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20 Milliarden bis 2020 – Das ist die KI-Strategie der EU

Künstliche Intelligenz, so sagen es viele Experten voraus, dürfte die Wirtschaft revolutionieren wie zuvor die Dampfmaschine oder die Elektrizität. Die USA und China investieren bereits massiv in selbstlernende Algorithmen, nun will auch Europa in das Rennen einsteigen.

Die EU-Kommission und die nationalen Regierungen haben einen abgestimmten Aktionsplan erarbeitet, um Europa zur „weltweit führenden Region“ von KI aufsteigen zu lassen – er soll kommende Woche vorgestellt werden und liegt dem Handelsblatt bereits vor.

Dafür wollen sie zusammen mit der Wirtschaft bis 2020 rund 20 Milliarden Euro investieren. Anschließend soll die gleiche Summe jährlich in die Entwicklung und den Einsatz fließen, sieben Milliarden davon aus den öffentlichen Haushalten. „Das bringt uns auf Augenhöhe mit den anderen Kontinenten“, heißt es in dem Papier.

Staat, Wirtschaft und Forscher sollen eng zusammenarbeiten, etwa über eine neue KI-Partnerschaft, an der sich mit SAP und Kuka auch prominente deutsche Unternehmen beteiligen dürften. Ein zunächst rund 100 Millionen Euro schwerer Fonds aus EU-Mitteln soll ab 2020 Start-ups die Finanzierung erleichtern. Da selbstlernende Maschinen auf enorme Datenmengen angewiesen sind, soll der Zugang zu Daten erleichtert werden.

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Über sogenannte Innovationshubs sollen auch Mittelständler profitieren. Der Nachholbedarf ist groß: Nach einer Umfrage der Boston Consulting Group wenden nur 20 Prozent der deutschen Unternehmen KI-Lösungen an.

Wirtschaft und Regierungen in Europa müssen nun nachweisen, dass sie schnell genug handeln können. Der chinesische Investor Kai-Fu Lee bezweifelt das: Im KI-Wettkampf werde es nur zwei Medaillen geben, sagt der ehemalige Präsident von Google China. „Europa könnte leer ausgehen.“

Die Firmen in der EU halten dagegen: Aus wenig viel machen, das können sie schon recht gut in Europa. Algorithmen, die begrenzte Datenmengen analysieren, Muster erkennen und selbstständig Schlüsse daraus ziehen: Mit solchen Angeboten sind hiesige Unternehmen bereits international erfolgreich, so wie Arago aus Frankfurt, dessen Plattform autonom die IT-Prozesse seiner Kunden steuert.

Künstliche Intelligenz (KI), die sich mit Small Data zufriedengibt, das ist eine der Stärken Europas. Auch bei der Robotik oder dem autonomen Fahren steht der alte Kontinent nicht schlecht da. Auf vielen anderen Anwendungsgebieten aber sind die USA oder China dabei, den Europäern zu enteilen.

Es mangelt an Geld, Daten und Vertrauen

Es mangelt vor allem an drei Dingen: Geld, Daten und dem Vertrauen in den Segen des technischen Fortschritts. Auf allen drei Gebieten wollen EU-Kommission und Mitgliedstaaten nun mit vereinten Kräften gegensteuern.

Die Blaupause dafür liefert ein 26-seitiger Aktionsplan, den die EU-Kommission in Abstimmung mit den Regierungen erarbeitet hat. Er setzt auf der im April vorgestellten KI-Strategie der Kommission auf und soll die nationalen Pläne zusammenführen, wie sie die Bundesregierung und vier andere EU-Länder bereits vorgelegt haben.

So will die Bundesregierung bis 2025 rund drei Milliarden Euro für die KI-Forschung bereitstellen, Frankreich bis 2023 etwa 1,5 Milliarden Euro und die Kommission ab 2020 jährlich eine Milliarde aus dem EU-Budget. Die übrigen Staaten sollen bis Mitte 2019 nachziehen und Pläne mit konkreten Finanzierungszielen aufstellen.

In Summe sollen so künftig sieben Milliarden Euro pro Jahr an Steuergeldern mobilisiert werden, die als Hebel für umfangreichere private Investitionen dienen sollen. Der Zugang zu Wagniskapital zählt zu den größten Standortnachteilen im Vergleich zum Silicon Valley.

Laut einer McKinsey-Studie investierte Asien zuletzt zwei- bis dreimal so viel in KI wie die Europäer und Nordamerika wiederum weit mehr als China, Japan und Co. Peking hat sich vorgenommen, die USA bis 2030 als globale Nummer eins zu überrunden, und nimmt dafür enorme Summen in die Hand.

An personenbezogenen Informationen herrscht in dem autoritär regierten Land mit seinen mehr als 1,3 Milliarden Einwohnern ohnehin kein Mangel. So konnten chinesische Anbieter wie Yitu bereits Systeme zur Gesichtserkennung entwickeln, die von den Sicherheitsbehörden zur Überwachung der Bürger ebenso eingesetzt werden wie von Banken zur Identifizierung ihrer Kunden.

Auf diesem Gebiet können Firmen in Europa nur schwerlich konkurrieren – die strengen EU-Datenschutzgesetze geben einen engen Rahmen vor für die Nutzung persönlicher Informationen. Die Europäer müssen also versuchen, eigene Stärken zu entwickeln. Eines der Schlüsselwörter dabei: Vertrauen.

„Wenn die Menschen den KI-Anwendungen nicht trauen, werden sie diese auch nicht nutzen“, sagt der Vize-Präsident der EU-Kommission, Andrus Ansip. Hier könnten europäische Anbieter besonders punkten. Mit der seit Mai geltenden Datenschutzgrundverordnung sei ein wichtiger Schritt bereits getan worden. Der zweite Schritt müssten möglichst global geltende ethische Grundsätze für die Nutzung der Algorithmen sein.

Die EU will hier Vorreiter werden, eine Expertengruppe soll vor Ende des Jahres erste Vorschläge vorlegen, die anschließend öffentlich diskutiert werden. Es gilt etwa zu vermeiden, dass digitale Assistenten bei der Vorauswahl von Bewerbern für einen Job nach Hautfarbe oder Geschlecht diskriminieren. Die Entwickler müssten zumindest die Funktionsweise ihrer Algorithmen erklären können, fordert Ansip, ohne diese gleich offenlegen zu müssen.

Akzeptanz in der Bevölkerung setzt aber auch voraus, dass smarte Maschinen nicht massenhaft Menschen die Arbeit wegnehmen. „Die Geschwindigkeit, mit der manche Jobs verschwinden und andere entstehen, wird zunehmen“, heißt es in dem Papier. Darauf müssten die Arbeitnehmer durch lebenslanges Lernen vorbereitet werden.

Ziel: Schaffung eines digitalen Binnenmarkes

Vom Vertrauen allein können europäische Unternehmen aber nicht leben. Sie brauchen Daten, ohne die maschinelles Lernen nicht funktioniert. Bislang leiden europäische Unternehmen unter der Zersplitterung in 28 Einzelmärkte mit jeweils abweichenden Regeln. Die Schaffung eines digitalen Binnenmarktes kam bislang aber nur schleppend voran.

Die Europäer wollen einerseits die Stärke der heimischen Industrie nutzen, die enorme Datenmengen produzieren kann. Diese Informationen sollen in „europäischen Datenräumen zusammengefasst und für das Training von KI zur Verfügung gestellt werden“, heißt es im Aktionsplan.

Auch bei personenbezogenen Informationen wollen Regierungen und Kommission den heimischen Forschern die Arbeit erleichtern. Anfangen wollen sie bei der Gesundheitsvorsorge, wo Künstliche Intelligenz bereits erstaunliche Leistungen erbracht hat. So soll 2020 eine gemeinsame Datenbank für CT- oder MRT-Aufnahmen aufgebaut werden, der Fokus liegt zunächst auf den häufigsten Krebsformen. Die Bilder sollen von den Krankenhäusern anonymisiert und nur mit Zustimmung der Patienten zur Verfügung gestellt werden.

Auch führende Institute wie das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Karlsruhe sollen noch enger mit den Kollegen etwa in Toulouse oder Grenoble zusammenarbeiten. Talentierte Nachwuchsforscher sollen über ein ‧Doktoranden- und Postdoc-Programm der Kommission in Europa gehalten werden. Damit auch kleinere Unternehmen Zugang zu KI-Technologien bekommen, sollen diese über Digital Innovation Hubs in den EU-Staaten zugänglich gemacht werden.

Smarte Algorithmen sind bei vielen Firmen noch nicht angekommen

In großen Teilen der Wirtschaft sind die smarten Algorithmen noch nicht angekommen. Nach einer neuen Umfrage der Boston Consulting Group (BCG) wenden nur 20 Prozent der deutschen Firmen KI an, 30 Prozent sind noch in der Entwicklungsphase, und gut die Hälfte schaut nur zu.

Das ist zwar ähnlich mäßig wie im Nachbarland Frankreich, aber deutlich schlechter als in China. „China profitiert davon, dass die Unternehmen dort über alle Branchen hinweg vergleichsweise jung, agil und innovationsfreudig sind“, sagt Jörg Erlebach, Chef der BCG-Tochter Gamma. Die deutschen Firmen zeigten hingegen eine gewisse Trägheit, die auch damit zu tun habe, dass sie schon seit Jahren durch ihren Erfolg verwöhnt seien.

Ähnliches ließe sich über die Politik in Europa sagen. Auch jetzt teilen nicht alle Mitgliedstaaten den neuen Enthusiasmus von Kanzlerin Angela Merkel oder Präsident Emmanuel Macron. Einige dächten offenbar, sie müssten nur einen Plan vorlegen und dann gehe das Leben weiter wie bisher, sagt Ansip. Dieses Denken aber sei gefährlich, denn KI sei eine „revolutionäre Technologie“.

Das zu erwartende Tempo der technischen Entwicklung erfordert zudem eine enge Zusammenarbeit der EU-Staaten – was zuletzt nicht immer der Fall war. So konnten sich Berlin und Paris nicht auf ein gemeinsames KI-Forschungszentrum einigen, stattdessen soll es nun ein abgespecktes virtuelles Zentrum geben.

Die dafür bereitgestellten 500.000 Euro seien viel zu wenig, sagte die Grünen-Sprecherin für Innovations- und Technologiepolitik, Anna Christmann, dem Handelsblatt. Die Regierung müsse „ihre nationalen Scheuklappen ablegen und endlich europäisch die Kräfte bündeln“. Nötig sei nicht „KI made in Germany“, wie die Strategie der Regierung überschrieben ist, sondern „KI made in Europe“.