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Merkel könnte Weidmann ins Aus taktieren

Anfang des Jahres war die Welt noch in Ordnung für Jens Weidmann. Damals schien der Bundesbank-Präsident der große Favorit für die Nachfolge des Italieners Mario Draghi als Chef der Europäischen Zentralbank. In einer Bloomberg-Umfrage unter Volkswirten lag er im Februar mit 84 von 100 möglichen Punkten weit vorne.

Mit großem Abstand folgte auf Platz zwei der französische Notenbankchef François Villeroy de Galhau mit nur 26 Punkten. Doch seither sind die Chancen, dass Weidmann seine Karriere im November 2019 mit dem EZB-Topjob krönt, deutlich gesunken.
Wie das Handelsblatt am Donnerstag unter Berufung auf hochrangige Regierungskreise berichtete, haben sich die Prioritäten von Kanzlerin Merkel inzwischen geändert: Sie will eher einen Deutschen als EU-Kommissionspräsident durchsetzen.

Damit ist das Rennen um die Draghi-Nachfolge wieder völlig offen. „Es gibt im Moment keinen offensichtlichen Favoriten“, sagt etwa Dirk Schumacher, der Europa-Volkswirt der französischen Investmentbank Natixis ist und vorher für die EZB gearbeitet hat.

Die meisten Beobachter erwarten, dass die Entscheidung erst nach den Europawahlen im Mai 2019 fällt. Das liegt vor allem daran, dass die Personalie voraussichtlich Teil eines größeren Pakets wird. Nach den Wahlen werden auch die beiden Positionen des EU-Kommissionspräsidenten und des EU-Ratspräsidenten neu besetzt.

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Doch auch andere Posten dürften eine Rolle spielen, so endet beispielsweise Ende des Monats die Bewerbungsfrist für die Nachfolge der Französin Danièle Nouy als Chefin der EZB-Bankenaufsicht, die Ende des Jahres abtritt.

Als aussichtsreichster Konkurrent Weidmanns galt bisher der französische Notenbankchef Villeroy. Der Franzose ist in geldpolitischen Fragen eher ein Pragmatiker. So hat er etwa die massiven Anleihekäufe der EZB unterstützt und verteidigt. Damit wäre er vor allem in Südeuropa leichter zu vermitteln.

Weidmann nämlich gilt besonders den Italienern als rotes Tuch. Als er im Frühjahr 2016 in einem Vortrag in Rom vor den Folgen einer zu hohen Staatsverschuldung warnte, schrieben italienische Zeitungen von einem „Torpedo aus Deutschland“ und kommentierten: „Die Bundesbank lässt Italien zu Eis erstarren.“

Auf der anderen Seite hat Villeroy sehr enge Verbindungen nach Deutschland. Seine Familie hat ihre Wurzeln im Saarland, und er spricht sehr gut Deutsch. In Vorträgen kokettiert er damit bisweilen und sagt Sätze wie: „Isch liebe Deutschland, isch liebe diese Sprache.“
Gegen ihn spricht aber, dass er eher als Vertrauter des früheren französischen Präsidenten François Hollande gilt als von dessen Nachfolger Emmanuel Macron. Mit Jean-Claude Trichet gab es zudem bereits einen EZB-Präsidenten aus Frankreich.

Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding sieht das aber nicht als großes Problem: „Sofern Frankreichs Präsident Macron sein politisches Gewicht entsprechend in die Waagschale werfen möchte, hätte Villeroy gute Chancen“, sagt er.

Der Nationalitätenproporz würde auch gegen einen anderen französischen Anwärter sprechen: EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Cœuré. Dieser hat sich bereits 2015 ein Duell mit Villeroy um den Führungsposten bei der französischen Banque de France geliefert. Gegen ihn spricht außerdem, dass in den EU-Verträgen eine Klausel steht, wonach die Amtszeit eines Direktoriumsmitglieds acht Jahre dauert und nicht verlängert werden kann.

Wie genau die Rechtslage ist, gilt aber als unklar. Die EZB hat keine offizielle Rechtsposition dazu. Dies müsste letztlich der juristische Dienst des EU-Rats klären. Viele glauben jedoch, dass sich eine Lösung finden ließe. Sollten sich die EU-Regierungschefs tatsächlich auf Cœuré einigen, könnte er etwa schon kurz nach der Europawahl aus seiner bisherigen Position im Direktorium ausscheiden und dann später ab 1. November Draghis Nachfolge antreten.

Cœuré genießt in der EZB einen exzellenten Ruf und bräuchte keine Einarbeitungszeit in der Notenbank. Seine Position deckt sich meist mit der Mehrheit des EZB-Rates, zuletzt hat er aber auch häufiger auf einen strafferen Kurs gedrängt.

Bisher kamen die Favoriten für die EZB-Präsidentschaft aus Deutschland und Frankreich. Gerade kleine Länder sehen es aber sehr kritisch, wenn beide Länder die wichtigsten Posten unter sich aufteilen. Möglich wäre daher auch ein Kompromisskandidat aus einem kleineren Land. Ein solcher wäre etwa der Niederländer Klaas Knot. Dieser gilt ähnlich wie Weidmann eher als Verfechter einer strafferen Geldpolitik. Das könnte Kritiker der lockeren Geldpolitik in Deutschland besänftigen.

Knot hätte den Vorteil, dass er in Südeuropa weitgehend unbekannt ist und daher mit weniger Widerstand aus dieser Region rechnen müsste als Weidmann. Knot hat aber ähnlich wie Weidmann im EZB-Rat oft eine Minderheitsposition vertreten.

Dies könnte zu Problemen führen, weil er als Präsident oft überstimmt werden könnte. Anders als Bundesbank, Banque de France und EZB ist die niederländische Notenbank zudem vergleichsweise klein. Noch hat Knot nicht bewiesen, dass er auch eine so große Organisation führen könnte.
Neben Knot werden dem irischen Notenbankchef Philip Lane und seinem estnischen Amtskollegen Ardo Hansson Außenseiterchancen eingeräumt. Beide haben einen guten akademischen Ruf, jedoch haben Estland und Irland keine große Lobby in Brüssel. Sowohl Lane als auch Hansson wären daher wohl eher Kandidaten für die Nachfolge von Peter Praet als EZB-Chefvolkswirt.

Wie auch immer das Rennen letztlich ausgeht: Viele Ökonomen glauben, dass dies keinen großen Einfluss auf die Geldpolitik der EZB hätte. Aber nicht alle: „Wir rechnen mehr denn je nicht mit einem klassischen Zinserhöhungszyklus“, schreibt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer im Hinblick auf die schwindenden Chancen Weidmanns. Die EZB hat angekündigt, dass sie ihre milliardenschweren Anleihekäufe zum Jahresende auslaufen lassen will. Die Leitzinsen aber will sie bis mindestens Ende des Sommers 2019 auf dem bisherigen Niveau von null Prozent belassen.

Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding hält die Folgen eines Führungswechsels für die Geldpolitik für „außerordentlich gering“. Unterschiede sieht er vor allem in einer Krise, wo es manchmal auf die schnelle Reaktion der Person an der Spitze ankomme. Ähnlich äußert sich Dirk Schumacher. „Am Ende des Tages bestimmen die Daten zu einem großen Teil den Pfad der Geldpolitik.“ Und die Daten gehorchen keiner Nationalität.