Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • DAX

    17.917,28
    -171,42 (-0,95%)
     
  • Euro Stoxx 50

    4.939,01
    -50,87 (-1,02%)
     
  • Dow Jones 30

    37.994,38
    -466,54 (-1,21%)
     
  • Gold

    2.342,50
    +4,10 (+0,18%)
     
  • EUR/USD

    1,0735
    +0,0034 (+0,32%)
     
  • Bitcoin EUR

    60.007,04
    -284,59 (-0,47%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.386,47
    +3,89 (+0,28%)
     
  • Öl (Brent)

    82,57
    -0,24 (-0,29%)
     
  • MDAX

    26.043,18
    -302,89 (-1,15%)
     
  • TecDAX

    3.266,76
    -32,84 (-1,00%)
     
  • SDAX

    13.995,77
    -211,86 (-1,49%)
     
  • Nikkei 225

    37.628,48
    -831,60 (-2,16%)
     
  • FTSE 100

    8.078,86
    +38,48 (+0,48%)
     
  • CAC 40

    8.016,65
    -75,21 (-0,93%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.541,80
    -170,94 (-1,09%)
     

Mittagspause beim Discounter

Fast ein bisschen versteckt hinter ein paar Büschen liegt der Container am Mediapark in Köln: Eine Glasfront, ein bisschen Holz und das dezente Logo – von außen deutet wenig darauf hin, dass hier Aldi Süd neue Wege geht.

Auch innen sind an diesem Nachmittag noch keine Gäste zu sehen, noch läuft der Probebetrieb. Dafür hat Robert Marx aber schon einiges zu tun. Am Herd schwenkt er gerade eine Pfanne mit Gnocchi und Hühnchen. Marx ist TV-Koch und hat sich für Aldi hier in letzter Zeit um das Wichtigste gekümmert: das Essen. Denn ab dieser Woche will der Discounter nun jeden Tag ein Drei-Gänge-Menü auftischen.

Das klingt erst einmal mehr nach Luxus-Angebot als nach Aldi. Doch schon der Name ist wieder typisch Discounter: Bistro. Und natürlich der Preis: 7,99 Euro für die drei Gänge. „Leckeres Essen muss nicht teuer sein. Das steckt zwar in vielen Köpfen, stimmt so aber nicht – und das wollen wir hier zeigen“, sagt Sandra-Sibylle Schoofs, Marketing-Chefin von Aldi Süd.

Mindestens drei Monate wird das Bistro in Köln stehen. 50 Plätze, noch einmal 20 auf dem Dach, das sind insgesamt 90 Quadratmeter direkt am Wasser gelegen. Jeden Tag haben die Gäste drei Gerichte zur Auswahl, die sie nicht nur im Menü, sondern auch einzeln bestellen können. Zum Beispiel die Fischpfanne „Provencale“ mit Paprikagemüse oder Spaghetti mit Rucolacreme.

WERBUNG

120 Gerichte hat Robert Marx eigens für das Bistro entworfen. „Wenn ich etwas auf einer Speisekarte lese, dann will ich auch wissen, was ich da bekomme“, sagt er. Entsprechend schnell und einfach sollen die Gerichte gehen, passend für die Mittagspause. Zum Nachkochen für zu Hause gibt es ein kleines Heftchen mit den Rezepten und Zutaten des jeweiligen Tages – natürlich lassen sich die alle bei Aldi kaufen.

Doch das Bistro ist mehr als bloße Werbung. „Es soll die Loyalität der Kunden zur Marke Aldi stärken“, sagt Sandra-Sibylle Schoofs. Ein wichtiges Ziel – denn um die Loyalität der Deutschen zu ihren Discountern war es zuletzt nicht mehr ganz so gut bestellt.

Zwar lag deren Anteil am Umsatz im Lebensmitteleinzelhandel 2015 immerhin bei 38,1 Prozent, wie Berechnungen von Nielsen Trade Dimensions zeigen. Doch er schrumpft: In den Jahren zuvor waren es noch 38,5 Prozent und 38,7 Prozent gewesen. Zudem stagnierte der Umsatz von Aldi Süd im vergangenen Jahr praktisch bei 15,7 Milliarden Euro.

Wie also lassen sich Kunden halten oder sogar zurückgewinnen? Das Bistro ist nur eine von mehreren neuen Ideen. Erst im März baute Aldi Süd für ein paar Tage einen Weinladen in der Düsseldorfer Innenstadt auf – Verkostung inklusive. Und vergangenes Jahr entwarf die Designerin Jette Joop gleich zwei Modekollektionen exklusiv für den Discounter.


Online-Fitness und Markt-Modernisierung

Nach Joop hat Aldi nun für dieses Jahr Daniel Aminati mit seinem Online-Fitnessprogramm „Mach dich krass“ gewonnen. Anfang Mai können Kunden neben Sportartikeln und -bekleidung auch einen Zugang für das Fitnessportal im Netz kaufen.

Diese Zusatzangebote sind nur ein Teil der Strategie. Der andere: moderne, helle Märkte. Sowohl im Norden als auch im Süden modernisiert Aldi dafür seine Filialen oder hat sie bereits umgebaut. Dort überwiegen nun warme Holztöne und Tageslicht. Statt Paletten stehen Regale in den Gängen, dazu kommen Extras wie Kaffeeautomaten und Kundentoiletten – alles, um aus dem Einkaufen ein Erlebnis zu machen.

Mit einem modernen Design will Aldi auch in seinem Bistro punkten: Parkett, Tische und Stühle in Grau, dazu türkise Kissen und das Metall ehemaliger Schiffscontainer. Die Marketing-Chefin schwärmt von „Vintage“ und einer „Wohlfühlatmosphäre“. Die Einrichtung soll besonders eine jüngere Zielgruppe ansprechen. Dazu passt auch der Standort direkt am Kölner Mediapark, wo viele Unternehmen junge Mitarbeiter beschäftigen und die Hochschule Fresenius ihren Sitz hat.

Wie viel eine moderne Optik ausmachen kann, weiß die Aldi-Schwester im Norden. Dort wachsen die Umsätze in den neu gestalteten Märkten bisher zweistellig. Und auch wenn es beim Aldi-Süd-Bistro nicht primär um den Gewinn geht, ist Sandra-Sibylle Schoofs überzeugt: „Verlust werden wir hier sicher nicht machen.“

Zwei Wochen soll sich das Bistro-Team nun erst einmal einspielen, dann will Aldi ein erstes Fazit ziehen. Läuft alles wie geplant, geht es in drei Monate in die nächste Stadt. Der neue Standort: bisher noch ein Geheimnis.

KONTEXT

Wie Aldi groß wurde

Die Idee

Wer hatte eigentlich die Idee Aldi so zu gründen, wie wir es heute kennen? Es wird wohl nie endgültig zu klären sein. Aber viele Indizien deuten darauf hin, dass es eher Karl Albrecht war als sein Bruder Theo. Das soll aber nicht schmälern, welch wichtigen Beitrag auch Letzterer beitrug.

Wiege im Hinterstübchen

Der Krieg war aus. 1946 im zerbombten Essen-Schonnebeck begann die Erfolgsgeschichte zwischen Lebensmittelkartons und Krämerware. Das Brüderpaar Karl und Theo Albrecht erkannte die Chance, die die Phase der sozialen Umorientierung bot. Sie bauten den Tante-Emma-Laden der Eltern aus.

Es reicht nicht

Karl und Theo Albrecht erkannten rasch, dass der Laden der Eltern ihnen beiden keine Zukunftsaussicht bot. Sie entdeckten die betriebswirtschaftliche Zauberformel der Zeit "Nachfrage versus Bedarfsdeckung" für sich und schafften es, sie im Sinne des Kunden zu lösen.

Das geniale Gespann

Karl und Theo Albrecht lebten die Anforderungen der damaligen Zeit in perfekter Symbiose. Sie hatten weder äußerlich viel gemeinsam noch waren sie ähnlich gepolt. Theo überragte seinen Bruder um Kopfeslänge. Doch der "Kleinere" war Vordenker und Impulsgeber. Ungeduldig, beredt, rastlos, bisweilen explosiv war Karl. Theo wirkte dagegen eher zurückhaltend, sogar zögerlich abwägend.

Die Aufgabenteilung

Die beiden Brüder waren in ihrer uniformen Arbeitsauffassung füreinander ein Glücksfall. Von vornherein waren die Aufgaben geteilt: Karl versah den Innen-, Theo den Außendienst. Sprich: Karl kümmerte sich um die schwierige Einkaufspolitik. Es war nicht einfach, die richtige Ware preiswert und in ausreichende Menge zu erhalten. Theo betreute die Verkaufsstellen sowie die Verwaltung und Buchhaltung.

Der Aufstieg

1946 begann es mit dem kleinen Laden der Eltern. 1950 nannten die beiden Brüder eine Kette von 13 Läden inklusive Bedienungen ihr Eigen. Nun strukturierten sie ihre Läden nach dem Discountprinzip um. 1961 trennten sie ihre Geschäfte in Aldi Nord und Aldi Süd.

Die Lebensweise der Brüder

Zur moralischen Stabilität ihrer Konzerne trug maßgeblich die persönliche Lebensweise der Brüder bei. Beide waren im Auftreten zurückhaltend und lebten bescheiden. Sie waren nach alter Schule nach den Prinzipien Sparsamkeit und Kargheit erzogen.

Der einzige Luxus

Als einzigen "Luxus" erlaubten sie sich ein eigenes Auto. Auf sein Golfschloss in Donaueschingen schickte Karl Albrecht seine Führungskräfte zum Entspannen. Die Brüder kannten keine Scheu vor ihrer kleinbürgerlichen Herkunft. Die Adresse Huestraße 89 in Essen-Schonnebeck wollten sie nie abstreifen. Sie waren stets praktizierende Katholiken und wollten in der Öffentlichkeit so wenig wie möglich wahrgenommen werden.

In dubio pro Theo

Theo Albrecht hatte eine Marotte: Er wollte jede Filiale sehen, bevor die zentrale Schreinerei an die Fertigung der Regale und Einrichtungsteile ging. Dabei kümmerte den Hobbyarchitekten die Delegation von Aufgaben zur eigenverantwortlichen Erledigung nur bedingt. Es galt: In dubio pro Theo.

Strategische Grundsatzentscheidung

Es gab durchaus Spannungen zwischen Theo und Karl Albrecht. Besonders deutlich wurde das beim ersten Schritt über die Grenzen Deutschlands. 1971 expandierte Aldi nach Österreich. Karl war es, der die Familie als erster international aufstellte. Heute firmiert Aldi Süd in Österreich übrigens unter dem Namen "Hofer".

Die Aldi-Burka

Verschwiegenheit war stets Trumpf im Hause Albrecht. Aldi lässt sich partout nicht in die Karten schauen. Die totale Verschleierung aller Kulissen ist institutionalisiert. So wenig undichte Stellen wie möglich, lautet die Devise.

Selbstverordnete Kasteiung

Die Brüder gaben sich Maßregeln, die zu unverrückbaren internen Prinzipien wurden: Keine Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Keine Firmensprecher. Keine Interviews im Radio oder Fernsehen. Keinerlei mondäner Lifestyle. Keine Lobbyarbeit. Keine Firmenjubiläen. Lückenlose Rückgabe von Werbegeschenken.

Zurückhaltung aus gutem Grund

Die Zurückhaltung hatte einen guten Grund: Abgucker und Schmarotzer sollte keine Gelegenheit zur Einsicht in Interna haben. Die innovative Discount-Struktur war eine zarte Pflanze und schutzbedürftig. Das neue Konzept musste sich in Ruhe verfestigen. Erfahrungen waren Gold wert.

Der Verwaltungsrat

Aldis Verwaltungsrat ist ein frei schwebendes Organ. Gesellschaftsrechtlich ist es nirgendwo in den Statuten eingebunden. Seine Mitglieder haben freiberuflichen Status, sind aber dennoch die "Macher": Der Verwaltungsrat ist das zentrale Machtorgan des Konzerns. Aldi steht seit jeher zu seinem Führungssystem, dass sich mit dem Wort Durchgriffs-Management am besten umschreiben lässt. Der Verwaltungsrat hat den Alleinführungsanspruch.

Der Mustermitarbeiter

Aldi stellte stets besondere Anforderungen an seine Mitarbeiter und richtet seine Personalsuche darauf ab. Vorstellungsgespräche sind exzessiv angelegt, manchmal über mehrere Sitzungen. Man lotet die charakterlichen und sozialen Hintergründe des Bewerbers genau aus. Personalvermittlungen kommen nicht zum Zug.

Das Aldianer Stellenprofil

Natürlich variiert das Anforderungsprofil je nach Stelle, aber es gibt gewisse Grundvorstellungen: Der Bewerber sollte unauffällig und zurückhaltend im Auftreten sein, seine Bekleidung schlich und gediegen, seine Herkunft möglichst bodenständig, die Familienverhältnisse geordnet, Sparsamkeit wird sehr geschätzt wie auch Pflichtbewusstsein und Normalität hinsichtlich des Lebensprinzips.

Hauseigene Führungskräfte

Das Warenumschlagssystem von Aldi mit seinen schematisierten Abläufen erfordert erfahrene Praktiker. Es wird nicht vorrangig Kopfarbeit am Schreibtisch verlangt. Wer richtig aufsteigen wollte, hatte bei den Albrechts eine Ochsentour vor sich. Ein Akademikerstatus ist entbehrlich.

Zeitmanagement und Prämien

Für Aldi liegt das Geheimnis des langfristigen Erfolges im Zeitmanagement der Führungskräfte. Es gibt eine detaillierte Planungsphilosophie und strenge Normen nach dem Motto: Plan dich oder friss dich! Zudem hat Aldi ein umfangreiches Prämiengerüst. Bezirksleiter bekommen solche und vergeben wiederum welche an ihre Filialleiter. Einzig der Geschäftsführer bekommt keine Prämie.

Die Handbücher

Wer den Ansprüchen Aldis gerecht werden will, muss sie beherrschen: die Handbücher. Das gilt aber vor allem für die regionalen Geschäftsführer. Aldi Nord hat im Laufe der Jahre alles, was Firmeninterna angeht, in solchen Handbüchern fortgeschrieben. Da ist einiges Zusammengekommen - viel Lesestoff.

Wenig zu lachen

Aldi-Mitarbeiter lachen wenig. Zu stark lastet der Druck auf allen. Er wird von der Spitze her aufgebaut und durchgereicht. Das einzige, was lacht, ist die Liquidität.

Der Autor

Es ist auch für Journalisten vom Fach sehr schwierig, Details über die beiden Aldi-Konzerne herauszubekommen. Das Unternehmen ist nicht börsennotiert und somit nur zu bestimmten Veröffentlichungen verpflichtet. Umso wertvoller sind glaubwürdige und detaillierte Berichte, wie sie Eberhard Fedtke in seinem Buch geliefert hat. Er war viele Jahre lang Gesellschafter bei dem Konzern.

Bibliografie:

Eberhard Fedtke

Aldi Geschichten. Ein Gesellschaftler erinnert sich

NWB Verlag, Herne 2011

296 Seiten