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Mobilitätsdienste: Auf große Hoffnung folgt Ernüchterung

Die Euphorie bei Carsharing, Mitfahrdiensten und Taxivermittlern ist verflogen. Daimler, BMW und VW investieren nur noch gezügelt in die Verlustbringer.

Zwei Rivalen, ein Handschlag und Sätze für die Geschichtsbücher: Der 22. Februar 2019 markierte scheinbar eine historische Wende in der deutschen Autoindustrie. Ausgerechnet Daimler und BMW, die sich einen erbitterten Wettstreit um die Krone des besten Premiumherstellers der Welt liefern, rückten plötzlich eng zusammen.

Künftig, so bekundeten der damalige Daimler-Chef Dieter Zetsche und sein neuer Freund, BMW-CEO Harald Krüger, wolle man gemeinsame Sache bei Mobilitätsdiensten machen. „Zusammen sind wir stärker“, konstatierte Krüger freudestrahlend in einem ehemaligen U-Bahn-Tunnel in Berlin. „The sky ist the limit“, assistierte Zetsche – nur der Himmel gebe die Grenzen dieser neuen Partnerschaft vor.

Die beiden Alphas riefen ein hehres Ziel aus: Sie wollen einen weltweit führenden „Gamechanger“ im Wachstumsmarkt für urbane Mobilität schaffen. Dabei haben sich mit Uber und dem chinesischen Pendant Didi in den USA und Asien bereits zwei dominante Spieler festgesetzt. BMW erwog zeitweise einen Einstieg bei Uber oder Lyft, doch die Preise wurden schnell astronomisch. Immerhin war das Feld in Europa noch offen. Da lag der Zusammenschluss mit Daimler näher.

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Eine Milliarde planten die Konzerne zu investieren, um bestehende Dienste wie Car2Go und DriveNow zu verzahnen und diese so schneller zu skalieren. Fünf Joint Ventures in den Bereichen Carsharing, Mitfahrdienste, Parken, E-Ladestationen und Apps zur Reiseplanung wurden gegründet. Vereint unter dem Label „Your Now“ wurde ein buntes Sammelsurium unterschiedlich reifer Geschäftsaktivitäten.

Acht Monate nach dem Start ist die Euphorie bei den Partnern verflogen. In der Autoindustrie herrscht Krisenstimmung. Der Absatz schwächelt, Brexit und Zollkriege lasten auf den Erträgen. Weder Zetsche noch Krüger sind noch im Amt.

Bei Daimler in Stuttgart hat der Schwede Ola Källenius das Steuer übernommen, in München bei BMW gibt neuerdings Oliver Zipse den Ton an. Beide müssen milliardenschwere Sparprogramme auflegen, um die selbst gesetzten Renditeziele von acht bis zehn Prozent einlösen zu können.

„Das interne Geschäftsmodell ist wichtig, da kann man sich sehr schnell verschätzen“, sagte Zipse auf dem Handelsblatt-Autogipfel im Porsche-Museum in Stuttgart. Der Manager hält es für einen Irrglauben, jedem Digitaltrend hinterherjagen zu müssen.

Zipse betont, den Sinn für das Geschäftsmodell von BMW nicht verlieren zu wollen, nur weil gerade auf allen Ebenen ein sehr rigoroser und weitrechender technologischer Wandel stattfindet. Intern gibt er bereits die Richtung vor: Analog zur Luftfahrtindustrie sei BMW ein Flugzeughersteller und keine Airline.

„Es wird zwar viel über das Auto diskutiert, übrigens auch über dessen Existenzberechtigung, aber gleichzeitig wächst die weltweite Nachfrage stetig und ständig – zumindest in den oberen Marktsegmenten“, dozierte Zipse. Mit seinem Daimler-Konterpart Källenius ist er sich einig: Das Auto hat noch eine lange Zukunft. Nur wenige Unternehmen schaffen es, die gestiegenen Klima-Anforderungen umzusetzen. Sich wieder stärker auf den Autobau zu konzentrieren sei das Gebot der Stunde.

„Die individuelle, selbstbestimmte Freiheit: Ich glaube, es wäre völlig unrealistisch zu sagen, dass man das abschaffen würde“, so der Daimler-Chef. Er will zwar klimaschädliches CO2 aus seiner Mercedes-Flotte verbannen; ein Ende des prinzipiellen Geschäftsmodells als Autobauer sieht aber auch er längst nicht gekommen.

Zipse und Källenius versuchen vielmehr, beim Wandel von Verbrennungs- zu Elektromotoren die Renditeziele ihrer Konzerne hochzuhalten, um die Transformation ohne große Stellenstreichungen bewältigen zu können.

Jede Investition wird dabei doppelt und dreifach geprüft. Das gemeinsame Mobilitätsabenteuer „Your Now“ dürfte zwar nicht gleich aussortiert, aber doch weit weniger ambitioniert vorangetrieben werden als ursprünglich geplant. Die Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten wissen sie hinter sich. „Mit dem Autobau wissen wir, was wir verdienen“, sagt ein Arbeitnehmervertreter.

„Schwer vorstellbar“ sei es in finanziell derart angespannte Zeiten, eine halbe Milliarde oder mehr in ein Geschäft zu stecken, das absehbar nichts als Verluste produziert, heißt es in Stuttgart. Zumal die Skalierung trotz der 70 Millionen Nutzer als Basis nicht so schnell gelinge wie gewünscht. Man komme daher in eine Phase der Neubewertung der Aktivitäten. Wie hoch die Verluste der Mobilitätstöchter sind, darüber schweigt man in München und Stuttgart, die Zahlen sind nicht einzeln ausgewiesen.

Gesucht sind Partner für die Expansion

Nun sucht man in München und Stuttgart nach Investoren für die Mobilitätstöchter. Zwar wolle man weiterhin die Mehrheit behalten, doch für eine noch zu gründende Holding oder einzelne Töchter suche man Partner, heißt es übereinstimmend bei BMW und Daimler. Zum Beispiel für die Mitfahrdienste in Südamerika: Der Markt wachse schnell, dort habe man noch Chancen gegen Uber.

Die ersten enttäuschten Manager springen ab. Daniela Gerd tom Markotten, Chefin der multimodalen Reiseplattform Reach Now (vormals Moovel), schmiss im Sommer hin. Sebastian Hofelich, Co-Geschäftsführer des Mitfahrdienstes Free Now, legte sein Amt im Herbst nieder. Die Joint Ventures müssten anders aufgestellt werden, ätzt eine Daimler-Führungskraft: „Niemand versteht die Struktur.“

Es brauche eine straffe Dachorganisation statt teurer Doppelstrukturen mit paritätisch besetzten Geschäftsführungen. Denn dort ist man auch den Interessen der Mutterhäuser verpflichtet. Die Vertriebsressorts sehen in ihren Berliner Töchtern auch Absatzkanäle, die Autos abnehmen müssen. Und wenn es um das Verkaufen geht, dann sind Mercedes und BMW immer noch harte Konkurrenten.

„Die aktuelle wirtschaftliche Situation der Autoindustrie zwingt die Branche dazu, sehr realistisch auf Hoffnungsträger wie das Geschäft mit Mobilitätsdiensten zu blicken“, konstatiert Fabian Brandt, Autoexperte bei Oliver Wyman.

Gerade das Geschäft mit Carsharing, Mitfahrdiensten oder Apps zur Reiseplanung sei extrem anspruchsvoll. „Die Anbieter müssen um jede Region, Stadt und Kommune einzeln kämpfen, da sich die Regularien und regionalen Besonderheiten überall unterscheiden. Der Aufwand ist immens und oft nur mit hohem Personaleinsatz zu bewältigen“, sagt Brandt.

Die Folge: Vielen Anbietern fällt es schwer, eine dominante Stellung bei Mobilitätsdiensten aufzubauen. So ist Daimler bereits 2014 mit dem Versuch gescheitert, in London ein Carsharing-Netz aufzubauen.

Verkehrspolitisch ist die britische Metropole ein Flickenteppich unterschiedlicher Zuständigkeiten. Selbst in Stuttgart musste Car2go sein Verbreitungsgebiet um rund ein Drittel verkleinern, weil sich das Geschäft nicht rechnete. Auch in Düsseldorf haben sich Car2go und DriveNow aus den Vororten zurückgezogen.

Verärgert sind auch große Teile des Taxigewerbes. Mercedes hatte seine beliebte „Mytaxi“-App in „Free Now“ umbenannt und dort auch analog zu Uber günstigere Mietwagenfahrten angeboten. Allein in München haben seitdem 40 Taxiunternehmen mit rund 800 Fahrern die Zusammenarbeit mit „Free Now“ aufgekündigt. Das Münchener Taxizentrum (MTZ) startet seinen Elektro-Feldversuch mit Stromautos vom BMW-Rivalen Jaguar.

Den Ärger mit dem Taxigewerbe nutzt der Mobilitätskonzern Sixt. Im Juli schloss der Autovermieter ein Abkommen mit einem halben Dutzend Taxizentralen. Seit Februar baut Sixt zudem bundesweit eine Carsharing-Flotte auf. Das Selbstvertrauen ist groß. „Andere stellen Autos her, wir stellen Autos hin. Das ist ein Unterschied“, sagt Vorstandsmitglied Alexander Sixt.