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Mit der Methode Bayern gegen Wohnungseinbrecher

Bayern gilt als das Bundesland mit dem geringsten Einbruchsrisiko. Ermittler führen das auch auf eine spezielle Einbruchs-Prognosesoftware zurück. Die könnte bundesweit zum Einsatz kommen, doch Datenschützer warnen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kann zufrieden sein. Auch wenn die Zahl der Straftaten in seinem Bundesland leicht zugenommen hat, scheint die bayerische Polizei das Problem der Wohnungseinbrüche offenbar immer besser in den Griff zu bekommen. Schon 2015 sind die Einbruchszahlen deutlich zurückgegangen; im vergangenen Jahr konnte das Niveau immerhin stabilisiert werden.

Die Gefahr, so Herrmann am Montag bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik, in Bayern Opfer eines Wohnungseinbruchdiebstahls zu werden, sei in ganz Deutschland am geringsten. „In NRW war sie sogar rund fünfmal so hoch wie in Bayern“, betonte der Minister. Er könne daher mit Stolz auch weiterhin sagen: „In Bayern leben, heißt sicherer leben.“

Die positive Entwicklung führt Herrmann auf eine, wie er sagte, „optimierte Lagearbeit“ zurück. Als Beispiel hierfür nannte er die Einbruchs-Prognosesoftware „PreCobs“, die in Bayern seit nunmehr drei Jahren eingesetzt wird. Das Kürzel steht für „Pre Crime Observation System“ - ein Computerprogramm, das anhand von Straftaten-Statistiken in einem Gebiet voraussagen soll, wann mit hoher Wahrscheinlichkeit mit neuen Verbrechen zu rechnen ist – was wiederum einen möglichst effizienten Einsatz von Polizeikräften unterstützen soll.

Wie viele Einbrüche durch die Software in Bayern bisher verhindert wurden, lässt sich nur schwer beziffern, zumal die Einbruchsrate von zu vielen Faktoren abhängt. Herrmann spricht von „vielversprechenden“ Erfahrungen mit „PreCobs“. „Dadurch können unsere Polizeistreifen noch gezielter einbruchsgefährdete Bereiche überwachen“, sagte der Minister dem Handelsblatt. In den Prognosegebieten in München und Nürnberg habe es weniger Wohnungseinbrüche und mehr Täterfestnahmen gegeben.

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Konkretere Angaben machte der Leiter des „PreCobs“-Projekts beim Bayerischen Landeskriminalamt (LKA), Günther Okon. „In dem Gebiet in München, in dem wir PreCobs getestet haben, ist die Zahl der Wohnungseinbrüche im Testzeitraum um 38 Prozent gesunken – überall sonst um 14 Prozent“, resümierte Okon im vergangenen Sommer. Und es scheine auch nicht so zu sein, fügte er hinzu, dass die Einbrecher einfach in die Nachbarschaft ausgewichen seien.

Von den guten Erfahrungen Bayerns könnten auch andere Bundesländer profitieren. Der Auffassung ist nicht nur Herrmann. Der Innenminister von Sachsen und derzeitige Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK), Markus Ulbig (CDU), regte einen bundesweiten Einsatz der Einbruchs-Prognosesoftware an. „Wir brauchen etwa gemeinsame Anstrengungen bei der Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls“, sagte Ulbig dem Handelsblatt. „Die Prognosesoftware PreCobs kann dabei ein Mittel für mehr Sicherheit sein.“


Mehrere Bundesländer testen Einbruchs-Software

Auch Bayerns Innenminister Herrmann sagte dem Handelsblatt: „Wir brauchen dringend eine noch bessere Zusammenarbeit der Bundesländer zur Bekämpfung der Wohnungseinbruchskriminalität in Deutschland.“ Denn gerade professionelle Einbrecherbanden „treiben grenzüberschreitend ihr Unwesen“. Ein wichtiger Aspekt der Zusammenarbeit sei die „verbesserte Lagearbeit“, fügte der CSU-Politiker hinzu. „Hier spielt unsere Prognosesoftware PreCobs eine große Rolle.“

Laut Ulbig haben Sachsen und Bayern Ende vergangenen Jahres eine „Allianz gegen Wohnungseinbrecher“ beschlossen und vereinbart, die Prognosesoftware weiterzuentwickeln. Von den „guten Erfahrungen“ Bayerns könne auch Sachsen profitieren. „Die sächsische Polizei prüft derzeit, in welchem Umfang Prognosesoftware, wie zum Beispiel das in Bayern verwendete Programm PreCobs, auch in Sachsen sinnvoll zur Kriminalitätsbekämpfung eingesetzt werden kann“, sagte der Minister. Dabei sollen laut Ulbig auch Erkenntnisse einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe berücksichtigt werden, die derzeit die Vor- und Nachteile mehrerer eingesetzter Softwarelösungen untersucht.

Hintergrund ist, dass inzwischen in mehreren Bundesländern Projekte zum „Predictive Policing (deutsch: vorhersagende Polizeiarbeit) laufen, wie aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage Linksfraktion im Bundestag hervorgeht. Dabei geht es darum, mithilfe einer Prognosesoftware die Wahrscheinlichkeit von Einbrüchen vorherzusagen. Das Programm soll Muster erkennen, nach denen Einbrecher vorgehen. Der Software liegt die Annahme zugrunde, dass professionelle Einbrecher nach einer Tat wahrscheinlich zeitnah und nicht weit entfernt erneut zuschlagen.

Baden-Württemberg untersucht etwa in einem Pilotprojekt, inwieweit Softwarelösungen wie das Programm „PreCobs“, das auch Bayern nutzt, einen Mehrwert zur Bekämpfung des Wohnungseinbruchsdiebstahls darstellen können. PreCobs kann nach Angaben der Entwickler Prognosen etwa für Einbrüche abgeben, wenn Daten bisheriger Taten in die Datenbank der Software eingepflegt wurden. Dort stehen dann der Tatort mit Straße und Hausnummer, die Tatzeit, Beute und Vorgehensweise der Täter.

In Berlin, Hessen und künftig auch Niedersachsen werden laut Bundesinnenministerium Eigenentwicklungen erprobt beziehungsweise genutzt. Nordrhein-Westfalen hat den Angaben zufolge bereits im Februar 2015 ein Projekt zum Thema Predictive Policing im dortigen LKA eingerichtet. Eingesetzt wird in NRW das Programm „SPSS-Modeler“ des IBM-Konzerns.

Das LKA in Hamburg lässt derzeit die Möglichkeiten des Predictive Policing in einem Forschungsprojekt untersuchen. Brandenburg will indes, wie es in der Ministeriumsantwort auf die Linken-Anfrage heißt, mit einer Machbarkeitsstudie prüfen, ob sich die Predictive-Policing-Methodik in ein „standardisiertes polizeiliches Lageanalyse- und -beurteilungsverfahren unter dem Ansatz der Schaffung einheitlicher Rahmenbedingungen“ überführen lässt.


Immenser wirtschaftlicher Schaden durch Einbrüche

Die Aktivitäten der Länder sind auch der Kriminalitätsentwicklung geschuldet. Laut den aktuell bundesweit verfügbaren Zahlen aus der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik des Bundeskriminalamts (BKA) stammen allerdings aus dem Jahr 2015. Neuere Zahlen werden erst in den kommenden Wochen veröffentlicht. Allerdings lassen die bisher von einzelnen Bundesländern veröffentlichten Zahlen sowie Einschätzungen mehrerer Innenministerien darauf schließen, dass die Zahl der Wohnungseinbrüche in Deutschland wohl erstmals seit Jahren zurückgeht.

Das Jahr 2015 ergibt noch ein anderes Bild. Seinerzeit wurden bundesweit 167.136 Wohnungseinbruchdiebstähle (2014: 152.123 Fälle), darunter 70.333 Fälle von Tageswohnungseinbruch (2014: 63.282 Fälle) registriert. Die Fallzahl ist demnach im Vergleich zum Vorjahr um 9,9 Prozent gestiegen, der darin enthaltene Tageswohnungseinbruch (TWE) stieg um 11,1 Prozent.

Im Vergleich zum Berichtsjahr 2014, in dem die Anzahl der Wohnungseinbruchsdiebstähle gegenüber 2013 um 1,8 Prozent anstieg, ist die aktuelle Zunahme der registrierten Fallzahlen deutlich stärker. Insgesamt wurden laut den offiziellen Angaben 25.376 Fälle aufgeklärt, was einer Aufklärungsquote von 15,2 Prozent (2014: 15,9 Prozent) entspricht.

Wohnungseinbrüche in der Dimension des Jahres 2015 bedeuten auch einen immensen wirtschaftlichen Schaden. Laut Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft wurden deutschen Versicherern 2015 rund 160.000 versicherte Wohnungseinbrüche gemeldet. Damit erreichte die Zahl der versicherten Einbrüche den höchsten Stand seit 2003. Für diese Einbrüche leistete die Branche eine Rekordschadenersatzsumme von 530 Millionen Euro an ihre Kunden - und 50 Prozent mehr als fünf Jahre zuvor.

Ob neue softwarebasierte Polizeifahndungsinstrumente helfen können, die Zahl von Einbrüchen zu reduzieren, ist noch lange nicht ausgemacht – auch wenn Bayern bereits gute Erfahrung damit gemacht hat. Zudem birgt die Verbrecherjagd mit Hilfe von Computerprogrammen auch etliche Risiken.

„Die Erstellung von Prognosen, an deren Ende Personen nur aufgrund einer statistischen Wahrscheinlichkeit unter den Verdacht geraten, Straftaten zu begehen oder zu Störern zu werden, ist unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten fragwürdig“, sagt etwa der Hamburger Datenschutzbeauftrage Johannes Caspar dem Handelsblatt. „Sie widerspricht der für unser Rechtssystem fundamentalen Unschuldsvermutung, ist fehleranfällig und ersetzt polizeiliche Einschätzungen durch automatisierte intransparente Maschinenlogik.“

Ein „statistischer Verdacht“ könne zudem zur „Stigmatisierung und Ausgrenzung von Menschen“ führen. „Besonders perfide ist es, wenn dann der Effekt einer selbst erfüllenden Prognose eintritt“, warnte Caspar, denn: „Erst die Verdachtschöpfung und ihre negativen sozialen Folgen erzeugen das deviante (abweichende) Verhalten des Einzelnen, was wiederum als Erfolg der statistischen Methoden ausgegeben wird“, erläuterte der Datenschutzexperte. „Auf diese Weise macht sich der Algorithmus unabdingbar und schafft seine eigenen Opfer.“


Software-Einsatz unter bestimmten Bedingungen unproblematisch

Die Datenschutzbeauftrage des Landes Schleswig-Holstein, Marit Hansen, warnt davor, digitalen Polizeimethoden blind zu vertrauen. „Die Bezeichnung Predictive Policing klingt nach einem magischen Algorithmus, der immer korrekte Vorhersagen über Tatorte oder sogar Täter liefert, bevor die Tat stattfindet - à la Minority Report“, sagte Hansen dem Handelsblatt. „Dieser Marketing-Begriff verführt dazu, dass man blind dem Computer vertraut, ohne verstehen zu können, wie Daten zusammengeführt werden.“ Daher müssten die Funktionsweise und auch etwaige Nebenwirkungen offengelegt werden.

Caspar hält indes den Einsatz solcher Software datenschutzrechtlich nur dann für unproblematisch, „solange die Analyse auf anonymisierter Datenbasis erfolgt und kein Personenbezug herstellbar ist“. Soweit Systeme wie „PreCobs“ keine personenbezogenen Daten verwendeten, sei dagegen nichts zu sagen. „Gleichwohl ist der Übergang zwischen Anonymität und Personenbezug höchst interpretationsbedürftig, was insbesondere bei der Entwicklung derartiger Modelle zu beachten ist“, fügte Caspar hinzu. Zudem gibt er zu bedenken, dass die Berechnung von statistischen Risiken für die künftige Begehung einer Straftat anhand eines Algorithmus letztlich „ein Blick in die Glaskugel“ sei.

Der Einsatz von Systemen zur Datenanalyse im Rahmen des Predictive Policing steht schon länger im Fokus der Datenschützer. Vor zwei Jahren wiesen die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder in einer Entschließung mit dem Titel „Big Data zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung: Risiken und Nebenwirkungen beachten“ darauf hin, „dass der Einsatz solcher Systeme durch die Polizei geeignet ist, elementare Grundsätze des Datenschutzes und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in Frage zu stellen“.

Caspar sieht kritisch, dass die technische Vorhersage „relevanter Ereignisse“ anhand bloßer statistischer Wahrscheinlichkeiten die polizeiliche Eingriffsschwelle weit über den Bereich einer „individuellen Handlungszurechnung“ hinweg in ein Vorfeld verschiebe, „das verdachtsunabhängig und ohne eindeutige Kausalitätszusammenhänge zu Tat und Täter auskommt“.

Für Hansen birgt das Predictive Policing auch Risiken, wenn Vorhersagen über Personengruppen getroffen werden, bei denen die Gefahr des sogenannten Racial Profilings besteht. Das meint ein gezieltes Vorgehen der Polizei nach ethnischen Gesichtspunkten. Der Vorwurf war zuletzt gegen die Kölner Polizei erhoben worden, weil sie in der Silvesternacht viele nordafrikanisch aussehende Männer kontrolliert hatte.


Bayern bei Einbruchs-Prognosesoftware bundesweiter Vorreiter

Für problematisch hält es Hansen, wenn Angehörige bestimmter Gruppen nicht wegen ihres eigenen Verhaltens, sondern wegen Annahmen über das Verhalten einer Gruppe eine „besondere Behandlung“ erführen. „Das ist Diskriminierung und kann zur Stigmatisierung führen, wenn zum Beispiel Nachbarn beobachten, dass immer wieder dieselbe vom individuellen Verhalten her unverdächtige Person kontrolliert wird und andere in der Umgebung unbehelligt bleiben.“

Auch könne eine Rolle spielen, mit welchen Daten das Predictive-Policing-System gefüttert werde und welche Kategorien vorgesehen seien, sagte Hansen weiter. Ein System in den USA, das vorhersagen soll, wo es zu Krawallen komme, habe beispielsweise sogar Gewerkschaften im Visier. „Hier scheinen Programmanbieter zu entscheiden, welches Verhalten besonders zu beobachten ist, ohne dass sich dies aus dem Polizeialltag ergeben würde oder rechtlich geprüft wäre“, sagte die Datenschützerin.

Bayerns Innenminister weist die Vorbehalte gegen die „PreCobs“-Lösung zurück. „Nachdem PreCobs aus anonymisierten Falldaten der Vergangenheit berechnet, wann und in welchem Gebiet mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Einbruch zu rechnen ist, gibt es auch keine datenschutzrechtlichen Bedenken“, betonte Herrmann.

Die bayerische Polizei setze die Einbruchs-Prognosesoftware seit Oktober 2014 ein. „Damit waren wir bundesweiter Vorreiter.“ Es freue ihn, dass auch andere Bundesländer Interesse an „PreCobs“ hätten. „Gerne werden wir mit unseren Erfahrungen weiterhelfen. Von der Weiterentwicklung der Software werden wir dann alle profitieren.“ Denn, so Herrmann: „Fakt ist: Die Kriminalitätsentwicklung gibt uns recht.“

Das bayerische Maßnahmenkonzept gegen Wohnungseinbrecher sei auch 2016 erfolgreich gewesen. „Bereits 2015 hatten wir einen deutlichen Rückgang der Einbruchszahlen um knapp neun Prozent auf 7.480 Delikte“, erläuterte der Minister. „Dieses Niveau konnten wir 2016 mit insgesamt 7.470 Wohnungseinbrüchen stabilisieren.“ Die Häufigkeitszahl habe bei 58 Einbrüchen pro 100.000 Einwohner gelegen. „Damit dürfte das Einbruchsrisiko in Bayern auch 2016 bundesweit am niedrigsten gewesen sein“, betonte Herrmann.

KONTEXT

Das sind die deutschen Sicherheitsbehörden

Bundeskriminalamt

Das BKA mit Sitz in Wiesbaden koordiniert die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in der Verbrechensbekämpfung. Grundsätzlich sind die Landespolizeien für die Verfolgung und Aufklärung von Straftaten zuständig. Das BKA übernimmt dennoch in bestimmten Fällen der internationalen und der schweren Kriminalität die Strafverfolgung, etwa wenn es um Terrorismus, Waffen- oder Drogenschmuggel, Geldwäsche oder schwere Computersabotage geht. Bei terroristischen Straftaten übernimmt das BKA die Strafverfolgung in der Regel im Auftrag des Generalbundesanwaltes.

Bundesnachrichtendienst

Der BND ist der Nachrichtendienst im Ausland. Er sammelt Informationen über bedeutsame Sachverhalte, die die Sicherheit Deutschlands betreffen.

Bundespolizei

Die Bundespolizei ist im Jahr 2005 aus dem damaligen Bundesgrenzschutz hervorgegangen und hat mehr als 40.000 Bedienstete. Sie ist zuständig für den Grenzschutz und Grenzkontrollen sowie den Schutz des Bahn- und Luftverkehrs. Sie hilft auch bei der Kriminalitätsbekämpfung, wobei die Schleuserkriminalität einen Schwerpunkt bildet. Die Bundespolizei unterstützt auch die Länder bei großen Veranstaltungen wie Fußballspielen.

Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum

Das 2012 als Lehre aus der rechtsextremen NSU gegründete GETZ arbeitet ebenfalls behördenübergreifend. Es dient der Bekämpfung von Rechts-, Links- und Ausländerextremismus.

Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum

Das 2004 als Reaktion auf islamistische Bedrohungen eingerichtete GTAZ im Berliner Stadtteil Treptow konzentriert Experten für Terrorismusabwehr aller Sicherheitsbehörden an einem Ort. Die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern sind ebenso vertreten wie das BKA, die Landeskriminalämter, der BND, die Bundespolizei, das Zollkriminalamt, der MAD, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und die Generalbundesanwaltschaft. Im GTAZ wird auch über so genannte islamistische Gefährder gesprochen - auch der Berliner Attentäter war in den Monaten vor dem Anschlag mehrfach Thema.

Landespolizeien

Das Grundgesetz weist den Bundesländern grundsätzlich die Polizeihoheit zu. Daher verfügen die 16 Länder über eigene Polizeien, wozu eigene Landeskriminalämter (LKA) mit je sehr unterschiedlicher Ausstattung gehören.

Militärischer Abwehrdienst

Der MAD ist der Geheimdienst der Bundeswehr. Er hat die Aufgabe, extremistische, sicherheitsgefährdende und geheimdienstliche Bestrebungen innerhalb des Militärs zu beobachten

Verfassungsschutz

Neben dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) existieren 16 Landesbehörden. Dabei unterhalten sieben Bundesländer eigene Ämter, in den anderen ist der Verfassungsschutz als Abteilung im jeweiligen Innenressort angesiedelt. Klassische Aufgabenfelder des Inlandsgeheimdienstes sind die Beobachtung und Analyse extremistischer Bestrebungen, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten, sowie die Abwehr von Spionage fremder Staaten.

KONTEXT

Ein kleines Polizeijargon-Glossar

Nafri

Nordafrikanischer Intensivtäter

Limo

Linksmotivierter Straftäter

Remo

Rechtsmotivierter Straftäter

Ladi

Ladendieb

Rubu

Person aus Rumänien oder Bulgarien

Bap

Besonders auffällige Person

Hilope

Hilflose Person, Betrunkener

Exi

Exhibitionist

EVL

Schwarzfahrer (die Abkürzung steht für "Erschleichung von Leistungen")

Hufü

Hundertschaftsführer

Adler machen

Person wird durchsucht, muss sich mit den Händen an die Wand stellen

Fackel anmachen

Blaulicht einschalten

Gefasa

Gefangenensammelstelle

KONTEXT

Wie die innere Sicherheit gestärkt werden kann

Hintergrund

In seinem Buch "Allein unter Feinden" beschreibt der Jurist und Politik-Ressortleiter beim "Handelsblatt", Thomas Sigmund, warum sich die Deutschen zunehmend unsicher fühlen. Und er listet 15 Vorschläge für ein "Ende der inneren Unsicherheit auf".

Quelle: "Allein unter Feinden? Was der Staat für unsere Sicherheit tut - und was nicht" von Thomas Sigmund.

Quelle: "Allein unter Feinden? Was der Staat für unsere Sicherheit tut - und was nicht" von Thomas Sigmund.

Mehr Videoüberwachung

Jedem Täter muss klar sein, dass die Wahrscheinlichkeit, von der Polizei per Videoaufzeichnung überführt und später abgeurteilt zu werden, sehr hoch ist. Wir brauchen eine verstärkte Videoüberwachung - nicht nur auf Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen, sondern auch in Einkaufszentren und bei großen Veranstaltungen.

Einheitliche, moderne IT-Systeme

Die Sicherheitsbehörden, allen voran Polizei und Verfassungsschutz, brauchen schnellstmöglich ein bundesweit einheitliches IT-System, um ihre Fälle konsequent zu bearbeiten. Daten müssen über Ländergrenzen, das gilt in der Kooperation der Bundesländer ebenso wie für die europaweite länderübergreifende Zusammenarbeit, abgeglichen werden können. Neben der adäquaten technischen Ausstattung braucht es auch ganz praktische Hilfen, etwa bei der Schutzausrüstung.

Mehr Konsequenz, höhere Bußgelder

Es braucht keine weiteren Runden Tische im Kampf gegen den Hass in den sozialen Medien. Nötig ist vielmehr, das Telemediengesetz um weitere konkrete Maßnahmen zu ergänzen - und es auch durchzusetzen. Der Staat sollte umgehend empfindliche Bußgelder verhängen, wenn Internetkonzerne ihren Verpflichtungen zum Entfernen rechtswidriger Einträge nicht nachkommen.

Bessere Grenzkontrollen, härteres Durchgreifen, Prognosesoftware

Viele Täter kommen aus Rumänien, Serbien, Polen und Georgien. Stoppen kann man sie nur, indem man wirksame Grenzkontrollen durchführt. Die Grenze und ihr wirksamer Schutz sind ein Teil der rechtsstaatlichen Sicherheitsverantwortung. Das heißt nicht, dass das Schengen-Abkommen ausgesetzt werden muss. Schengen garantiert Freizügigkeit für den rechtstreuen Bürger. Aber Schengen hat nicht die Aufgabe, Freizügigkeit für Kriminelle sicherzustellen. Außerdem muss die Polizei bundesweit die Prognosesoftware "Precobs" einsetzen können, die in der Schweiz und in Teilen Deutschlands bereits erfolgreich angewandt wird.

Prognosesoftware "Precobs"

Keine Nachsicht mehr bei Vandalismus

Es muss nicht unbedingt die Null-Toleranz-Politik aus New York als Blaupause in Deutschland angewandt werden. Doch wenn es um Strafzettel, GEZ-Gebühren oder verspätet abgegebene Steuererklärungen geht, wird auch keine Nachsicht geübt. Mit der gleichen Konsequenz muss man sich auch einen Staat wünschen, der gegen die Flut an Schmierereien und Vandalismus in deutschen Städten angeht. Verordnungen dafür gibt es bereits, sie müssen nur angewandt werden.

Masterplan gegen Internetkriminalität und Cyberkrieger

Der Staat ist den neuen Bedrohungen nicht gewachsen. Die staatlichen Behörden brauchen dringend hoch qualifizierte IT-Mitarbeiter. Wenn die Bezahlung im öffentlichen Dienst ein Abwerben aus der Wirtschaft nicht möglich macht, müssen verstärkt Kooperationen mit den Unternehmen eingegangen werden. Solche Zusammenschlüsse des Staates mit Firmen gibt es bereits, beispielsweise um gegen Geldwäsche, Wirtschaftskriminalität oder internationalen Terrorismus vorzugehen. Darauf lässt sich aufbauen. Und es braucht einen Masterplan, der die richtigen strategischen Akzente und ihre praktische Umsetzung konsequent zusammenführt.

Maßnahmen gegen Hassprediger

Wenn wir den liberalen Rechtsstaat neu ausrichten wollen, um ihn besser zu schützen, müssen wir den Verfassungsschutz stärken. Vor allem aber braucht es einen Ausbau der Präventionsprogramme. Denn junge Menschen sind von den Hasspredigern zu erreichen und der Staat muss der Radikalisierungsgefahr etwas entgegensetzen. Die Integration der jungen Menschen muss oberste Priorität haben, wenn wir nicht in absehbarer Zeit eine unkontrollierbare Anzahl von potenziellen IS-Attentätern bei uns haben wollen. Wenn nur der Ansatz eines Beweises vorliegt, heißt es: Kriminelle ausländische Hassprediger ausweisen, deren Moscheen schließen.

Mehr Präsenz der Polizei, bessere Bezahlung

Die Polizei muss präsenter auf den Straßen sein. Die Bürger sollen sehen, dass Ermittlungs- und Fahndungsdruck erhöht sind. Da es aber Jahre dauern wird, bis die versprochenen neuen Polizeikräfte wirklich eingestellt und ausgebildet sind, brauchen wir eine spürbare Entlastung der Polizei von bürokratischen Aufgaben und solchen, die auch von privaten Sicherheitsdiensten übernommen werden können. Schärfere Gesetze braucht es nicht, die vorhandenen müssen nur besser umgesetzt werden. Was es aber braucht, ist eine Aufwertung - auch finanziell - des Polizeiberufes, damit dieser auch für junge Menschen attraktiv ist.

Härtere Strafen gegen den erodierenden Respekt vor Polizisten

Die Justiz muss den Vorwurf von Polizeigewerkschaftern ernst nehmen, sie verfolge Attacken gegen Staatsbedienstete entweder gar nicht oder viel zu lasch. Deshalb würden viele Angriffe erst gar nicht angezeigt oder würden, wenn doch mal ein Fall vor Gericht landete, als Kavaliersdelikte behandelt. Die Gerichte müssen den Strafrahmen der Gesetze bis zur Neige ausschöpfen. Die bestehenden Paragrafen - angefangen von Beleidigung, Nötigung, Körperverletzung bis hin zum Totschlag bieten ausreichende Strafmaße. Aber die Strafe muss auf dem Fuß folgen. Durch langwierige Verfahren oder kleine Geldbußen verpufft jeder abschreckende Effekt.

Schnelleres Abschieben von Gefährdern

Bund und Länder bekommen die Abschiebungen nicht hin. Daher muss das Kanzleramt das Thema zur Chefsache erklären. Leere Ankündigungen steigern nicht das Vertrauen in den Rechtsstaat, sie untergraben es. Der Staat erscheint schwach, obwohl hier die Bürger laut den Umfragen mehrheitlich Stärke erwarten. Die Länder müssen ausreichend Platz für die Abschiebehaft oder den Ausreisegewahrsam zur Verfügung stellen. Wichtig ist auch eine engere Kooperation zwischen den Landeskriminalämtern und den Ausländerbehörden, die näher dran sind. Die Zuständigkeit für straffällig gewordene Ausländer sollte von der Ausländerbehörde auf die Polizei übergehen. Dann wäre schon viel gewonnen. Der Bund muss am Ende das Recht zur Abschiebung haben.

Europäisches Anti-Terror-Zentrum

Die Biografien der Terroristen zeigen ihre weltweite Vernetzung. Also brauchen wir ein einheitliches europäisches Abwehrzentrum, in dem Daten aus allen EU-Ländern zusammengeführt sind. Der Schlüssel zum Erfolg liegt im Informationsaustausch. Die Forderungen nach einer neuen föderalen Sicherheitsarchitektur mit mehr Kompetenzen für den Bund sind berechtigt. Doch der Wunsch von Bundesinnenminister Thomas de Maizière nach einer Zusammenlegung der Landesämter für Verfassungsschutz ist in der Praxis nicht umsetzbar. Die Länder machen da nicht mit.

Schnell bessere Grenzsicherung der EU

Die gemeinsame Polizeibehörde Frontex ist zwar mit neuen Mitarbeitern und auch mit finanziellen Mitteln gestärkt worden, doch die Zustände in Griechenland und Italien, in denen nach wie vor Tausende Flüchtlinge unkontrolliert anlanden, sind nicht zu tolerieren. Deutschland, aber auch andere Länder wie Österreich, kann sich nicht darauf verlassen, dass das EU-Türkei-Abkommen hält und die Balkanroute geschlossen bleibt. Es bleibt deshalb keine andere Wahl, als auch darüber nachzudenken, die Bundespolizei zur Grenzsicherung einzusetzen. Die Politik braucht einen wirksamen Plan, wie eine solche Aufgabe überhaupt zu bewältigen wäre und welche Ressourcen dafür nötig sind.

Ehrliche Kommunikation

Die Populisten wollen uns glauben machen, wir könnten zurück in eine nationale Welt des 19. Jahrhunderts. Die Wahrheit aber ist: Wir befinden uns in einer globalisierten Welt im 21. Jahrhundert. Da spielen Bedrohungen wie Cyberangriffe, Terror und Wirtschaftsspionage eine überragende Rolle. Das darf kein Geheimnis sein, es muss den Menschen offen gesagt werden. Die deutschen Nachrichtendienste sind im Kampf gegen Terror vor allem auf Informationen aus den USA angewiesen. Sollte es ein nächstes "Handy-Gate" der Kanzlerin oder Ähnliches geben, gehört dies auch zur Wahrheit, die erzählt werden muss.

Gegen Vollverschleierung

Heute bedrohen uns islamistische Krieger, die unsere christlich-abendländischen Werte im Visier haben und unser liberales Gesellschaftsmodell zerstören wollen. Die Politik sollte sich bei der Entscheidung um ein Verschleierungsverbot der Realität stellen: Viele Bürger bringen kaum Verständnis dafür auf, dass sich Frauen mit Burka oder Nikab in staatlichen Gebäuden, im öffentlichen Nahverkehr, Schulen und in Krankenhäusern zeigen.

Für ein modernes Zuwanderungsgesetz

Es ist an der Zeit, dass die deutsche Politik ihre Denkblockaden überwindet. Deren Argumentation, zuerst die Asylpolitik abarbeiten zu wollen und sich dann um alles andere zu kümmern, wirkt wie aus der Zeit gefallen. Der internationale Wettbewerb um hochqualifizierte Arbeitskräfte wartet nicht darauf, dass die Parteien die nordafrikanischen Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklären oder nach einem langen Verfahren abgelehnte Asylbewerber schneller abschieben. Die besten Talente der Welt suchen ihr Glück in der Zwischenzeit anderswo.