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Mobilität neu gedacht: Wie gut ist der Ridesharing-Pionier Moia?

Rollt seit April durch die Straßen Hamburg: Die Elektrobusse der VW-Tochter MOIA (Foto: © MOIA)
Rollt seit April durch die Straßen Hamburg: Die Elektrobusse der VW-Tochter MOIA (Foto: © MOIA)

Es tut sich was auf den Straßen der deutschen Großstädte: Seit einigen Monaten mischt VW-Tochter Moia den Verkehr und Markt für Ridesharing-Angebote auf. Wie gut ist das hippe Elektro-Sammeltaxi? Yahoo Finanzen-Autor Nils Jacobsen hat in diesem Sommer den Test gemacht.

Fortbewegung in der Großstadt: Seit Jahrzehnten wird es problematischer. Die Metropolen wachsen beständig, die Verkehrsangebote aber nicht mehr mit. Wer versucht, zur Rushhour mit dem Auto zur Arbeit oder anderen Terminen zu gelangen, erlebt in Berlin, Hamburg, München, Frankfurt & Co. fortgesetzt den asphaltgewordenen Albtraum.

Aber auch das klassische Alternativangebot der öffentlichen Verkehrsmittel ist längst an seine Grenzen gestoßen. Die Beförderung mit Bahn und Bus ist fraglos die kostengünstigste, aber nicht jedermanns Sache. Wer die Belastbarkeit der eigenen Komfortzone austesten wollte, hatte in den Hamburger Schulferien dazu wieder einmal die Gelegenheit: Pünktlich wie jedes Jahr hat der HVV die schönste Zeit des Jahres zu umfangreichen Brückenbauarbeiten genutzt, die den Betrieb am Bahnhof Altona – dem zweitgrößten Bahnhof der Hansestadt – zum Großteil eingestellt hat.

Bahn oder Taxi: eine jahrhundertalte Kostenfrage

Menschen wie übelriechende Sardinen aneinandergedrückt – das war das Erlebnis, das sich Hamburgern bot, die zwischen Ende Juni und Anfang August über den Knotenpunkt Altona verkehrten und mühsam über den Schienenersatzverkehr in Form von überfüllten, zeitlich unzuverlässigen Bussen ihr Ziel einige wenige Haltestellen weiter zu erreichen versuchten – mit entsprechend drastischen Verspätungen.

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Was tun, wenn der Verkehr zusammenbricht? Wer auf kein eigenes Auto zurückgreifen kann, hat natürlich immer die Option, Taxi zu fahren – doch die kostet entsprechend. Für die 10 Kilometer lange Strecke zwischen Hamburg Altona zum Flughafen oder in den Elbvorort Blankenese, für die im HVV-Tarif 3,30 Euro zu Buche schlagen, werden im Taxi schnell 30 Euro fällig. Die Nutzung der Verkehrsmittel war bis vor wenigen Monaten eine jahrhundertalte Kostenfrage.

Ridesharing-Anbieter revolutionieren Mobilität durch Mitfahrprinzip

Das hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Mit Uber, Lyft & Co starteten zunächst in den USA neue Mitfahrdienste, die Taxen im Preis oftmals deutlich unterboten – und damit beim Markteintritt in Deutschland schnell mit der Gesetzgebung kollidierten. Ein anderes Konzept verfolgen sogenannte Ridesharing- bzw. -pooling-Dienste, die von vornherein darauf setzen, dass sich Gäste eine Fahrt teilen, die dadurch günstiger wird.

Pionier unter den neuen Mobilitätsanbietern ist das bereits 2014 gegründete Unternehmen CleverShuttle, das mittlerweile bereits in Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, Dresden, Leipzig, Stuttgart und Kiel verfügbar ist. CleverShuttle, das seit 2018 mehrheitsmäßig der Deutschen Bahn gehört, bietet ausschließlich Fahrten mit umweltfreundlichen Fahrzeugen mit Elektro-, Wasserstoff- oder Hybridantrieb an.

Moia seit April im Hamburg vertreten

Den noch jungen Mitfahrmarkt aufmischen möchte unterdessen auch Deutschlands größter Automobilhersteller Volkswagen, der nach jahrelanger Entwicklungsphase seit vergangenem Sommer seine Mobilitätstochter Moia in Hannover gestartet und sein Angebot im April dieses Jahres in Hamburg unter großem Medienbuhei erweitert hat.

Moias sind elektrisch betriebene Kleinbusse, die bis zu sechs Fahrgäste im Ballungsgebiet Hamburg befördern. Geordert und bezahlt wird die Fahrt ausschließlich per App – das Angebot richtete sich entsprechend an die urbane Smartphone-Generation, die mal eben von der Arbeit zum Grillen mit Freunden, zur nächsten Bar oder zum Flughafen fahren möchte, ohne umständlich auf die muffigen öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen zu sein, aber ebenso nicht einsieht, den Taxipreis zu bezahlen. Sparen wird durch die Mitfahrt anderer Gäste möglich, die via Algorithmus in eine bestehende Fahrt automatisch zugebucht werden.

Keine Babyschale im Moia

Wie gut geht das Konzept nun auf? Bis ich die erste Fahrt in dem golden-schwarzen Kleinbus antreten kann, der – wenn man ihn in der Stadt sieht – eindeutig den Reflex auslöst, gerne mitfahren zu wollen, vergehen fast drei Monate. Das liegt einerseits an der Klage eines Taxi-Unternehmens, die die angestrebte Flottengröße von 500 Fahrzeugen in den ersten Monaten ausgebremst hat und auf nur 200 Fahrzeuge begrenzt und meine Versuche, mein Moia zu ergattern, in den ersten Monaten jedes Mal hat scheitern lassen, andererseits aber auch an meiner Lebenssituation.

Ich bin seit vergangenem Jahr Vater eines Kleinkinds, das ich nur zu gerne in einem Moia zum Ausflug fahren würde, doch das Vorhaben scheitert am Alter – eine Babyschale gibt es im Fahrzeug nicht. Ein Kindersitz ist vorhanden, doch der darf erst von Kindern ab 9 Kilo Gewicht genutzt werden.

Nehme ich selbst eine Babyschale mit, macht mein Ausflug mit Kinderwagen, der zusammengefaltet Platz findet, nur noch begrenzt Sinn. Für Ausflüge sind wir also zunächst ausgebremst, was sich im Verlauf des Sommers ändert. Andererseits scheitere ich bei Versuchen, ein Moia allein zu ordern, zunächst immer wieder an der Verfügbarkeit.

Chancen bei zeitlich flexiblen Fahrten größer

Meine erste Moia-Fahrt klappt schließlich drei Monate nach dem Start mit einem Trick: Von den drei Buchungsoptionen „Sofort“, „in 5 Minuten“ oder „in 10 Minuten“, probiere ich die letzten beiden nun häufiger. Es kommt schließlich zur Buchung: Je länger der Moia-Algorithmus Zeit hat, ein Fahrzeug zu finden, zu dem meine Route passt, desto höher die Buchungswahrscheinlichkeit.

Mein erster Eindruck gleicht einer Apple-Erfahrung. Der Moia-Fahrer begrüßt mich beim Einstiegen mit meinem Vornamen und erklärt mir das Konzept. Er will wissen, ob ich bereits mit Moia gefahren bin und wie ich davon erfahren habe. In den bequemen Ledersitzen versunken, sehe ich auf einem Monitor den Fahrtverlauf. Ich will von Ottensen bis zur Langen Reihe fahren, um einen Kollegen zu treffen und scheine Glück zu haben – freie Fahrt.

Die Sache mit der variablen Fahrzeit

Lautlos rollen wir im klimatisierten Elektrobus, der USB-Anschluss und anklickbare Deckenbeleuchtung bietet, durch den Hamburger Sommer. Ich scheine zudem Glück und freie Fahrt für vor der Buchung garantierte 5,96 EUR zu haben – mit dem Taxi hätte ich mehr als das Doppelte bezahlt, was will man mehr? Einen solchen Fahrkomfort habe ich zuletzt im Tesla eines Freundes genossen, nach dieser Fahrerfahrung möchte ich nicht mehr zurück in eines der durchgesessenen 0815-Taxis zu Mondpreisen.

Doch kurz hinter dem Fischmarkt passiert es dann. Auf dem Monitor springt plötzlich eine neue Haltestelle auf: Heidi-Kabel-Platz + 4 steht da. Zudem eine neue Ankunftszeit, die nun plötzlich um neun Minuten gewachsen ist. Man kann nicht sagen, dass mich Moia nicht gewarnt hätte: Beim Einstieg liefert mir die App eine ungefähre Ankunftszeit, die um 12 Minuten variiert. Das ist schließlich das Konzept der Volkswagentochter: Wie der Preis soll die Fahrt geteilt werden (der Preis bleibt aber immer stabil, ganz gleich, ob ich alleine bleibe oder nicht).

Gefühl wie beim iPhone-Launch 2007

Und so kommt es, dass am Hauptbahnhof eine lustige Viererbande um 18 bis 22 Jahre jung hinzusteigt, mit ihren Koffern den vorderen Ablagebereich voll ausschöpft und den Moia lauthals erzählend zum Partymobil macht – da hat dann wohl jemand noch etwas vor. Der Eindruck täuscht nicht: Die meisten Fahrgäste, denen ich in den nächsten Wochen begegne, sind jung, urban und auffällig gut gelaunt – teilweise grüßt man sich sogar wie iPhone-Besitzer in den ersten Monaten 2007, als wäre man Teil eines Kults.

Nach dem kleinen Umweg beende ich meine Fahrt schließlich doch bereits fünf Minuten später, werde freundlich vom Fahrer verabschiedet, bekomme umgehend einen Rechnungsbeleg zugeschickt und werde in der App nach meinem Feedback gefragt, eine Anfrage über Trinkgeld inklusive (10, 15 oder 20 Prozent). Ich bin heute einmal ein Geizhals, äußere mich aber lobend über Auto und Fahrer.

Mein Moia-Sommer

In den nächsten Tagen steige ich, nicht zuletzt wegen des HVV-Dramas, wie selbstverständlich in die schwarz-goldenen Kleinbusse ein. Zu dritt unternehmen wir einen Ausflug an die Alster und lernen, dass selbst, wenn man einen Kindersitz anklickt, das Kind als dritte Person dazugebucht werden muss. Dadurch erhöht sich der Fahrpreis, aber nicht so radikal wie gedacht. Als Grundregel gilt etwa um 20 Prozent pro weitere Person.

Über 10 Fahrten kommen in den nächsten Wochen zusammen. Zu den German Open am Rothenbaum fahre ich wegen des Bahnchaos jedes Mal mit Moia, es sind gerade mal 6 Euro für die von Altona 5 Kilometer lange Strecke. Der Crash meines iMacs macht mich wenig später unterdessen zum regelrechten Moia-Heavy-User: Gleich vier Mal fahre ich mit dem Elektrobus binnen wenigen Stunden zum Apple-Händler – mit dem Mac zur Reparatur und wieder zurück, vier Stunden später wieder hin und mit repariertem Mac am gleichen Tag wieder zurück. Die vier Fahrten, die mit dem 10+ kg schweren iMac mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur unter großen Anstrengungen zu bewältigen gewesen wären, kosten mich mit Moia keine 30 EUR – mit dem Taxi wäre schnell wieder das Doppelte herausgekommen.

Minuspunkte bei der Software

Schnell kommen zehn Fahrten zusammen, ich bekomme erste Treuerabattprozente. Keine Frage: Moia hat mich überzeugt, was nicht zuletzt daran liegt, dass ich der ideale Kunde bin – ich besitze kein Auto, ich vermeide öffentliche Verkehrsmittel so gut es geht, ich bin ein Digital Native, der am liebsten sein ganzes Leben auf dem iPhone regeln würde.

Und doch erkenne ich nach den ersten drei Monaten auch einige klar benennbare Schwachstellen, die sich fast ausschließlich auf die Software beziehen. Der Algorithmus, der die vermeintlich effizienteste Verbindung zwischen Fahrzeugen und Nutzern herstellt, führt manchmal im Digitalen ein Eigenleben, das in der Wirklichkeit zu bizarren Situationen führt – etwa, wenn eine Fahrt plötzlich um eine 500 Meter lange Ehrenrunde durch die engen Gassen in Blankenese verlängert wird, anstatt die letzten 50 Meter der Elbchaussee zum Ziel zu fahren.

Kinderkrankheiten während der Startphase

Auch mit der Live-Simulation der Fahrzeuge in der App hapert es noch: Es gab eine Situation, in der ich das Moia fast verpasst hatte, weil die App den Standort des Fahrzeugs minutenlang nicht aktualisiert hat. „Hast Glück gehabt, wollte gerade losfahren“, begrüßt mich der Fahrer, als ich zum blinkenden E-Shuttle eile, der seit über fünf Minuten am vereinbarten Treffpunkt gewartet hat. Es wäre nicht zu viel verlangt, den Nutzer mit der Push-Benachrichtigung „Dein Moia ist jetzt da“ in Echtzeit über die Ankunft zu informieren.

Gewiss, es gibt noch andere Minuspunkte. Bislang wird nicht die ganze Hansestadt angefahren, Randgebiete und der Stadtbereich südlich der Elbe warten auf Mitfahrgelegenheit, die es in den nächsten Monaten geben soll. Es sind Kinderkrankheiten während der Startphase. „Wir sind die Zukunft“, behauptet die VW-Tochter selbstbewusst auf der Rückseite des ausklappbaren Kindersitzes, der jedem Gast beim Einstieg in die Augen fällt. In Hamburg und Hannover hat sie bereits begonnen…