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Der Milliardär und sein Minister

Bill Gates debattierte in München mit Gerd Müller. Der Milliardär wurde verehrt wie ein Heiliger. Sein Geld bewegt mehr als Politik. Szenen einer Begegnung.

Bill Gates war da. Der legendäre Mitgründer, Großaktionär und Verwaltungsrat des Microsoft-Konzerns, der inzwischen lieber über Weltrettung redet als über Software. In München, an der Technischen Universität, traf er vor 1000 Zuhörern auf Gerd Müller, bei dem von Studenten organisierten Debattenforum, „TUM Speakers Series“, das als Ableger-Veranstaltung der Sicherheitskonferenz stattfand. Bei Müller ist es so, dass sein Name noch weitaus bekannter ist als die Person.
Hier der Milliardär, der mit seinem Geld und seiner Stiftung gegen Hunger und Krankheiten (Malaria, Aids) angeht, hier der CSU-Politiker, der mit ganz wenig Geld und großen Plänen gegen die gleichen Probleme kämpft. Hier der reichste Mensch der Welt, dort ein etatarmer Minister, der wenig mehr als zehn Prozent des Gates-Vermögens von knapp 80 Milliarden Dollar zur Verfügung hat. Nun also saßen sie auf der Bühne des überfüllten Audimax. Es ging um Zukunft, Afrika und eine Globalisierung, die in Verruf geraten und in den USA abgewählt wurde.

Den meisten Zuspruch bekam der Amerikaner Gates, der empfangen wurde wie ein Rockstar, für seinen Satz: „Präsidenten kommen und gehen wieder - vielleicht.“ Das war die Antwort auf die Frage, warum er selbst nicht Politiker geworden sei und erkennbar auf den neuen US-Staatschef Donald Trump gemünzt. Seine Melinda- und Bill-Gates-Stiftung sei langfristig angelegt, „und das ist mir lieber als Vorwahlen und die ganzen Sachen“, sagte der Unternehmer. Selbst unter dem Motto „America First“ müsse das Land, „dieser starke Führer“, über globale Probleme nachdenken, weil sie rückwirken auf die eigene Gesellschaft. Ein stabiles Afrika sei wichtig: „So verhindern wir, Truppen schicken zu müssen oder dass Epidemien wie Ebola zu uns kommen. Wir müssen alle mehr tun.“

Er selbst habe nie Politiker werden wollen, liebe aber Regierungen. Ansonsten gab sich Gates optimistisch: Die Bedingungen in den armen Ländern besserten sich mit neuen Arzneien und besserem Saatgut. Seine Stiftung unterstützte das und investiere dabei auch in Firmen - aber nie, um Geld zu machen, sondern um Know-how zu verbreiten. Das Wichtigste in Afrika sei jetzt aber nicht digitale Technologie, sondern die Schulung der Farmer, um bessere Ernten einzufahren. Erst auf längere Sicht würden Computer eine Rolle spielen.


„Sie bewegen die Welt!“

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Minister Müller war da optimistischer und wies daraufhin, dass die Münchener Debatte in einige afrikanische Universitäten live übertragen wurde. „Mister Microsoft“, nannte er seinen Gesprächspartner und schalmeite: „Sie bewegen die Welt!“ Gates habe Polio besiegt, er rette Millionen Menschen, er sei einer, „der alles kann und alles, was er hat, in die Zukunft der Menschen investiert“. Grundsätzlich sagte Müller: „Öffentliche Gelder können die Herausforderung nicht lösen, dazu brauchen wir private Investitionen.“ Das alles grenzte an Heiligenverehrung, vorgetragen auf Deutsch. Mit einer Rede auf Englisch in New York hatte Müller vor Jahren unfreiwillig einen Hit auf YouTube geliefert.

Gates fläzte sich angesichts solcher Lobreden zusehends im Stuhl, hob den Arm während seiner Rede und sah einen „extrem positiven Trend“ der Globalisierung. Die Armut sei stark reduziert worden, nur Kriege, Epidemien und der Klimawandel sorgten für Rückschläge. Für junge Leute sei das eine „aufregende Zeit“, machte Gates Mut, bei Krankheiten wie Parkinson oder Krebs sowie bei sauberer Energie werde es viele Fortschritte geben. Es sei entscheidend, dass sich junge Leute in der Gesellschaft engagieren. Als er 20 Jahre alt war, sei er extrem naiv gewesen und habe viele Fehler gemacht, erzählte Gates. Er sei aber längst ausbalanciert.

Sein Gesprächspartner war im Vergleich überraschend kämpferischer. 1700 Milliarden Dollar würden weltweit für Militär ausgegeben, aber nur 160 Milliarden für Entwicklungshilfe. „Mehr Panzer bringen nicht mehr Frieden“, rief er aus, man brauche einen neuen Sicherheitsbegriff, der Ernährungssicherheit einbeziehe. In Afrika komme es darauf an, die „Reformchampions“ unter den Staaten stärker zu unterstützen, die auf die Menschenrechte achten. Und die Konsumenten sollten ihre Macht nutzen, sagte Gerd Müller („Jeder kann viel tun“) und beispielsweise „fairen Kaffee“ statt „Ausbeuterkaffee“ trinken, der bei einem Verkaufspreis von zehn Euro dem Kaffeebauer in Kenia nur 50 Cents lässt. Irgendwann hielt der Bundesminister dem Microsoft-Gründer ein Handy entgegen und erzählte von den Kindern im Kongo, die die Seltenen Erden, die in solchen Geräten stecken, unter unwürdigen Bedingungen abbauen müssen. Das klang wie ein plötzlicher Frontalangriff auf die US-Digitalweltmacht, aber Gates lag weiter in seinem Stuhl, schildkrötengleich, reckte den Kopf und lächelte.
Am Ende wurden der Milliardär, der mit seinem Geld die Welt verändert, und der Minister, der mit seinen Worten Stimmungen verändert, ausgiebig fotografiert. Beide hatten eine Zusammenarbeit verabredet. Der Gast aus Seattle bekam noch eine Lederhose und „Bill-Gates-Bier“, gebraut von Weihenstephan. Das also waren 45 Minuten Weltrettung und Ausweg aus dem Globalisierungs-Bashing - Hoffnungszeichen im Trump-Zeitalter.