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Munich-Re-Chef Wenning will die „digitale Ungeduld“ für sich nutzen

Viele Kunden erwarten Hilfe binnen fünf Minuten, sagt der Munich-Re-CEO auf dem Handelsblatt Insurance Summit. Darauf müssten sich Versicherer einstellen.

Der Dax-30-Konzern Munich Re sieht die Versicherer vor einem grundlegenden Wandel. Kunden würden „zunehmend auch von uns Standards erwarten, die sie aus anderen Branchen kennen: Schnelligkeit. Einfachheit. Annehmlichkeit und Komfort“, sagte Munich-Re-Vorstandschef Joachim Wenning am Dienstag auf dem Versicherungsgipfel Insurance Summit des Handelsblatts in München.

So orientierten sich Konsumenten etwa an den Erfahrungen, die sie als Kunden von Amazon schätzen gelernt hätten. Umso unverständlicher sei es für sie, mit ihrer Versicherung nicht ebenso unkompliziert interagieren zu können. „Die sogenannte digitale Ungeduld greift um sich, überall“, sagte Wenning.

Die Branche muss sich damit neu ausrichten. Die Songzeile „I want it all, and I want it now“ eines Queen-Klassikers werde zum Soundtrack moderner Kunden. So würden drei Viertel der Onlinekunden in einer Befragung der Beratung McKinsey angeben, innerhalb von fünf Minuten Hilfe zu erwarten.

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„Geschwindigkeit ist auch im Versicherungskontext ein ganz entscheidender Grund für den Online-Abschluss.“ Doch die neue digitale Ungeduld könne auch eine Chance für die Versicherer sein. So sei der Schadenfall ein ganz entscheidender Moment in der Branche.

Mit neuen Techniken wie Künstlicher Intelligenz versuche Munich Re darum, den Erstversicherern zu ermöglichen, rascher den Betroffenen Unterstützung zukommen zu lassen. Die Munich Re lässt beispielsweise künftig sofort nach Hurrikans die Gebiete überfliegen und hochauflösende Aufnahmen erstellen.

Auch „algorithmisch lassen sich Gebäudeschäden automatisch differenziert erfassen“. So könnten Versicherer die Schadenregulierung schneller starten, oft sogar schon bevor Betroffene wieder zu ihrem beschädigten Haus zurückgekehrt seien. Erste Erfahrungen nach Hurrikan Michael 2018 belegten, dass die Schadenkosten sinken würden und Kundenzufriedenheit und Vertrauen in die Versicherer steigen würden.

Die Systemfrage hinter der Digitalisierung allerdings, so Wenning, weise über diese Beispiele hinaus. Dies sei die Frage, wie die Versicherer regelmäßig „sinnhafte, positive Interaktionen mit ihren Kunden sicherstellen“ könnten. Wenning schreibt dabei den digitalen Plattformen, sogenannten datengetriebenen Ökosystemen, eine Schlüsselrolle zu.

„Rundum-sorglos-Lösungen“ für die Kunden

Laut McKinsey soll über diese Ökosysteme bis 2025 bis zu einem Drittel des weltweiten Umsatzvolumens generiert werden. „Diese digitalen Ökosysteme verändern den Wettbewerb in unserer Branche“, warnte Wenning. Versicherer müssten künftig einen klaren Mehrwert bieten. „Die wenigsten Kunden kaufen Versicherungen aktiv ein, weil sie eine bestehende Deckungslücke als Problem befinden, von dem sie sich befreien lassen möchten“, sagte der Munich-Re-Chef.

Stattdessen werde es in Zukunft mehr darum gehen, die Bedürfnisse zu erkennen, die den Kunden am meisten bewegen und genau hierfür „Rundum-sorglos-Lösungen“ zu bieten. Es sei wie bei dem Concierge eines guten Hotels: Besorge er Plätze im Restaurant oder für ein begehrtes Konzert, mache dies häufig den Unterschied aus. Genau das müsse auch der Anspruch moderner Versicherer sein.

Die Munich Re geht den digitalen Umbruch aus einer Position der Stärke an. Der Münchener Dax-30-Konzern hob erst vor wenigen Wochen seine Gewinnprognose für das Gesamtjahr wegen Gewinnen aus Währungsgeschäften und Kapitalanlagen an. Der Konzern erwarte nun für das Gesamtjahr, das bisher angepeilte Ergebnis von 2,5 Milliarden Euro zu übertreffen.

Der wachsende Optimismus wird dabei auch von überraschend starken Quartalszahlen geschürt. Trotz hoher Großschäden lag das Konzernergebnis im dritten Quartal zuvor in einer Größenordnung von 850 Millionen Euro, wie der Konzern bereits vor der detaillierten Vorstellung der Drei-Monatszahlen verkündete. Den endgültigen Quartalsabschluss legt die Munich Re erst am 7. November vor.

Die überraschend starken Ergebnisse geben dem Konzern so die Möglichkeit, genug Geld für die Digitalisierung freizuschaufeln. Konzernchef Wenning hatte schon beim Investorentag Ende vergangenen Jahres die Devise ausgegeben, dass sein Haus bis zum Jahr 2020 an der Spitze des digitalen Fortschritts stehen soll.

Möglichkeiten sind längst nicht ausgeschöpft

Der Versicherer wittert neue Geschäftsmöglichkeiten vor allem aus der Kombination von Technologie, Risikomanagement und Finanzinstrumenten. Dabei geht es auch um die Auswertung von Datenströmen. So wie die Zahl der Verkehrsunfälle durch autonome Autos wohl sinken wird, soll künftig die Analyse von Sensordaten in Produktionsanlagen zur vorbeugenden Wartung samt Teileaustausch führen. Damit würden weniger kostspielige Versicherungsschäden passieren.

Im Konkurrenzkampf um die Gunst der Kunden haben sich viele Versicherer das Ziel gesetzt, Schäden schneller zu begleichen. Die ersten Programme zur Analyse und Berechnung von Schäden durch Computer gab es vor einigen Jahren in der Kfz-Versicherung, die Technologie wird aber mittlerweile zunehmend auch in anderen Versicherungsarten eingesetzt. Doch Munich Re sieht die Möglichkeiten längst nicht ausgeschöpft.

Schon im Juni 2018 sorgte der Rückversicherer bereits für Aufsehen, als er in einem ehemaligen Industriegelände am Münchener Ostbahnhof seine sogenannte Smart Factory vorstellte. Gemeinsam mit der Porsche-Tochter MHP und dem Anlagenbauer Kuka entwickelt und präsentiert die Munich Re dort Lösungen aus dem breiten Spektrum „Internet der Dinge“ (IoT).

Die Munich Re tritt dabei als Spezialist für Fragen der Finanzierung und Absicherung auf. Für Wenning führt daran kein Weg vorbei. „Wer die Digitalisierung in den Dienst des Kunden stellt, wird zu den Gewinnern unserer Branche zählen“, betont er in München.