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Nach einem Milliardenverlust versucht der israelische Pharmariese Teva den Neuanfang

Drei Faktoren entpuppten sich in den letzten Jahren als größte kommerzielle Herausforderungen im Pharmageschäft: Patentabläufe bei Blockbustern, wachsender Preisdruck auf dem bisher noch lukrativen US-Markt sowie überteuerte Akquisitionen.

Beim israelischen Pharmakonzern Teva hatten sich diese drei Negativfaktoren ab Mitte 2016 auf drastische Weise akkumuliert. Das Resultat war ein Gewinneinbruch, wie er in der von zweistelligen Renditen verwöhnten Branche bisher beispiellos ist.

Vor allem der Abschluss 2017 spiegelt das Debakel beim bislang zehntgrößten Arzneimittelhersteller der Welt wider: Während der Umsatz akquisitionsbedingt noch leicht auf 22,4 Milliarden Dollar zulegte, verblieb als Folge riesiger Wertberichtigungen unterm Strich ein Netto-Fehlbetrag von 16,4 Milliarden Dollar.

Teva verbuchte damit den mit Abstand höchsten Verlust, der jemals in der Pharmaindustrie ausgewiesen wurde. Der Fehlbetrag zehrte im Prinzip die Nettogewinne der vorangegangenen zehn Jahre auf.

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Und das, obwohl der israelische Konzern mehr als zwei Jahrzehnte lang eine relativ erfolgreiche Expansionsstrategie betrieben hatte. Er organisierte zahlreiche Übernahmen, darunter auch den Kauf des deutschen Generikaherstellers Ratiopharm im Jahr 2010. Letztlich endete diese Strategie aber im Desaster. An der Börse hatte Teva ab 2015 zeitweise 80 Prozent – mehr als 40 Milliarden Dollar – an Wert verloren, bevor sich der Kurs seit Jahresbeginn wieder etwas erholte.

Der dänische Pharmamanager Kåre Schultz, der seit September 2017 an der Spitze von Teva steht, musste damit den wohl härtesten Sanierungsfall der Branche übernehmen. Mittlerweile zeigen sich erste Erfolge: Offenbar ist es ihm gelungen, wie die jüngsten Zahlen zeigen, Teva auf niedrigem Niveau zu stabilisieren.

Hauptursache für den Einbruch bei Teva war die Übernahme des früheren Generikageschäfts von Actavis. Für diese Aktivitäten mit etwa acht Milliarden Dollar Umsatz überwies der Konzern insgesamt 33 Milliarden Dollar an den US-Konzern Allergan, der zuvor mit Actavis fusioniert worden war. Dazu kamen noch eigene Aktien im Wert von sechs Milliarden Dollar.

Die Israelis stiegen mit diesem größten Zukauf in der Firmengeschichte zu dem mit Abstand führenden Anbieter von patentfreien Nachahmer-Medikamenten (Generika) auf. Vom Gesamtumsatz entfielen 2017 rund zwölf Milliarden Dollar auf dieses Segment.

Allerdings mussten sie sich dafür mit mehr als 30 Milliarden Dollar verschulden und expandierten ausgerechnet in einem Geschäftsfeld, das sich seit Mitte 2016 besonders ungünstig entwickelte. Denn auf dem bislang noch relativ ertragsstarken US-Generikamarkt hat sich seither der Preiswettbewerb massiv verschärft, was bei fast allen namhaften Anbietern zu deutlichen Umsatzeinbußen führte.

Teva war in diesem Umfeld am stärksten betroffen und musste darauf mit massiven Wertberichtigungen und Goodwill-Abschreibungen von zusammen rund 21 Milliarden Dollar reagieren. Ein ganz erheblicher Teil davon entfiel auf die Actavis-Akquisition, die sich damit als einer der größten Fehleinkäufe in der Pharmabranche erweist.

Actavis und das US-Generikageschäft sind nicht das einzige Problem: Eine weitere Herausforderung erwächst für den israelischen Konzern aus dem Patentablauf bei seinem bisherigen Bestseller Copaxone, einem Mittel gegen Multiple Sklerose (MS), das 2017 noch 3,8 Milliarden Dollar Umsatz einspielte.

Copaxone ist damit wichtigster Umsatzträger im knapp acht Milliarden Dollar schweren Spezialitätengeschäft von Teva. Der Umsatz ist indessen seit 2017 bereits deutlich rückläufig und im ersten Halbjahr 2018 um rund ein Drittel auf 1,3 Milliarden Dollar gesunken.

Drastischer Margenverfall

Das alles hat sich in einem drastischen Margenverfall niedergeschlagen. Die Bruttomarge sank von 58 Prozent im Jahr 2015 auf 45 Prozent im ersten Halbjahr 2018, die bereinigte Ebitda-Marge von 32 auf 25 Prozent.

Trotz dieser massiven Probleme ist es Schultz gelungen, den Konzern durch ein hartes Sparprogramm und einige kleinere Desinvestitionen einigermaßen zu stabilisieren. Sein Plan sieht den Abbau von rund 14.000 Arbeitsplätzen – 25 Prozent aller Stellen – bis Ende 2019 vor und soll etwa drei Milliarden Dollar an Kostenentlastung bringen.

Diese radikale Restrukturierung hat auch die Zuversicht auf Investorenseite gestärkt. So wird erwartet, dass der Turnaround gelingt. Unter anderem ist der US-Investor Warren Buffett mit seiner Holding Berkshire Hathaway bei Teva eingestiegen.

Der Umsatz des Pharmakonzerns sank im ersten Halbjahr 2018 zwar um 13 Prozent, unterm Strich verblieb nach den hohen Verlusten im Vorjahr aber immerhin ein Nettogewinn von rund 800 Millionen Dollar und ein Free Cashflow von 1,3 Milliarden Dollar. Für das Gesamtjahr stellt Teva-Chef Schultz einen Umsatz von 18,5 bis 19 Milliarden Dollar in Aussicht; außerdem rechnet er mit einem Ebitda von gut fünf Milliarden Dollar sowie mit einem freien Cashflow von 3,2 bis 3,4 Milliarden Dollar.

Diese Zahlen wirken auf den ersten Blick zwar solide. Wie schwach die Performance von Teva aber ist, zeigt indessen ein Blick auf die längerfristige Entwicklung: Mit den für 2018 erwarteten Zahlen wird der Konzern nahezu auf das Niveau von 2011 zurückfallen – und dies, obwohl er in der Zwischenzeit alles in allem rund 40 Milliarden Dollar für Akquisitionen (darunter insbesondere die Firmen Cephalon, Auspex und Actavis) ausgegeben hat und in diesem Zuge mehr als elf Milliarden Dollar Umsatz zukaufte. Allein knapp acht Milliarden Dollar Umsatz brachte die Actavis-Generikasparte mit, drei Milliarden die US-Firma Cephalon.

Die Netto-Finanzverschuldung stieg in dieser Phase von weniger als sechs auf zwischenzeitlich fast 35 Milliarden Dollar und lag zur Jahresmitte 2018 noch bei 28,4 Milliarden Dollar. Das entspricht dem 5,5-Fachen des erwarteten Ebitda. Teva weist damit den mit Abstand höchsten Verschuldungsgrad unter den großen Pharmafirmen auf.

Immerhin deutet sich inzwischen eine zaghafte Trendwende an. Schultz geht davon aus, dass 2019 mit rund 18 Milliarden Dollar die Talsohle in der Umsatzentwicklung erreicht sein könnte und außerdem der Löwenanteil der Restrukturierungen verkraftet sein wird. 2020, so der Plan, sollen die Erlöse erstmals wieder operativ wachsen.

Mittel gegen Migräne als neue Hoffnung

Die patentbedingten Einbußen bei Copaxone dürften dann weitgehend abgehakt sein. Die Neuentwicklung Ajovy, ein Mittel gegen Migräne, soll 2020 erstmals nennenswerte Umsätze liefern. Eine Zulassung für das Mittel erwartet Teva im Laufe der nächsten Wochen. Etliche Analysten trauen diesem Wirkstoff Spitzenumsätze von mehr als einer Milliarde Dollar zu.

Die Verschuldung will der Teva-CEO weiter reduzieren und den Verschuldungsgrad bis 2020 auf das Vierfache des Ebitdas reduzieren. Angesichts eines freien Cashflows von etwa drei Milliarden Dollar erscheint dies erreichbar. Aber auch auf einem solchen reduzierten Schuldenniveau verfügt der Konzern noch nicht wieder über nennenswerten strategischen Spielraum.

Eine Rückkehr zur alten, akquisitionsgetriebenen Strategie ist daher nicht in Sicht. Um den israelischen Pharmariesen wieder auf Kurs zu bringen, braucht Schultz in den nächsten Jahren erfolgreiche neue Produkte sowohl im Spezialitätenbereich als auch bei Generika. Angesichts seines radikalen Sparprogramms, das auch Forschung und Produktentwicklung umfasst, ist das eine komplexe Aufgabe.

Der weltweite Kampf der Konzerne um Marktanteile war noch nie so hart wie heute. Das Handelsblatt stellt in loser Folge wichtige internationale Akteure vor und analysiert ihre Stärken und Schwächen.