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Korrupter Oberstaatsanwalt kommt aus der Untersuchungshaft frei

Er räumte Bestechungsvorwürfe ein und der Schaden soll nun berechnet werden. Die Umstände der Haftverschonung erscheinen aber ungewöhnlich.

Die mutmaßlich korrupte Oberstaatsanwalt soll Bestechungsgelder teils bar, teils per Abhebung am Bankautomaten kassiert haben. Die Staatsanwaltschaft geht von mindestens 300.000 Euro aus. Foto: dpa
Die mutmaßlich korrupte Oberstaatsanwalt soll Bestechungsgelder teils bar, teils per Abhebung am Bankautomaten kassiert haben. Die Staatsanwaltschaft geht von mindestens 300.000 Euro aus. Foto: dpa

Sein Fall erschüttert die hessische Justiz gewaltig: Ein hochrangiger Oberstaatsanwalt, langjährig Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, war Ende Juli wegen Korruptionsverdacht festgenommen worden. Über 15 Jahre lang soll der heute 53-Jährige in Verfahren wegen mutmaßlichen Abrechnungsbetrugs im Gesundheitswesen Schmiergelder für Gutachtenaufträge an externe Dienstleister kassiert haben. Mindestens 300.000 Euro sollen dabei allein im Zeitraum von 2015 bis 2020 geflossen sein.

Besonders schwerwiegend: Die Initiative für die Bestechungsgelder soll anders als gewöhnlich nicht von Unternehmerseite, sondern von dem Beamten ausgegangen sein, so der Verdacht der Staatsanwaltschaft. Zeugenaussagen weisen ebenfalls in diese Richtung.

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Seit diesem Donnerstag ist der seines Amtes enthobene und suspendierte Staatsanwalt wieder auf freiem Fuß. Zuerst hatte die Bild-Zeitung darüber berichtet. Die Staatsanwaltschaft teilte auf Nachfrage mit, dass er weitgehend, wenn auch nicht vollumfänglich geständig war und die ihm vorgeworfene „Entgegennahme von Schmiergeld zum ganz überwiegenden Teil eingeräumt“ habe.

Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ zitiert den Verteidiger des mutmaßlich korrupten Beamten damit, dass man dabei sei, den Schaden auszurechnen und zu prüfen, ob dieser mit dem eingezogenen Vermögen übereinstimme. Auf weitere Nachfragen des Handelsblatts wollte der Verteidiger des einstigen Strafverfolgers nicht antworten.

Verschonung vor Gefängnis trotz erweitertem Haftbefehl

Der Haftbefehl wurde aufgrund der bisherigen Ermittlungsergebnisse sogar erweitert. Wie die „Hessenschau“ berichtet, soll die zuständige Ermittlungsrichterin überdies eine erhebliche Verdunkelungsgefahr gesehen haben, weil der Beamte schon vor seiner Inhaftierung Beweise vernichtet habe. Dennoch musste die Richterin dem Bericht zufolge einer Haftverschonung zustimmen.

Der Grund dafür: Der Antrag auf Haftverschonung kam anders als üblich nicht von den Verteidigern des Beschuldigten, sondern von der Staatsanwaltschaft. Eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs verlangt in solchen Fällen dann die Entlassung.

Anders als offenbar die Ermittlungsrichterin sieht die Staatsanwaltschaft nur wenig Gefahr, dass der Beamte Beweise vernichten oder Einfluss auf Zeugen nehmen könnte. Auf Nachfrage teilte sie dem Handelsblatt mit, dass „aufgrund der bisherigen Ermittlungen die Beweise so gesichert wurden, dass die Erteilung der Auflagen geeignet erscheint, die noch bestehende Verdunklungsgefahr zu minimieren.“

Der bestechliche Oberstaatsanwalt muss sich nun an einige Auflagen halten. So wurde er laut Staatsanwaltschaft mit umfangreichen Kontaktverboten zu Mitbeschuldigten und Zeugen belegt. beispielsweise nicht mit Zeugen und anderen Beschuldigten in Kontakt treten. Laut Justizkreisen sollen die Ermittlungen weit vorangeschritten sein, bereits zahlreiche Zeugen vernommen und Beweismittel sichergestellt sein.

Der Fall löste auch deshalb so großes Entsetzen aus, weil der hochrangige Beamte einer der bekanntesten Staatsanwälte Frankfurts war und in seiner Behörde und auch weit darüber hinaus stets als besonders integer galt.

Als Pressesprecher war er öffentlich sehr präsent, bestens informiert über Details in allen Abteilungen sowie bei Gerichten und in der Anwaltsbranche vernetzt. Er baute eine Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen auf, gab sein Wissen anderen Staatsanwälten weiter und wurde oft als Referent zur Aufklärung von Korruptionssystemen gebucht.

Beamter soll Treiber der Bestechung gewesen sein

Wieder auf freiem Fuß ist auch der zweite Hauptverdächtige, ein 54-Jähriger Unternehmer und Schulfreund des Oberstaatsanwalts. Er soll auf Initiative des Oberstaatsanwalts 2005 eine Firma gegründet haben, die in der Folge überwiegend Gutachten für die Justizbehörden erstattete. Auch er war laut der Staatsanwaltschaft weitgehend geständig, räumte die Schmiergeldzahlungen ganz überwiegend ein und darf keinen Kontakt zu Mitbeschuldigten und Zeugen aufnehmen.

Durch die Aufträge des Oberstaatsanwalts soll die Firma des Schulfreundes einen Umsatz in Höhe von mehr als 12,5 Millionen Euro erzielt haben – rund 90 Prozent der Gesamteinnahmen. Schmiergelder in Höhe von 240.000 Euro sollen aus der von ihm gegründeten Firma seit 2015 an den Beamten geflossen sein, der monatlich rund 4000 Euro kassiert haben soll. Auch der Unternehmer saß seit knapp zwei Monaten in Untersuchungshaft.

Neben dem Oberstaatsanwalt und seinem Schulfreund ermittelte die Staatsanwaltschaft Frankfurt zuletzt gegen drei weitere Beschuldigte. Der Beamte soll nämlich nicht nur Bestechungsgelder von einem Unternehmen kassiert haben, sondern auch von Verantwortlichen mindestens einer zweiten Firma. Dies jedenfalls haben laut Handelsblatt-Informationen die beiden Geschäftsführer der betreffenden Firma gegenüber der Staatsanwaltschaft ausgesagt.

Die beiden Manager, die sich mit ihren Aussagen selbst belasteten und nun auch zum Kreis der Beschuldigten gehören, zahlten demnach dem Staatsanwalt ab 2014 ebenfalls sogenannte Kickbacks dafür, dass er Gutachtenaufträge an ihre Firma vergab. Sie gaben an, dass die Initiative für die Bestechung von dem Beamten ausging. 66.000 Euro sollen geflossen sein.

Die Ermittlungen ausgelöst hatte eine Strafanzeige der früheren Lebensgefährtin des Oberstaatsanwalts vor einem Jahr. Sie soll zudem auch in dem von dem Schulfreund des Beamten gegründeten Unternehmen gearbeitet haben.

Als der mutmaßliche Bestechungsskandal am 24. Juli bekannt wurde, hatte dies in Hessen so etwas wie ein mittelschweres Beben in der Justiz ausgelöst hat. Der Fall beschäftigte bereits den der Justizausschuss des hessischen Landtags, bisweilen ist bereits von einer echten Vertrauenskrise die Rede und schnell wurden Forderungen nach Reformen laut.

Als erste Konsequenz aus dem Skandal gilt künftig bei allen hessischen Staatsanwaltschaften bei der Vergabe von Gutachten das Vieraugenprinzip. Die Landes-Justizministerin Eva Kühne-Hörmann richtete zudem zur Korruptionsprävention eine Stabsstelle in ihrem Haus ein, die Zentralstelle für Medizinwirtschaftsstrafrecht, die der beschuldigte Oberstaatsanwalt leitete wurde geschlossen.