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Mietendeckel greift nur vordergründig – die Unsicherheit bleibt

Seit Ende Februar ist der Berliner Mietendeckel in Kraft. Trotzdem werden noch Wohnung mit Preisen über den Obergrenzen inseriert. Wie passt das zusammen?

Für Neuvermietungen in Berlin gelten seit einigen Wochen strenge Obergrenzen. Foto: dpa
Für Neuvermietungen in Berlin gelten seit einigen Wochen strenge Obergrenzen. Foto: dpa

Hohe Wände, Holzdiele, Stuck an den Wänden, 73 Quadratmeter im Stadtteil Prenzlauer Berg – ein solcher Altbau aus dem Jahre 1901 ist bei vielen Mietern heiß begehrt. Entsprechend hoch ist die Miete – normalerweise. Laut Mietendeckel dürfte sie aber maximal bei 7,45 Euro pro Quadratmeter liegen, wenn man eine moderne Ausstattung voraussetzt. Tatsächlich ist die Wohnung aber für knapp 18 Euro pro Quadratmeter inseriert.

Seit dem 23. Februar ist der Berliner Mietendeckel in Kraft. Mit dem Inkrafttreten wurden die Mieten auf dem Stand vom 18. Juni 2019 eingefroren. Für Neuvermietungen gelten strenge Obergrenzen. Tatsächlich aber finden sich in den einschlägigen Wohnungsportalen zahlreiche Inserate, die gegen den Mietendeckel verstoßen. Wie das zu erklären ist und warum selbst nach dem Inkrafttreten des Mietendeckels noch viel Unklarheit herrscht.

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Großteil der Mieten über der Obergrenze

Die Vorgaben an sich sind fix: Je nach Alter, Heizungsart und der Frage, ob die Wohnung ein eigenes Bad besitzt, dürfen die Mieten zwischen 3,92 Euro und 9,80 Euro pro Quadratmeter betragen. Für Wohnungen mit moderner Ausstattung erhöht sich dieser Wert um einen Euro je Quadratmeter.

Derzeit liegen rund 93 Prozent aller in Berlin angebotenen Bestandswohnungen über den Obergrenzen des Mietendeckels, berichtet das Portal Immobilienscout24 auf Handelsblatt-Anfrage. Im Durchschnitt überschreitet die Miete die zulässige Höhe um 5,80 Euro pro Quadratmeter.

Weitere Auswirkungen des Mietendeckels liefert das Portal Immowelt: Die Zahl der inserierten Mietwohnungen, die vom Mietendeckel betroffen sind, ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um zwanzig Prozent zurückgegangen, während die Zahl der inserierten Eigentumswohnungen um sechs Prozent sank. Verglichen wurden die Inserate vom 23. Februar bis 27. April mit dem gleichen Zeitraum 2019.

Das Zwei-Mieten-Modell

Ob sich die Mietinserate dem Mietendeckel anpassen werden, ist fraglich. Offenbar geben Vermieter aktuell vermehrt zwei Mietpreise in den Inseraten an, erklärt eine Immobilienscout-Sprecherin: Zum einen die Miete, die auf dem Markt ohne Deckel verlangt würde und im Freitext eine geringere, Mietendeckel-konforme Höhe. So versteckt sich der Hinweis auf die Mietendeckel-Miete auch beim Altbau in Prenzlauer Berg in der Objektbeschreibung.

„Ein Inserat stellt noch keine konkrete Mietforderung dar. Daher liegt hier auch keine Ordnungswidrigkeit gegen den Mietendeckel vor“, erklärt Christian Schede, Managing Partner der Wirtschaftskanzlei Greenberg Traurig und deren Leiter der Branchengruppe Immobilien. Eine Ordnungswidrigkeit – die mit bis zu 500.000 Euro Bußgeld geahndet werden kann – begehe nur, wer vom Mieter tatsächlich eine höhere Miete fordere.

Dies kann sich offenbar bis zum Mietvertrag ziehen: „Das bedeutet, Vermieter können auch im Mietvertrag eine höhere Miete vereinbaren, dürfen diese aber nicht fordern oder entgegennehmen“, sagt Schede. Entscheidend sei hier, dass die vereinbarte Miete nicht gegen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches verstoße. Der Mietendeckel sei letztlich bei der tatsächlichen Forderung relevant.

Vermieter sehen sich wegen des Mietendeckels wirtschaftlichen Verlusten ausgesetzt. Der Immobilienverband ZIA hatte etwa gewarnt, dass wegen des Mietendeckels zahlreiche Finanzierungen überprüft werden müssten und Banken Nachbesicherung forderten. Weniger Miete bedeutet bei der Berechnung des Immobilienwertes nach Ertragswertverfahren schließlich einen geringeren Immobilienwert. Die Investitionsbank Berlin bearbeitet bereits erste Härtefallanträge von Vermietern, 145 an der Zahl.

Der Bundesverband der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken beschwichtigt. Zwar bestehe theoretisch die Möglichkeit, dass Banken eine Ersatzsicherheit fordern können. „Volksbanken und Raiffeisenbanken nutzen diese Möglichkeiten jedoch kaum bzw. sehr zurückhaltend und wenn, dann mit angemessenen Fristen, um ihre Kunden in diesen misslichen Konstellationen nicht noch zusätzlich zu belasten“, erklärt Rainer Siedler, Experte für Verbraucherkreditrecht beim BVR. Zudem gebe es zahlreiche vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten, in anderer Weise zu einvernehmlichen Lösungen zu finden. Dazu zählt beispielsweise, die Tilgung zu reduzieren.

Eingespartes Geld beiseite legen

Reiner Wild ist der Chef des Berliner Mietervereins. Er und seine Mitarbeiter sind in diesen Wochen gefragt wie nie zuvor. Ein großer Teil der Mietrechtsfragen beziehen sich aktuell auf den Mietendeckel.

Wild beobachtet, dass Vermieter versuchen, den Deckel zu umgehen, etwa indem bei neuen Verträgen höhere Mieten verlangt werden, offiziell aber nur der Mietendeckel-konforme Teil gefordert werde. Ein weiterer Betrag solle dann als Schattenmiete auf andere Weise gezahlt werden, etwa auf ein Treuhandkonto.

Dabei gilt selbst für all diejenigen, deren Mieten nach dem Stichtag im Juni 2019 erhöht wurden, laut Mietendeckel nun wieder die alte, zum Stichtag fällige Miete. „Auch für Mieter, die der Mieterhöhung zuvor zugestimmt hatten, ist nun nur noch die Nettokaltmiete zu zahlen, die noch am 18. Juni galt“, erklärt Wild.

Konkret heißt das: Mieter können einfach weniger überweisen, wenn der Vermieter von sich aus keine Herabsetzung mitteilt. Dabei besteht jedoch das Restrisiko einer juristischen Auseinandersetzung mit dem Vermieter. Alternativ könnten Mieter den Verstoß des Vermieters beim Bezirksamt melden oder gerichtlich ein Herabsetzung erstreiten.

Dennoch appelliert er, dass die Mieter das eingesparte Geld zunächst beiseite zu legen. Denn sowohl auf Landesebene in Berlin als auch auf Bundesebene haben Politiker eine Normenkontrollklage gegen den Mietendeckel angekündigt.

Beim Bundesverfassungsgericht sind mittlerweile zwar zwei Beschwerden eingegangen. Eine von der Politik bemühte Normenkontrollklage liegt dem Gericht in Karlsruhe aber noch nicht vor. Doch dass sie kommt, darf kaum bezweifelt werden.