Milliarden für Atomkonzerne – plus etwa 700 Millionen Euro Zinsen
Der Bund will nach dem Gerichtsurteil des Verfassungsgerichts den Konzernen Eon, RWE und EnBW die gezahlte Atomsteuer plus Zinsen erstatten. „Natürlich wird die Bundesregierung das Urteil umsetzen“, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums am Mittwoch in Berlin. Dabei wird das Urteil für die Bundesregierung teurer als bekannt. Die Rückerstattung an die Atomkonzerne werde in der Größenordnung von sieben Milliarden Euro liegen, berichtete das Handelsblatt unter Berufung auf Regierungskreise. Die Summe kommt durch die gezahlten Steuern in Höhe von 6,3 Milliarden Euro plus Zinsen zustande. Die Zinsen bei Steuerrückerstattungen betragen sechs Prozent jährlich.
Die Finanzpolitiker der Union halten trotzdem an der schwarzen Null fest. Er sei zuversichtlich, dass man 2017 trotz der erheblichen Belastungen ohne neue Schulden auskommen werde, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg (CDU), dem Handelsblatt. „So ergeben sich mit der Mai-Steuerschätzung prognostizierte Steuermehreinnahmen in Höhe von sieben Milliarden Euro“, sagte Rehberg. Zudem könne „es bei den Zinsausgaben zu weiteren Entlastungen für den Bundeshaushalt kommen“. Auch der Ministeriumssprecher betonte, dass die Bundesregierung keine neue Steuer als Ersatz für die Brennelementesteuer plane.
Allerdings wird in der großen Koalition diskutiert, ob man die Entnahme aus der Flüchtlingsrücklage erhöhen sollte. Bisher hat Schäuble geplant, dieses Jahr 6,7 Milliarden Euro der Reserve von insgesamt 19 Milliarden zu nutzen. Da die tatsächlichen Flüchtlingskosten höher sind, könnte er auch mehr entnehmen, was ihm im Haushalt Luft verschaffen würde.
Der Spitzenkandidat und Parteichef der Grünen, Cem Özdemir, kritisierte die Bundesregierung scharf. „Das Urteil ist die Quittung für Merkels Zickzackkurs in der Atompolitik“, sagte er dem Handelsblatt. Erst habe sich Kanzlerin Angela Merkel mit der Brennelementesteuer „die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke vergolden lassen“. „Nach Fukushima veranlasste sie dann die plötzliche Kehrtwende ohne Plan und ohne Rechtssicherheit“, so der Grünen-Politiker.
Dabei hätten Merkel und der frühere Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel noch im Winter die Chance gehabt, im Zuge der Verhandlungen zum Atomfonds darauf zu bestehen, dass alle Klagen der AKW-Betreiber zurückgezogen werden. „Es handelt sich also um ein doppeltes Versagen der Bundesregierung“, sagte Özdemir der Zeitung.
Der Sprecher des Finanzministeriums äußerte Kritik am Bundesverfassungsgericht, da es das Urteil ohne mündliche Verhandlung verkündet habe. Die Regierung habe so nicht die Möglichkeit gehabt, ihre Position noch einmal zu erläutern. Regierungssprecher Steffen Seibert unterstrich jedoch, die Regierung respektiere das Urteil. Die Verfassungsrichter hatten die zwischen 2011 und 2016 erhobene Kernbrennstoffsteuer für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Der Bund habe keine Befugnis gehabt, sie einzuführen.
KONTEXT
Die deutschen Atomkraftwerke und ihre Restlaufzeiten
Schrittweiser Automausstieg
Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 nahm die Bundesregierung ihre erst ein Jahr zuvor vereinbarte Laufzeitverlängerung für die Kernkraftwerke zurück und beschloss einen schrittweisen Atomausstieg. Statt frühestens 2036 soll nun der letzte Meiler bis 2022 vom Netz gehen. Acht AKW wurden 2011 sofort stillgelegt.
Rückbau
Der Rückbau wird Jahre dauern und Milliarden kosten - hinzu kommen die ungewissen Kosten bei der Endlagerung des Atommülls. Die Restlaufzeiten der noch in Betrieb befindlichen Reaktoren:
Neckarwestheim II (Baden-Württemberg)
Haupteigentümer: EnBW
Nennleistung in Megawatt: 1395
Restlaufzeit: fünf Jahre (1989 - 2022)
Philippsburg II (Baden-Württemberg)
Haupteigentümer: EnBW
Nennleistung in Megawatt: 1458
Restlaufzeit: zwei Jahre (1984 - 2019)
Isar II (Bayern)
Haupteigentümer: Eon
Nennleistung in Megawatt: 1475
Restlaufzeit: fünf Jahre (1988 - 2022)
Gundremmingen B (Bayern)
Haupteigentümer: RWE/Eon
Nennleistung in Megawatt: 1344
Restlaufzeit: bis Ende des Jahres (1984 - 2017)
Gundremmingen C (Bayern)
Haupteigentümer: RWE/Eon
Nennleistung in Megawatt: 1344
Restlaufzeit: vier Jahre (1984 - 2021)
Grohnde (Niedersachsen)
Haupteigentümer: Eon
Nennleistung in Megawatt: 1360
Restlaufzeit: vier Jahre (1984 - 2021)
Emsland (Niedersachsen)
Haupteigentümer: RWE/Eon
Nennleistung in Megawatt: 1400
Restlaufzeit: fünf Jahre (1988 - 2022)
Brokdorf (Schleswig-Holstein)
Haupteigentümer: Eon/Vattenfall
Nennleistung in Megawatt: 1440
Restlaufzeit: vier Jahre (1986 - 2021)