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Sind nachhaltige Geldanlagen krisenfester?

Die heftigen Kursverluste zu Beginn der Coronapandemie trafen auf nachhaltige Wirtschaft optimierte Portfolios etwas moderater als traditionelle Indizes. Können Anleger mit ESG-Ansätzen Krisen besser vorbeugen?

Windräder und Rapsfelder: Nachhaltigkeitskriterien werden für Anleger zunehmend wichtig. Foto: dpa
Windräder und Rapsfelder: Nachhaltigkeitskriterien werden für Anleger zunehmend wichtig. Foto: dpa

ESG steht bekanntlich für den Einbezug umweltbezogener (Environmental), sozialer (Social) und auf eine verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance) ausgerichteter Kriterien in die Wertpapieranalyse. Während die Motive für ESG-Investments von Anleger zu Anleger sehr unterschiedlich sein können, stellt sich für viele Investoren vor allem die Frage nach dem Mehrwert von ESG in Krisensituationen. Genauer: Hätten Krisen, die aus groben Verstößen gegen Nachhaltigkeit resultierten, mittels ESG-Kriterien früher erkannt werden können? Hätten beispielsweise die Sicherheitsmängel der Mineralölfirma BP, die zu einer Ölpest im Golf von Mexiko führten, oder ähnliche Verfehlungen im Vornhinein besser identifiziert werden können? Warnsignale gab es in ausreichender Zahl.

Mittelzuflüsse in nachhaltige Anlageformen

Der Principles for Responsible Investment-Initiative der UN, die ins Leben gerufen wurde, um Grundsätze für verantwortungsvolle Geldanlagen zu entwickeln, sind bislang mehr als 3.000 institutionelle Investoren beigetreten, die ein Vermögen in Höhe von rund 100 Billionen US-Dollar verwalten. Allein der Markt für Green Bonds (Anleiheemissionen zur Finanzierung von Projekten zur Emissionsreduktion und gegen schädlichen Klimawandel) wuchs bis Ende 2019 auf ein Volumen von rund 255 Milliarden US-Dollar.

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Grundsätzlich lassen sich drei Hauptmotive für Investitionen in nachhaltige Anlagen unterscheiden:

a) Impact Investing („Investieren, um den Wandel in der Welt zu forcieren“)
b) Wertebasiertes Investieren („Investieren, nur wenn dies konform mit eigenen moralischen Maßstäben ist“)
c) Bessere risikoadjustierte Performance und Vermeidung von Ausfällen

Sind die Mittelzuwächse auch damit zu erklären, dass ESG-Investments speziell in Krisen resistenter sind?

Ein Blick auf Aktienbenchmarks in drei Krisenperioden zeigt moderatere Kursrückgänge des ESG-Index MSCI KLD 400 Social (Ausschluss von Alkohol-, Tabak-, Waffen- und Wettunternehmen) gegenüber der konventionellen Benchmark MSCI USA (marktbreiter US-amerikanischer Aktienindex) bei großen Kursstürzen.

Tabelle: Performance ESG vs. konventioneller Index in Krisenzeiträumen

Index

Rutsch „Finanzkrise“
(1.9.2008 - 9.3.2009)

Rutsch „4. Quartal 2018“
(1.10.2018 - 24.12.2018)

Rutsch „Corona“
(1.1.2020 - 23.3.2020)

MSCI KLD 400 Social Index

-46,17%

-18,60%

-30,48%

MSCI USA Index

-47,15%

-19,76%

-31,41%

Rendite-Differenz

0,98 Prozentpunkte

1,16 Prozentpunkte

0,93 Prozentpunkte


Wie aber können Anleger die Vielzahl an ESG-Ratings und -Benchmarks konkret nutzen, um ihre Portfolios krisenresistenter zu machen?

Instrumente für Anleger

Für diejenigen Anleger, denen eine Einzeltitelselektion zu mühsam ist oder die keine entsprechenden Kenntnisse mitbringen, stehen mittlerweile zahlreiche ETFs oder Fonds als ESG-optimierte Investments zur Verfügung.

Wer die Analyse auf Einzelwertpapierebene dagegen nicht scheut, der kann mit einer Bottom-up-Methode beginnen. Dafür werden bestimmte Titel mit unterdurchschnittlichen ESG-Ratings ausgeschlossen oder untergewichtet. Das Feld der investierbaren Unternehmen lässt sich mit Negativ- und Positivlisten entlang eigener moralischer Vorstellungen einschränken.

Weniger intuitiv, dafür aber methodisch trennschärfer ist die Top-down-Methode. Hier definiert der Anleger im ersten Schritt die Märkte und Produkte, in die er investieren will. Auf die Asset-Allocation (Festlegung der Länder, Branchen und weiterer Gewichte) folgt die Titelselektion. Diese lässt sich bei beiden Methoden als „Trichter“ („Sünder“-Unternehmen fallen heraus) oder als „Pralinenschachtel“ (Herauspicken besonders nachhaltiger Firmen) strukturieren.

Mit beiden Arten soll sichergestellt werden, dass sich die eigenen moralischen Werte im Portfolio widerspiegeln und sich dessen Krisenresistenz erhöht. Als Mittel der Wahl können dabei die Ratings von Anbietern wie Arabesque S-Ray, Bloomberg, ISS-oekom, MSCI, Refinitiv, RobecoSAM oder Sustainalytics herangezogen werden.

ESG-Ratings werden oft aus Dutzenden Einzelkomponenten zusammengesetzt. Anleger mit einem bestimmten (moralischen) Investmentziel kommen daher oftmals nicht umhin, eine Einzelbetrachtung vorzunehmen. Dazu zwei Beispiele: Ein Tierfreund will nur Firmen kaufen, die keine Tierversuche zulassen. Nestlé rangierte im Refinitiv-Rating 2019 zwar beispielsweise mit der Bestnote A+ für den Environmental Score (ökologische Komponente), war jedoch bei der Komponente Tierversuche mit der Antwort „Ja“ verzeichnet.

Es reicht also oftmals nicht aus, nur den übergeordneten ESG-Gesamtscore in den Blick zu nehmen, sondern ebenfalls Unter- und Einzelkomponenten. Ein zweites Beispiel ist der US-amerikanische Rüstungskonzern Lockheed Martin. Dieser erhält bei Refinitiv einen respektablen „ESG Combined Score“ von „A-“ und in der Unterkomponente „Social Pillar Score“ immerhin noch ein gutes „B+“. In der Einzelkategorie „Umsätze aus Waffengeschäften“ wird mit 53 Milliarden US-Dollar jedoch ein sehr hoher Wert ausgewiesen.
Einschränkend ist jedoch anzumerken, dass ESG-Ratings auf Einzelwertpapierebene in Detailtiefe zumeist nicht jedem Anleger zur Verfügung stehen.

Vorsicht: Fallstricke

Bei allen Vorteilen der ESG-Integration sollte der Anleger auch wissen, wo mögliche Fallstricke liegen. Zum einen repräsentieren ESG-Investments zumeist ein verkleinertes Anlageuniversum und bieten damit potenziell eine geringere Diversifikation. Dies trifft etwa auf passive Produkte zu, die in der Regel eine Benchmark haben, die sie replizieren.

In Einzelfällen können ESG-Optimierungsstrategien zudem höhere Handelskosten durch häufigere Trading-Signale verursachen. Daher ist die Systematik der Umschichtungen bei jedem Produkt gesondert zu hinterfragen. Zusätzlich kann es zu regionalen Ungleichgewichten kommen, wenn ganze Sektoren oder Länder aufgrund fehlender ESG-Reportings untergewichtet oder aus dem Portfolio ausgeschlossen werden.

Zudem sollten sich die Anleger bewusst sein, dass Firmen mittels Greenwashing und Rainbowwashing („sich grüner oder sozialer zeigen, als man tatsächlich ist“) versuchen, sich unter anderem einen günstigeren Zugang zum Kapitalmarkt zu verschaffen. Dem wollen allerdings die Aufsichtsbehörden durch die Formulierung eines verbindlichen Klassifizierungssystems (sogenannte Taxonomie) einen Riegel vorschieben.

Letztlich kommt es auch darauf an, mögliche ESG-Bubbles im Auge zu behalten, die sich speziell dann bilden können, wenn ein Anlagefokus auf nachhaltige Firmen in Branchen und Sektoren mit nur wenigen Wettbewerbern zu künstlichen Über- oder Untergewichtungen führt.

Ausblick: Frühwarnindikatoren nicht vernachlässigen

Neben der klassischen Unternehmensanalyse mit Fundamentaldaten (Gewinn, Cashflow, Liquidität, Verschuldung etc.) und der technischen Analyse wird das Thema Nachhaltigkeit als Bewertungsfaktor weiter an Bedeutung gewinnen. Die Mittelzuflüsse vieler Anbieter belegen dies. Ein Ausblenden von ESG kann dazu führen, dass langfristige Risiken nicht erkannt, falsche Portfoliozusammensetzungen übersehen oder ESG-bedingte Über- oder Unterbewertungen ignoriert werden. In der Bewertung von Aktien könnten künftig vermehrt an Nachhaltigkeitsziele angepasste Gewinn- und Cashflow-Schätzungen und bei Anleihen ein Sustainability-Spread (ähnlich des Credit- oder Liquidity-Spreads) eine Rolle spielen.

Welche Ratings sich als Marktstandard etablieren werden, ist derzeit noch offen. Eine Reihe von Projekten ist dazu bereits angestoßen worden. So hat beispielsweise das CFA Institute die Initiative Future of Finance aus der Taufe gehoben, die sich in den kommenden Monaten vor allem mit dem Thema nachhaltiger Investitionen (Sustainable Investing) beschäftigen wird.

Anmerkung: Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder und repräsentiert nicht die Position etwaiger im Beitrag genannter Dritter.

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