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Warum Millionen Inder nicht mehr ins Internet dürfen

Proteste gegen Narendra Modi, Kalkutta, 11. Januar: Die Proteste gegen das neue Einwanderungsgesetz des Premierministers ebben nicht ab.(Bild: REUTERS/Rupak De Chowdhuri)
Proteste gegen Narendra Modi, Kalkutta, 11. Januar: Die Proteste gegen das neue Einwanderungsgesetz des Premierministers ebben nicht ab.(Bild: REUTERS/Rupak De Chowdhuri)

Die Regierung von Indiens Premier Narendra Modi hat Teilen des Landes eine Internet-Zwangspause verordnet. Der wirtschaftliche Schaden der monatelangen Sperre ist enorm.

Acht Millionen Menschen führen im Norden Indiens ein Leben wie aus einer anderen Zeit. Sie können keine Nachrichten mit WhatsApp verschicken, keine Fotos auf Instagram posten und auch nicht bei Google nach Informationen suchen. Statt online einzukaufen, müssen sie sich mit dem Sortiment der lokalen Geschäfte zufriedengeben. Wer eine Telefonrechnung bezahlen will, steht an den Schaltern des staatlichen Telekomunternehmens Schlange, anstatt das Geld online überweisen zu können.

Seit fast einem halben Jahr gilt die erzwungene Internetpause für die Bewohner der Region Kaschmir. Die Regierung von Indiens Premierminister Narendra Modi schnitt die Gegend Anfang August von der digitalen Außenwelt ab. Sie begründete den Schritt mit Sicherheitsbedenken: Zuvor hatte sie der muslimisch geprägten Region ihre Teilautonomie entzogen. Ohne Internet ist es den Gegnern der umstrittenen Entscheidung kaum möglich, ihren Protest zu organisieren, lautet offenbar das Kalkül der Zentralregierung.

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Die Internetsperre gilt nun als die längste, die es in einem demokratischen Land jemals gegeben hat. Sie hat massive Auswirkungen auf die Wirtschaft der von Indien kontrollierten Region, die auch Pakistan für sich beansprucht.

Die lokale Handelskammer KCCI beklagt massive Einbußen für die Himalayaregion: „Der ganze Tourismus hier hängt am Internet“, sagte Kammerpräsident Sheikh Ashiq. „Wer will schon in eine Gegend kommen, in der es kein Internet gibt?“ Auch Online-Unternehmer stünden vor einer desaströsen Situation: Tausende Kunsthandwerker nutzten bisher das Internet als landesweiten Vertriebskanal. „Jetzt sind 50.000 von ihnen arbeitslos geworden“, so Ashiq.

Zu den Betroffenen gehören die Unternehmerinnen Omaira Qayoom und Binish Bashir. Sie haben 2015 den Online-Schmuckladen Craft World Kashmir gegründet. Ihre Produkte vertreiben sie über Instagram und Facebook, wo sie insgesamt mehr als 50.000 Follower angesammelt haben. Im Durchschnitt bekamen sie täglich 15 Bestellungen.

Doch ihre wichtigsten Verkaufs- und Marketingplattformen können sie seit Monaten nicht mehr nutzen. Die letzten Posts setzten sie am 4. August ab – wenige Stunden bevor Modi das Internet sperren ließ. „Wir haben jetzt keine Möglichkeit mehr, mit unseren Kunden in Kontakt zu treten“, sagte Qayoom.

Kaschmir ist nicht die einzige Gegend in Indien, die die Regierung vom Internet ausschließt. 2019 ordneten die Behörden laut der indischen Website internetshutdowns.in mehr als 100 Mal an, Internetzugänge zumindest temporär zu blockieren. Das geschah zuletzt vor allem während der landesweiten Proteste gegen ein neues Staatsbürgerschaftsrecht, das von Regierungsgegnern als diskriminierend gegenüber Muslimen verurteilt wird.

Sogar in der Hauptstadt Neu-Delhi mussten Mobilfunkanbieter wie Vodafone und Airtel zeitweise das mobile Internet auf Anweisung der Behörden abschalten. Aktivisten sahen dies als Verstoß gegen die Meinungsfreiheit.

Schaden geht in die Milliarden

Das Portal „Top10VPN“, eine Fachpublikation für Internetnetzwerke, schätzt den volkswirtschaftlichen Schaden der Internetsperren in Indien auf 1,3 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr. In Kaschmir geht die Handelskammer KCCI sogar von noch größeren Verlusten aus. Sie beziffert den ökonomischen Einbruch als Folge der Internetblockade und anderer Maßnahmen der Regierung – wie zeitweise Straßen- und Ausgangssperren – auf umgerechnet 2,4 Milliarden Dollar.

Kritik an der Netzblockade kommt nicht nur von Wirtschaftsvertretern und Aktivisten, sondern auch von Indiens Oberstem Gericht. Es urteilte am vergangenen Freitag, dass das breitflächige Abschalten des Internets nur in Ausnahmesituationen erlaubt sei und wenn es keine Alternative gebe. Unbegrenzte Internetsperren seien nicht zulässig.

Die Möglichkeit, Internetzugänge zu blockieren, dürfe nicht zu einem Werkzeug werden, legitime Meinungsäußerungen zu unterdrücken, hieß es. Das Gericht gab der Regierung sieben Tage Zeit, um die Situation in Kaschmir zu berichtigen.

Es könnte also sein, dass die Menschen in Kaschmir bald wieder online gehen können. Das Internet wird für sie nach langer Abwesenheit aber nicht mehr so sein, wie sie es verlassen haben. Die zu Facebook gehörende Chat-App WhatsApp hat bereits Anfang Dezember damit begonnen, die Nutzerkonten von Menschen aus Kaschmir zu löschen und sie aus Gruppenchats zu entfernen.

Das hatte keinen politischen Hintergrund, sondern folgte einfach den Nutzungsregeln der App: Nach 120 Tagen Inaktivität werden Accounts deaktiviert – unabhängig von den Gründen, weshalb die Nutzer der App ferngeblieben sind.