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Mission „Hoffnung“: Die Emirate wollen den Mars erobern

Die Marsmission der Vereinigten Arabischen Emirate tritt am Dienstag in die entscheidende Phase ein. Frauen spielen dabei eine besondere Rolle.

Für Sahra bint Yousif Al-Amiri schlägt am Dienstag um 16.42 Uhr MEZ die Stunde der Wahrheit. Dann heißt es fast 40 Minuten Zittern, ob 200 Millionen Dollar in den Wüstensand gesetzt sind. In dieser Zeit soll die Marssonde „Al Amal“ (arabisch für Hoffnung) in den Orbit des Mars eintreten, der an seiner am nächsten gelegenen Stelle 1000 Kilometer vom Roten Planeten entfernt ist. Gelingt die Mission, wären die Vereinigten Arabischen Emirate die sechste Nation, die am Mars forscht.

Die 34-jährige Al-Amiri ist wissenschaftliche Leiterin der Emirates Mars Mission, Chefin der Raumfahrtagentur ihres Landes – und Staatsministerin für fortschrittliche Technologien. Und das 40-minütige Bangen hat damit zu tun, dass die Sonde „Hoffnung“ beim Eintritt in die Umlaufbahn völlig auf sich allein gestellt ist und kein menschliches Eingreifen mehr möglich sein wird: „Wir haben dann keine Real-Time-Kommunikation, elf Minuten braucht ein Signal von der Sonde auf die Erde und die gleiche Zeit zurück“, berichtet die ganz in Schwarz gekleidete Forscherin via Microsoft Teams aus dem nach Dubais Emir benannten Mohamed bin Rashid Space Center.

Selbst über die Videoleitung nach Dubai ist Al-Amiris Anspannung zu spüren. Die Worte sprudeln aus ihr heraus wie ein Wasserfall. Denn „Hoffnung“ heißt die Sonde aus gutem Grund: Es geht um viel mehr, wenn sie pünktlich zum 50. Jahrestag der Vereinigten Arabischen Emirate in den Mars-Orbit eintaucht. Die VAE wollen sich zu einem führenden Industriestaat katapultieren, neue Produktionsverfahren und Branchen etablieren.

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Doch dazu muss der SUV-große und 1,3 Tonnen schwere, kastenförmige Satellitenmeteorologieroboter im entscheidenden Augenblick alles richtig machen – Fernsteuerung unmöglich. Das Raumfahrzeug müsse in den entscheidenden Minuten „allein entscheiden auf Basis der von uns aus der Ferne programmierten Szenarien“, sagt Al-Amiri.

Die Antriebdüsen drehen sich dann, um 27 Minuten lang die Hälfte des geladenen Kraftstoffs dafür zu verbrennen, die Sonde von 121.000 auf 18.000 km/h abzubremsen. Und „erst 35, 40 Minuten später wissen wir, ob wir es geschafft haben und im Orbit um den Mars sind. Denn nach den 27 Minuten taucht die Sonde erst einmal in den Schatten des Mars ein.“

Hier entscheidet sich das Schicksal einer Marsmission, die im Erfolgsfall – etwa die Hälfte der Marsmissionen schlägt fehl – die kleinen Emirate in die Sphären der USA, der Sowjetunion, Europas, Chinas und Indiens bringen würde. Und das durchaus mit einem großen Knall statt einem einfachen „Wir auch“: Mit 200 Millionen Dollar kostet das Marsprogramm der VAE etwa die Hälfte anderer Erkundungsreisen dorthin, und sechs Jahre Entwicklungs- und Vorbereitungszeit sind vier weniger als üblich.

Wissenschaftliche Erkenntnisse erwartet Al-Amiri auf einem „Nobelpreis-Niveau“: Es soll das erste vollständige Bild des Marsklimas über ein komplettes Marsjahr (rund 687 Erdentage) in elliptischen Umlaufbahnen 20.000 bis 43.000 Kilometer von der Oberfläche entfernt erkundet werden, mit allen Wetterdaten und Folgen von Unwettern.

Vollständig entwickelt und designt wurde die Sonde auch von emiratischen Forscherinnen und Technikern. Gebaut und getestet wurde sie im US-Bundesstaat Colorado, da es in den Emiraten noch zu wenige Reinraumanlagen sowie ein noch zu kleines Weltraum-Cluster gebe, erklärt die Forscherin, die 2013/14 bei Airbus in München einen Satelliten für ihre Heimat mitentwickelte.

Chance für Frauen

Frauen stellen 34 Prozent des 200-köpfigen emiratischen Teams in der insgesamt 450 Personen umfassenden Entwicklungsgruppe für „Hoffnung“. Im wissenschaftlichen Teil arbeiten 80 Prozent Forscherinnen. Die Marsmission habe auf ihr Land inzwischen eine so große Ausstrahlung, dass mehr als die Hälfte der Studierenden naturwissenschaftlich-mathematischer Fächer Frauen sind, an Colleges sind es sogar 70 Prozent.

„Wir müssen jetzt sogar dafür sorgen, dass die Balance zwischen Jungen und Mädchen in den innovativsten Fächern gewahrt bleibt, das ist gerade als Politikerin eine Herausforderung“, beschreibt die Staatsministerin eine ihrer Aufgaben.

Das Interesse an Naturwissenschaften sei unter jungen Menschen in den Emiraten „riesengroß wegen unseres Raumfahrt-, Atom- und Produktionsprogramms für Flugzeug- und Raumfahrtteile“, berichtet Al-Amiri. Innovative Wissenschaften und Technologien seien die Zukunft des Landes. „Das ist nicht mehr schick, es zu haben, sondern eine absolute Notwendigkeit“, berichtet die Software-Ingenieurin aus einem Land, in dem bis zum Ölboom in den 1930er-Jahren noch Perlenfischerei der wichtigste Wirtschaftszweig war.

„Wir zeigen mit dieser Mission, dass wir ganze Zweige entwickeln können, die wir vorher nicht hatten, und wie Staat und Privatwirtschaft Hand in Hand arbeiten.“ 66 Komponenten für die Sonde wurden von emiratischen Firmen entwickelt oder produziert.

Raumfahrt in Corona-Zeiten

Doch vor dem Durchbruch im All stehen die Mühen auf Erden: „Es war ein Albtraum, die Zeitpläne der Menschen aufeinander abzustimmen und alle sicher hierherzubringen“, sagt Al-Amiri über die gigantische logistische Aufgabe in Lockdown-Zeiten. Es hätten Ersatz-Teams gebildet werden müssen, falls sich ein Mitarbeiter infiziert hätte. Und wegen des bevorstehenden Lockdowns hätte „Hoffnung“ viel früher als geplant zum Start am 19. Juli 2020 ins japanische Tanegashima gebracht werden müssen.

Inzwischen seien alle Teammitglieder gegen Corona geimpft und würden wöchentlich getestet – damit auf den letzten Zehntausenden Kilometern nicht noch etwas schiefgeht. Ihre Familie, berichtet die Mutter eines elfjährigen Sohns und einer vierjährigen Tochter, müsse nun schon seit 2013, als ihr die Regierung die wissenschaftliche Leitung der Marsmission antrug, immer mal wieder und teils wochenlang ohne sie auskommen. Aber Raumfahrt ist ihr großer Traum: „Dass wir jemals zum Mars fliegen, ist für mich bis heute wie ein Wunder.“ Aber das Wichtigste sei, dass dieses Projekt „unser ganzes Land verändert, denn es zeigt, was wir schaffen können“.

Und während die Sonde im Mars-Orbit forscht, schmieden die Wissenschaftler in Dubais Mohammed bin Rashid Space Center bereits Pläne, eines Tages Stiefelabdrücke auf der Planetenoberfläche zu hinterlassen, und simulieren in der Wüste eine bewohnte Marskolonie der Zukunft.