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Merkel verteidigt Einsatz für Wirecard bei China-Reise

Bundeskanzlerin Angela Merkel sitzt vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sitzt vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss.

Nach drei Ministern nun die Kanzlerin: Bei der Aussage von Angela Merkel im Wirecard-Ausschuss geht es vor allem um eine Reise nach China - und um Lobbyisten.

Berlin (dpa) - Hinterher ist man immer schlauer, so hätte es die Kanzlerin auch ausdrücken können. Angela Merkel sagt: «Wenn man das Wissen von heute hat, stellt man sich berechtigt einige Fragen. Man hatte damals nur dieses Wissen nicht.»

Es geht um einen der größten Bilanzskandale der deutschen Nachkriegszeit, den mutmaßlichen Milliardenbetrug von Wirecard mit Schaden für Tausende Kleinanleger. Merkel steht als Zeugin vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags - und verteidigt ihre eigene Rolle in dem Fall. Politisch kann die heutige Befragung für die CDU-Politikerin kaum gefährlich werden, das war schon vorher klar. Doch unangenehm ist sie allemal.

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Offensichtlich ist es nicht, was die Kanzlerin mit dem Skandal zu tun hat. Das damalige Dax-Unternehmen Wirecard, ein scheinbar aufstrebendes Fintech-Unternehmen und deutscher Champion, musste im vergangenen Sommer einräumen, dass 1,9 Milliarden Euro aus der Bilanz nicht aufzufinden sind. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sie nie existierten und die Jahresabschlüsse - trotz aller positiven Testate von Wirtschaftsprüfern - seit Jahren gefälscht waren.

Merkel hatte Wirecard 2019 bei einem Besuch in China auf höchster Ebene angesprochen. Das Unternehmen wollte in den dortigen Markt einsteigen. Damals gab es bereits negative Medienberichte über Wirecard, Merkel jedoch betont: «Es gab damals allen Presseberichten zum Trotz keinen Anlass, von schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten bei Wirecard auszugehen.» Niemand habe ihr gesagt: «Hände weg von Wirecard.» Das Bemühen des Unternehmens um Markteintritt in China habe sich mit den Zielen der Bundesregierung zur Marktöffnung gedeckt. Es sei ganz normal, dass sie sich bei bilateralen Kontakten für die Interessen der deutschen Wirtschaft einsetze.

Die Kanzlerin braucht nicht viele Akten für ihren Auftritt im Untersuchungsausschuss: ein dünner schwarzer Ordner, ein paar locker bedruckte Seiten, von denen sie ihr Eingangsstatement abliest. Die Atmosphäre ist respektvoll. Die Abgeordneten fragen weniger harsch und aggressiv als am Vortag, als Vizekanzler Olaf Scholz aussagen musste. Der Linken-Finanzpolitiker Fabio De Masi erklärt Merkel sogar freundlich fachliche Details zum Finanzmarkt.

Als Zuhörer lernt man aber vor allem einiges über die Arbeitsweise einer Kanzlerin: Bei Reisen und bilateralen Treffen würden regelmäßig mehrere Unternehmen angesprochen, berichtet sie. «Maximal ein Satz zu jedem Unternehmen», der könne aber lang sein und viele Kommas enthalten. Es wird auch persönlich: Sie müsse in privaten Gesprächen extrem aufpassen, sagt Merkel, «ob wir jetzt die Seite wechseln und es fachlich wird».

Warum berichtet Merkel das? Kurz vor ihrer Reise nach China traf sie sich mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Er war Lobbyist für Wirecard, wies bei dem Treffen auch auf die Interessen des Unternehmens in China hin - auch wenn sich Merkel nach eigener Aussage nicht daran erinnert, dass der Name fiel. Sie sei jedenfalls sehr froh, «dass ich wach war» bei dem Gespräch: Sobald es fachlich wurde, verwies die Kanzlerin auf ihren Wirtschaftsberater, an den sich Guttenberg wenden sollte. Sie könne ja schließlich nicht in China eine Bemerkung machen, nur weil sie eine Person gut kenne, betont sie.

Guttenberg schrieb Merkels Wirtschaftsberater, der Wirecard daraufhin in die Unterlagen für den China-Besuch aufnahm. Von dem Beratermandat ihres ehemaligen Ministers bei Wirecard habe sie nichts gewusst, macht Merkel deutlich. Fühle sie sich von ihm getäuscht, fragen die Abgeordneten. «Nein, so weit würde ich nicht gehen. Aber er war ganz interessengeleitet da.» Und das schätze sie nicht.

Auch Abgeordnete von SPD und Opposition kritisieren den Lobbyismus von Guttenberg scharf. Hans Michelbach, wie Guttenberg in der CSU, entschuldigt sich sogar für seine Partei. Er sei beschämt: «Es gibt einfach Dinge, die tut man nicht, nämlich dass man eine Bundeskanzlerin für eigene Geschäfte einsetzt.»

Der FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar hält Merkels Gespräch in China für einen Fehler, wenn auch keinen böswilligen. «Es ist Wirecard gelungen, einen bezahlten Lobbyisten mit direktem Gesprächskontakt zur Bundeskanzlerin direkt vor Abflug der Bundeskanzlerin nach China ins Kanzleramt zu bringen, das Anliegen dort zu platzieren und dafür zu sorgen, dass die Bundeskanzlerin das auch eins zu eins umsetzt.» Die Abgeordneten gehen davon aus, dass Wirecard dadurch Kritiker beruhigen konnte - und dass der Bilanzskandal ohne den Einsatz der Kanzlerin vielleicht früher aufgedeckt worden wäre. Die Dramatik des Falls sei Merkel wohl erst in der Befragung wirklich klar geworden, meint der Grüne Danyal Bayaz.

Der Untersuchungsausschuss will aufdecken, wer die politische Verantwortung für den Skandal trägt. Merkel sei es sicher nicht, betonen Abgeordnete schon vor der Befragung. Sie haben eher den SPD-Politiker Scholz im Visier. Die Kanzlerin sei von ihren Leuten «hereingeritten» worden, sagt Bayaz. Aber natürlich sehe es «ziemlich blöd aus, wenn die Kanzlerin im Ausland für ein Unternehmen wirbt, das tief im kriminellen Sumpf steckt». In der Bundesregierung habe die notwendige Distanz gefehlt.

Noch deutlicher wurde Linken-Politiker Fabio De Masi: Er habe Zweifel am Wahrheitsgehalt von Merkels Erklärungen, sagte er in der SWR2-Sendung «Tagesgespräch»: «Sie hat die seltene Gabe so uneitel zu sein, dass man geneigt ist ihr abzunehmen, dass sie überhaupt keine Ahnung hatte von Wirecard. Ich glaube das allerdings nicht.» Aus den Akten gehe klar hervor, dass das Kanzleramt frühzeitig über die Probleme mit Wirecard informiert gewesen sei. Deshalb hätte sich Merkel in China nie für das Unternehmen einsetzen dürfen.

Die Kanzlerin selbst betont, generell gelte, «dass in allerletzter Konsequenz ich als Bundeskanzlerin Verantwortung trage». Tatsächlich aber sei die ganze deutsche Aufsicht objektiv nicht gut genug aufgestellt gewesen. «Das ist ganz klar.» Finanzminister Scholz hat bereits eine Reform der Bilanzprüfung vorgeschlagen. Der Chef der Finanzaufsicht Bafin, Felix Hufeld, musste seinen Posten räumen, ebenso weitere Aufseher und Wirtschaftsprüfer - auch Dank der Aufklärungsarbeit des Ausschusses.

Ursprünglich sollte Merkel die letzte Zeugin sein, der Höhepunkt zum Schluss. Doch die Abgeordneten haben weiteren Fragebedarf und sich den früheren Anwalt von Wirecard eingeladen. In der unglaublichen Geschichte Wirecards ist Merkel letztlich wohl nur ein kleines Licht.