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Neue Stufe des Mietendeckels tritt in Kraft: Was das für Vermieter und Mieter bedeutet

Bald gelten in Berlin staatlich regulierte Wohnungsmieten. Vermieter müssen bestehende Mieten absenken. Was auf die Immobilienwirtschaft zukommt.

Berliner Vermieter müssen überhöhte Mieten eigenständig absenken. Foto: dpa
Berliner Vermieter müssen überhöhte Mieten eigenständig absenken. Foto: dpa

Die nächste Vorschrift des Berliner Mietendeckels tritt in Kraft: Nach dem Mietenstopp und einer Obergrenze bei Neuvermietung müssen Vermieter ab dem 23. November „überhöhte“ Mieten von sich aus absenken. Überschreiten Mieten in bestehenden Mietverhältnissen die per Gesetz festgeschriebenen Mietobergrenzen um mehr als 20 Prozent, müssen sie reduziert werden.

Mit dem bundesweit einzigen Mietendeckel will der rot-rot-grüne Senat den zuletzt starken Anstieg der Mieten in der Hauptstadt bremsen. Die politisch wie rechtlich umstrittene Regelung ist zunächst auf fünf Jahre befristet.

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Ein Beispiel für die automatische Absenkung: Für eine Altbauwohnung mit 120 Quadratmetern in mittlerer Wohnlage ohne besondere Ausstattungsmerkmale wie etwa einen Aufzug oder hochwertige Sanitärausstattung zahlt der Mieter derzeit 1.300 Euro Nettokaltmiete pro Monat. Das sind gut 10,80 Euro pro Quadratmeter. Laut der Tabelle des Mietendeckelgesetzes (MietenWoG) darf die Mietobergrenze künftig nur noch 6,45 Euro pro Quadratmeter betragen. Für die mittlere Wohnlage sind zudem 0,09 Euro von der Obergrenze abzuziehen. Damit beläuft sich die Nettokaltmiete künftig auf gut 763 Euro pro Monat.

Allerdings darf der Vermieter bei Bestandsmieten 20 Prozent über der Grenze liegen. Das wären knapp 153 Euro. Die Nettokaltmiete ist also bei 916 Euro zu deckeln. Das bedeutet: Der Vermieter muss von sich aus die Miete monatlich um 384 Euro absenken.

Mieterverein: Jeder Vierte wird einen Anspruch haben

Der Berliner Mieterverein rechnet mit etwa 365.000 Mietverhältnissen, bei denen ein Senkungsanspruch besteht. Das seien rund 27 Prozent aller Berliner Mietverhältnisse. „Jeder Vierte wird einen Anspruch haben“, sagte der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, dem Handelsblatt. „Besonders prägnant sind die Fälle, in denen der Mietvertrag in den vergangenen fünf bis sechs Jahren abgeschlossen wurde.“

Hier seien die Mieten besonders hoch abgeschlossen worden. Bei teurer Modernisierung könne eine Absenkung auch relevant werden. Ausgenommen sind unter anderem Neubauwohnungen, die ab 1. Januar 2014 bezugsfertig wurden.
Nach eigenen Angaben wird der Mietendeckelrechner des Mietervereins derzeit „rasant“ in Anspruch genommen: Pro Tag nutzen momentan zwischen 4000 und 5000 Personen den Rechner, um zu prüfen, ob ein Senkungsanspruch besteht und wie hoch dieser ausfällt.

„Viele private Vermieter haben noch gar nichts von sich hören lassen“, berichtet Wild. Den Mietern lägen bislang also keine Schreiben zur Absenkung der Miete vor. „Einige große Gesellschaften haben die Miete aber bereits anteilig für November reduziert.“

Es sei kompliziert, dass die Regelung mitten im Monat zu greifen beginne. „Es ist aber auch eine Gutschrift der Vermieter im Dezember möglich“, erklärte Wild. Zudem gebe es ein paar Konfliktpunkte bei der Einstufung der Miete, etwa die Frage, was unter einem „hochwertigen Bodenbelag“ zu verstehen sei.

Handlungsoptionen für Mieter

Doch was geschieht, wenn der Vermieter sich nicht rührt? „Es gibt Wege für den mutigen und den weniger mutigen Mieter“, sagt Wild vom Berliner Mieterverein. „Der mutige Mieter verweist auf das gesetzliche Verbot einer höheren Miete und senkt die Miete auf den ausgerechneten Betrag ab.“ Vor ernsthaften Vermieter-Reaktionen müsse der Mieter keine Angst haben.

„Es ist ein gesetzliches Verbot, mehr Miete zu nehmen, als im Gesetz drinsteht“, sagt Wild. Die Befolgung von Verboten könne kaum zu einer Kündigung berechtigen. Auch Vermieter-Klagen seien wenig wahrscheinlich. Das Verhältnis von Mieter und Vermieter könne aber natürlich belastet werden.

Die weniger mutige Art sei, ein Verfahren bei der Senatsverwaltung für Entwicklung und Wohnen anzustrengen. Auf Anfrage teilte die Senatsverwaltung mit, sie helfe dem Mieter „bei der Durchsetzung seines Rechts auf Absenkung“, wenn der Vermieter seiner Verpflichtung nicht nachkomme. Konkret gibt es folgenden Ablauf:

Zunächst klärt die zuständige Senatsverwaltung den Sachverhalt und fordert dann den Vermieter durch ein Anhörungsschreiben auf, innerhalb einer Frist darzulegen, ob und inwieweit er den gesetzlichen Vorgaben nachkommt.

Sollte der Vermietende von der Anhörung Gebrauch machen, erfolgt eine neue rechtliche Prüfung. Die Senatsverwaltung kann dann Verwaltungsakte erlassen – die etwa dem Mieter bescheinigen, dass eine Absenkung der Miete rechtens ist.

Wird eine überhöhte Miete bestätigt, kann die Senatsverwaltung zudem ein Ordnungswidrigkeitsverfahren einleiten. „Die Bußgeldbemessung ist auf den jeweiligen Einzelfall abzustimmen und kann mit einem Bußgeld bis zu 500.000 Euro geahndet werden“, teilte die Behörde mit.

Wird seitens des Vermietenden begründet Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt, stellt die Sachbearbeitung das Verfahren ein. Handelt es sich hingegen um einen unbegründeten Einspruch, wird das Verfahren an die Amtsanwaltschaft abgegeben.

Juristisches Neuland

Berlin betritt mit dem Mietendeckel juristisches Neuland. Bundestagsabgeordnete von CDU und FDP, aber auch Vermieter haben bereits das Bundesverfassungsgericht angerufen. Sie halten die Regelung für verfassungswidrig.

Eine Grundsatzentscheidung der Karlsruher Richter wird im ersten Halbjahr 2021 erwartet. Zuletzt wiesen die Richter einen Eilantrag gegen den Mietendeckel ab. Würde der Mietendeckel für unrechtmäßig erklärt, könnten die Vermieter die durch den Mietendeckel zu wenig eingenommene Miete nachfordern. Darauf weisen einige Vermieter in ihren Absenkungsschreiben auch hin.

Mieter sollten das eingesparte Geld also vorerst nicht ausgeben, falls sie es nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nachzahlen müssen. Dazu riet auch die ehemalige Berliner Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke).

Die meisten Vermieter hätten sich mit dem Mietendeckel arrangiert und dazu bekannt, sich an die Regelungen zu halten, berichtet Uwe Bottermann, Rechtsanwalt und Partner der auf Immobilienrecht spezialisierten Kanzlei Bottermann Khorrami. „Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts üben sich Vermieter und Mieter in Geduld.“

Erst am Mittwoch hatte der CDU-Landesvorsitzende Kai Wegner wieder gegen das Gesetz gewettert. Für Mieter sei es verführerisch zu glauben, mit dem Mietendeckel werde alles besser“, sagte er auf einer Veranstaltung der Berliner Industrie- und Handelskammer. Inzwischen merkten jedoch viele, dass er nicht wirklich helfe. Weder gehe es mit den notwendigen Instandhaltungen voran, noch fänden Mieter eine neue Wohnung.

Der Mietendeckel verknappt das Angebot an Wohnungen

„Wenn das Angebot zu eng ist, dann muss man bauen“, sagte Wegner. Diejenigen, die am meisten vom Mietendeckel profitierten, seien im Übrigen die Besser- und Gutverdienenden, nicht die Geringverdiener. „Deswegen ist der Mietendeckel Mist, er schadet uns.“

Auch die Immobilienwirtschaft warnt vor den Schäden durch das Mietendeckelgesetz. „Die Auswirkungen zeigen sich auf dem Berliner Mietwohnmarkt immer deutlicher“, sagte Jürgen Michael Schick, Präsident des Immobilienverbands IVD. „Während die Mieten im Neubau grundsätzlich weiter steigen, sehen wir bei Bestandswohnungen künstliche, staatlich verordnete Preise.“

Das Angebot von Bestandswohnungen sei aufgrund des Mietendeckels deutlich verknappt. „Somit sinkt auch die Zahl der insgesamt verfügbaren Mietwohnungen.“ Damit werde es für Berliner Wohnungssuchende nochmals schwieriger, eine preiswerte Wohnung zu finden.

Insgesamt verstärkt sich Schick zufolge durch den Mietendeckel der Trend hin zu privatem Wohneigentum. „Für Vermieter ist es aktuell attraktiver, ihre Wohnungen gewinnbringend zu verkaufen, als später infolge des Mietendeckels Verluste hinnehmen zu müssen.“

Neue Investitionen litten nachweislich unter der mit dem Mietendeckel einhergehenden Unsicherheit. „Die Deutsche Wohnen hat bereits angekündigt, Investitionen in Sanierung und Neubau in Höhe von einer Milliarde Euro auf den Prüfstand zu stellen.“ Das schwedische Wohnungsunternehmen Akelius wiederum will in den kommenden fünf Jahren 500 Millionen Euro weniger für Modernisierungsinvestitionen bereitstellen. 58 Mitarbeiter aus dem Bereich der Modernisierung wurden entlassen.

„Wir sind zuversichtlich, dass der Mietendeckel 2021 vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben wird“, sagte Schick. Das Land Berlin habe hier schlicht keine Gesetzgebungskompetenz. Die überwiegende Zahl der juristischen Gutachten zu diesem Thema sehe diese klar beim Bund. „Bis es zu einer Entscheidung kommt, wird sich die Lage auf dem Mietmarkt allerdings nochmals verschärfen.“

„Der Mietendeckel hilft damit den Mietern überhaupt nicht“, sagte auch der Berliner Immobilieninvestor Jakob Mähren. „Im Gegenteil, für Normalverdiener ist es noch schwieriger geworden, eine erschwingliche Mietwohnung zu finden.“

Investoren ziehen sich zurück

Viele Investoren hätten sich aus Berlin zurückgezogen, berichtet Mähren, der selbst seinem Heimatmarkt treu bleiben will. „Man sieht deutlich, dass die Preise nachgegeben haben und das Interesse zurückgegangen ist.“

Vor allem institutionelle Investoren verlieren mehr und mehr das Vertrauen in Berlin als Mietwohnungsstandort. Das hat zunehmend auch Auswirkungen auf den Neubau, auch wenn dieser vom Mietendeckel ausgenommen ist.

Da Projektentwickler keine Käufer für ihre Wohnungsbauvorhaben finden, bleiben viele Projekte erst einmal liegen oder werden als Eigentumswohnungen vermarktet, heißt es in der Szene. „Im Schöneberger Ortsteil Friedenau liegen bereits 1000 Wohnungen auf Eis, für die es zwar eine Baugenehmigung, aber keinen Investor gibt“, berichtet Einar Skjerven, Geschäftsführer der Skjerven Group.

Die Mehrheit der Bestandshalter werde mit dem Mietendeckel leben können, sagte er. „Ausnahme sind diejenigen, die in der Vergangenheit Altbauwohnungen aufwendig saniert und auf einen zeitgemäßen oder gar gehobenen Standard gebracht haben.“

Die Auswirkungen hingen von der Dauer der Regelung ab, so Skjerven. Bei Mieterwechseln werde in den Wohnungen aktuell nur das Nötigste gemacht. „Das heißt, heben die Gerichte den Deckel nicht auf, werden sich die Berliner an einen sukzessiv schlechteren Wohnstandard und an demnächst museale Bäder gewöhnen müssen.“

Natürlich sei mehr preisgebundener Wohnraum nötig, mit Mieten von fünf bis sieben Euro je Quadratmeter und Monat, sagt Jordan Milewicz, Europachef des Vermieters Akelius. Für die Schaffung von solchem Wohnraum seien aber Stadt und Land verantwortlich, nicht private Investoren. „Wir fragen uns: Warum soll es in einer Stadt nicht preisgebundenen und topsanierten Wohnraum gleichzeitig geben?“

Um für ein ausreichendes Angebot an bezahlbaren Wohnungen zu sorgen, müsse die Stadt Investoren nicht einschränken, sagte Milewicz weiter. „Es gibt zielführendere Lösungsansätze dafür: Die Stadt kann Wohngeld geben, mehr Bauland ausweisen, schneller Baugenehmigungen erteilen oder den sozialen Wohnungsbau stärken. All das passiert aber nicht.“