlungsfrist zahlen zu dürfen, schon ausreichen kann.

Das ist ohnehin ein wichtiger Hinweis für die hier beschriebene Phase: man wird sie umso besser managen können, je mehr man proaktiv und intensiv kommuniziert. In Teilen später ausgezahlte Gehälter, verlängerte Zahlungsfristen bei Dienstleister:innen, und gegebenenfalls eine Vereinbarung mit dem Vermieter oder der Vermieterin, ein oder zwei Monatsmieten – durch die Kaution ja abgesichert – später zahlen zu können, kann schon ausreichen, um den Liquiditätsengpass so lange zu überbrücken, bis neues Geld auf dem Konto ist. Gerade bei Finanzierungsrunden in frühen Phasen ist das ein absolut probates Mittel.

Neben der Kosteneinsparung gibt es weitere Werkzeuge einer Zwischenfinanzierung oder einer Überbrückungsfinanzierung. Allerdings sind die immer in Zusammenarbeit und Absprache mit bestehenden Gesellschafter:innen oder anderen Institutionen zu fällen. Oftmals kann eine einfache Brückenfinanzierung ausreichen, um eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit kurzfristig abzuwenden.

Die Erfahrung zeigt, dass viele Investor:innen zu solchen Zugeständnissen bereit sind, denn es ist ja auch in ihrem Interesse, dass das Startup in Kontrolle der Gründer:innen bleibt. Leider glauben einige Investor:innen dass sie eine solche Situation dafür ausnutzen müssen, und fordern besonders scharfe Konditionen für das zur Verfügung gestellte Geld.

Wandeldarlehen als Soforthilfe

Da es Teil des Alltags von institutionellen Investor:innen ist, solche Brückenfinanzierung zu initiieren und zu unterstützen, gibt es hier bewährte Prozesse und Werkzeuge. Das Wandeldarlehen ist eine gängige Methode für Startups, ohne große vertragliche Aufwände schnell frisches Kapital ins Unternehmen zu bekommen. Der Vorteil hierbei ist, dass es in der Regel nicht bei einem Notar verhandelt werden muss und keine Übertragung von Anteilen stattfindet. Das spart Geld und vor allem Zeit. Wie in vielen anderen Situationen im Leben muss auch hier manchmal der Druck erst sehr steigen, damit etwas geschieht. Auch bei Finanzierungsrunden wird sich viel Zeit gelassen. Während Gründer:innen auf heißen Kohlen sitzen, weil sie täglich sehen, wie das Geld auf dem Konto schmilzt, mahlen die Mühlen bei manchen Investor:innen sehr langsam.

Es gibt verschiedene Anreize, um Investor:innen zu einer Brückenfinanzierung zu motivieren. Sehr beliebt sind bei Wandeldarlehen besondere Konditionen für die Anteile, die bei der Wandlung des Darlehns ausgegeben werden. Hier gibt es keine festen Sätze, aber in der Regel fragen Investor:innen nach 20 bis 25 Prozent Discount. Das heißt, sollte ein Anteil in der kommenden Runde für 100 Euro ausgegeben werden, zahlen die Investor:innen die zur Brückenfinanzierung beigetragen haben, nur 75 Euro bzw. 80 Euro pro Anteil. Manchmal wird auch nach einer besseren Liquidationspräferenz gefragt.

Diese beschreibt einfach erklärt die Reihenfolge, in der Investor:innen im Falle des Verkaufs der Firma ihr Geld zurückerhalten. Da- bei würde dann im Falle eines Exits auf den erworbenen Anteil nicht nur der einfache Preis vorrangig zurückgezahlt werden, sondern sogar das Anderthalb- oder Zweifache. Alles, was da- rüber hinausgeht, ist unüblich und sollte nicht zur Diskussion stehen. In der Realität ist es für Gründern:innen oft nicht ein- fach, sich gegen solche Forderung auszusprechen, weil die Nerven ohnehin blank liegen.

Denn nach erfolgreicher Finanzierung der Firma sollen die Gründer:innen motiviert bleiben, mit dem neuen Geld das Startup in sichere Fahrwasser zu führen. Ein in den letzten Jahren auch populäres Mittel der kurzfristigen Liquiditätszufuhr ist die sogenannte Crowdfinanzierung. Das Grundprinzip dabei ist – wie im vorherigen Kapitel schon kurz beschrieben – nicht wenige Investor:innen um viel Geld zu bitten, sondern sehr viele Investor:innen um kleinere Beträge. Bei Plattformen wie Seedrs kann man seine Firma und das Produkt vorstellen. Man stellt das Geschäftsmodell und das Budget sowie die Planung für die kommenden Jahre vor.

Im Grunde sind es die gleichen Informationen, die auch von professionellen Investor:innen abgefragt werden. Das Ganze wird unterstützt durch Marketing- und Videomaterial. Es bedarf einiger Vorbereitung, hat aber den Vorteil, dass innerhalb kürzerer Zeit höhere Beträge zusammenkommen können. Das ist je nach Größe und Erfolg der Firma und dem Reifegrad der wichtigsten Kennzahlen durchaus auch in Millionenhöhe möglich. Aber auch ein paar Hunderttausend Euro können schon dazu beitragen, Liquiditätsengpässe zu überbrücken.

Abschließende Tipps

  • Für Gründer:innen ist es eine der wichtigsten Auf- gaben, die Sicherstellung der Liquidität im Blick zu haben.

  • Dabei darf man nicht die zeitliche Dimension aus dem Auge verlieren. Es dauert lange, bis wieder Geld auf dem Konto ist.

  • Auf jeden Fall muss man vermeiden, dass die Firma insolvent geht.

  • Die Kostenkontrolle ist ein wesentliches Steuerungselement für jedes Startup, um am Leben zu bleiben – Gehaltsverzicht, längere Zahlungsziele und Verhandlungen mit Dienstleister:innen sind Mittel, die hier helfen können.

Der Blick auf die Liquidität ist unendlich wichtig und existenziell. Es gibt lange Phasen beim Aufbau eines Startups, in denen sich die Gründer:innen keine Sorgen um Liquidität machen müssen, aber sie dürfen diese dennoch nicht aus dem Auge verlieren. Das allein schon aus einer Verpflichtung den Grundsätzen guten Wirtschaftens gegenüber. Nicht nur, weil ohne Geld keine Mitarbeiter:innen bezahlt werden können, ohne Geld keine Dienstleistung gekauft und keine Miete bezahlt werden kann, sondern vor allem auch, weil sich rechtliche Folgen daraus ergeben wie die Verpflichtung zur Insolvenzanmeldung, über die ich selbst als Unternehmer:in keine Kontrolle mehr habe. Das heißt, so sehr ein Startup auch aus einer Vision und der Motivation etwas Großes zu schaffen besteht, so abhängig ist es von Mittelzuflüssen, die zunächst von Dritten kommen müssen, um diesen Traum in die Realität umzusetzen.