Der Mittelstand gerät in Deal-Laune: Fünf Themen des Tages
(Bloomberg) -- Unser Deal-Spezialist Eyk Henning ordnet heute den jüngsten Miniboom bei deutschen Mittelständlern ein. — Fünf Themen des Tages erscheint ab 5. Juni via E-Mail! Abonnieren Sie hier.
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Der deutsche Mittelstand war lange Zeit vor allem eines: zurückhaltend. Stille Nischen-Weltmarktführer, im Privatbesitz, nicht unterwegs am Kapitalmarkt, bei Fusionen oder Übernahmen. Das hat sich in den vergangen Wochen schlagartig geändert.
Am gestrigen Mittwoch bestätigte die Schwarzwälder Schmid Gruppe einen Bloomberg-Bericht, wonach sie an die Börse geht — und das auch noch an die ferne Wall Street und, als Kirsche auf der Torte, auf dem Weg über einen Börsenmantel. Okay, vielleicht sind diese Spacs etwas three years ago, aber doch recht fortschrittlich für eine im Jahr 1864 gegründete Firma. Ein Tag zuvor war es der 125 Jahre alte Industriegashersteller Messer (Boomer ergänzen im Kopf immer noch “Griesheim”), der sich Milliarden aus Singapur ins Haus holt, um den Finanzinvestor CVC aus einem Joint Venture herauszukaufen. Und vor einigen Wochen der 106 Jahre alte Heizungsbauer Viessmann, der sein ebenfalls milliardenschweres Hauptgeschäft an den US-Klimaanlagenhersteller Carrier verkauft.
Dabei ging es keinem der Familieneigentümer in erster Linie ums Versilbern der Anteile. Der Mittelstand entdeckt, dass Kapital von außen nicht nur eine Exit-Option ist, sondern auch helfen kann, globaler zu werden, neue Märkte zu erschließen, und sich geopolitisch umzuorientieren.
Was Marktteilnehmer heute noch bewegen könnte, berichten Ihnen Rainer Bürgin und Boris Groendahl: Keine falschen Inflationshoffnungen, Sticheleien in Hannover, Bond-Torschlusspanik, kein Schweizer Moral Hazard, und gedämpfter Hauspreisrückgang.
Keine falschen Inflationshoffnungen
Eine halbe Stunde nach Veröffentlichung der jüngsten Inflationsdaten für den Euroraum hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde Zinshoffnungen beerdigt, so es sie denn gegeben hat: es sei nicht klar, dass die Kerninflation ihren Höhepunkt erreicht hat, bei den Zinsen gebe es noch etwas zu tun. Die Verbraucherpreise ohne Energie und Nahrungsmittel stiegen im Mai mit 5,3% im Jahresvergleich zwar weniger stark als im April (mit 5,6%) und als erwartet (5,5%), liegen aus Sicht der Währungshüter aber immer noch zu hoch. Die Abkühlung der Gesamtinflation auf 6,1% erklärt sich vor allem durch niedrigere Energiekosten. Bloomberg Economics geht davon aus, dass Basiseffekte und statistische Verzerrungen die Kerninflation über den Sommer hinweg wieder ansteigen lassen werden. Investoren und Ökonomen erwarten, dass die EZB zunächst am 15. Juni einen weiteren Zinsschritt um einen Viertelpunkt vornehmen wird.
Sticheleien in Hannover
Zum ersten Mal seit vier Jahren trifft sich der deutsche Sparkassensektor in Hannover zur ganz großen Branchenrunde mit Politikbegleitung. Bundeskanzler Olaf Scholz hielt sich gestern brav ans Protokoll und sagte Unterstützung bei wieder mal aufkeimenden Problemen in Brüssel zu. Sein Parteifreund, der niedersächsische Premier und damit auch Gastgeber Stephan Weil, war hingegen ein wenig auf Krawall gebürstet und stellte den Sparkassen im Streit um die gerettete NordLB die Rute ins Fenster — wenn man sich nicht einigen könne, müsse man halt auch über eine Trennung nachdenken, was viele als einen Vorschlag für eine Änderung der Eigentümerstruktur interpretierten. Noch-Sparkassenpräsident Helmut Schleweis erteilte dem heute umgehend eine Absage — und das auch noch mit dem im Social-Media-Zeitalter als “Nonmention” bekannten Untergriff, den anderen nichtmal beim Namen zu nennen. So schnell werden die Retter des Schiffskredite-Wracks wohl keine Freunde mehr.
Bond-Torschlusspanik
Ein Run auf die Bond-Märkte, bevor sich eine Fülle von Risiken materialisieren können, haben in Europa bei der Emission von Anleihen für den geschäftigsten Mai aller Zeiten gesorgt. Die Anleiheverkäufe von Unternehmen und Finanzinstituten, zumeist Emittenten mit Investment-Grade-Rating, überstiegen laut von Bloomberg zusammengestellten Daten 119 Milliarden Euro.
Kein Schweizer Moral Hazard
Sind die Manager der Credit Suisse unnötige Risiken eingegangen, weil sie jederzeit mit einer staatlichen Rettung rechnen konnten? Der Präsident der Schweizerischen Nationalbank verneint das. “Denn die Konsequenzen für sie sind enorm: sie verlieren ihr ganzes Geld, sie werden nie wieder einen Job in der Finanzindustrie bekommen, usw., usw.”, so Thomas Jordan am Mittwoch. Unterdessen haben rund 50 CS-Banker Beschwerde gegen die Schweizer Finanzaufsicht eingelegt, weil bestimmte Anleihe-gebundene Boni im Rahmen der Rettung entwertet wurden. Und der Exodus bei den Zürchern ist nicht gestoppt: SPAC-Chef Niron Stabinsky geht zur Banco Santander. Im Wealth Management hat Iqbal Khan eine große Integrationsaufgabe vor sich — von der abhängen könnte, ob er es bei der UBS ganz nach oben schafft.
Gedämpfter Hauspreisrückgang
Die Hauspreise in Großbritannien sind erneut gefallen, wenn auch weniger stark als von Ökonomen erwartet. Laut Nationwide Building Society dürfte der Gegenwind für Immobilienverkäufer kurzfristig wieder zunehmen. Sollten die Zinsen für längere Zeit höher bleiben, “wird dies wahrscheinlich einen erneuten Aufwärtsdruck auf die Hypothekenzinsen ausüben”, so Nationwide-Chefvolkswirt Robert Gardner. Höhere Zinsen in der Schweiz dürften zu Lasten der dortigen Mieter gehen. Der Anstieg des Referenzzinssatzes für Wohnungsmieten um einen Viertelpunkt gibt Vermietern das Recht, die Mieten um 3% zu erhöhen. Es war der erste Anstieg seit seiner Einführung 2008. In Schweden fordert die Riksbank die Eigentümer von Gewerbeimmobilien auf, ihre Bilanzen zu stärken.
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