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Was von Merkel bleibt: Fünf ungelöste Probleme der Kanzlerin

(Bloomberg) -- Angela Merkels bemerkenswerte politische Karriere hat sie zur ersten weiblichen Regierungschefin Deutschlands und - in den Augen ihr Wohlgesonnener - unumstrittenen Königin Europas gemacht. Als unermüdliche Kämpferin für multilaterale Ansätze der Konfliktbewältigung hat die scheidende Bundeskanzlerin Gegner wie Verbündete im In- und Ausland überdauert. Doch trotz all ihrer Tugenden als Krisenmanagerin geht dem Deutschland, dem Merkel ihren Stempel aufgedrückt hat, die Puste aus.

Zuletzt hat die Coronavirus-Pandemie die schwindenden Kräfte des bevölkerungsreichsten Landes im Herzen Europas schonungslos offengelegt. Aber auch schon vorher wurde die größte Wirtschaftsmacht des Kontinents von zunehmender Unsicherheit, Orientierungslosigkeit und Unentschlossenheit über ihren Platz in der Welt heimgesucht. Einige der aufgestauten Probleme sind eine direkte Folge von Merkels Entscheidungen. Andere hat sie zu einem späteren Zeitpunkt lösen wollen, der niemals kam. Wieder andere lagen außerhalb ihrer Kontrolle. Während Merkel sich darauf vorbereitet, den Staffelstab zu übergeben, bleiben diese Hinterlassenschaften eine gewaltige Herausforderung für ihre Nachfolge.

Autos und Technologie

Ein analoges Land in einer digitalen Welt

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Ein Warnsignal kommt aus der Automobilbranche. Die deutschen Hersteller haben den Wetterumschwung in Richtung elektrischer Antriebe verschlafen und, unterstützt von der Regierung, den Standpunkt verteidigt, der Diesel könne ein kleiner Schritt in Richtung weniger Emissionen sein. Der Dieselskandal von 2015 war das jähe Ende dieser Kopf-in-den-Sand-Strategie und der Beginn einer demütigenden Aufholjagd auf Tesla.

Während VW, Daimler und BMW die Ressourcen haben, um in diese Transformation zu investieren, gilt das keineswegs für hunderte kleiner Getriebe-, Kolben- und Auspuff-Zulieferer, deren Produkte im Elektrozeitalter nicht mehr benötigt werden. Da Batterien aus Asien kommen und ohnehin weniger Personal für die Produktion von Elektroautos nötig ist, werden laut einer Studie des Ifo-Instituts bis 2030 mindestens 215.000 Beschäftigte - etwa ein Viertel der Arbeitsplätze in der Branche - durch die Verlagerung der Wertschöpfungskette überflüssig. Für diejenigen, die übrig bleiben, bringt die Beherrschung des Verbrennungsmotors wenig Vorteile bei der Herausforderung, gegen Elon Musk bestehen und neue Bedrohungen durch Apple und Google abwehren zu müssen.

Die Probleme der Autoindustrie sind ein Spiegelbild der schwierigen deutschen Beziehung zur Technik. Das Land war im 20. Jahrhundert eine Supermacht bei der Herstellung von Dingen aus Metall. Aber es hat die digitale Welt immer noch nicht voll verinnerlicht, wie jeder bestätigen kann, der sich während des Lockdowns mit den Servern seines Büros verbinden musste.

Trotz ihres wissenschaftlichen Hintergrunds hat Merkel Technologie nie wirklich verstanden. Im Jahr 2013, 15 Jahre nach der Gründung von Google, bezeichnete sie das Internet noch als “Neuland”. Die Folgen davon sind überall im Land sichtbar, von schlechtem W-Lan und dem Mangel an Programmierern bis hin zur Abhängigkeit von Ingenieursunternehmen der alten Schule und der Naivität von Regulierungsbehörden, die zum Debakel rund um Wirecard beigetragen hat.

China

Erst machte es Deutschland reich, dann schwach

Deutsche Unternehmen waren frühe und begeisterte Nutznießer von Chinas Boom. Eine wachsende chinesische Mittelschicht verschlang Luxusmarkenprodukte wie Autos von Mercedes-Benz, während billige Arbeitskräfte in chinesischen Fabriken wichtige Teile für hunderte von Familienbetrieben produzierten, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden. Eine vorsichtige Merkel versäumte es jedoch, China wegen seiner Menschenrechtspraktiken unter Druck zu setzen oder seiner Methoden, mit dem Westen gleichzuziehen. Jetzt ist es zu spät.

China ist eine Supermacht, die auf bestem Weg ist, die USA zu verdrängen. Bald braucht sie Technologie “Made in Germany” nicht mehr. Chinas eigene Technologie ist häufig genauso gut, aber Deutschlands exportlastige Wirtschaft bleibt auf chinesische Abnehmer angewiesen und Berlin ist jetzt mitten in einem Handelskrieg zwischen den USA und China gefangen. Merkel hat selbst eingeräumt, dass die Nachkriegsordnung, die Deutschland aufblühen ließ, vorbei ist. Aber sie hat trotzdem nicht antizipiert, wie sich das wirtschaftliche Blatt wenden würde und Deutschland damit mehr denn je von Exporten nach China abhängig gemacht.

Öffentliche Ausgaben

Wird Deutschland sich trauen, seine Schlagkraft zu nutzen?

Trotz all des Gegenwindes hat die deutsche Regierung immer noch die finanzielle Schlagkraft, um fast alle Herausforderungen zu meistern. Die Frage ist nur, ob sie diese auch einsetzt.

Merkels Mantra des ausgeglichenen Haushalts, bekannt als Schwarze Null, war für ihre Anhänger von symbolhafter Bedeutung und trieb den Schuldenstand weit unter das Niveau anderer Länder. Da die Wirtschaft brummte und die Arbeitslosigkeit auf ein Rekordtief fiel, konnte sie Kritiker, die das für eine Vergeudung fiskalischer Gestaltungsspielräume hielten, leicht auflaufen lassen. Der Ansatz wurde dann verworfen mit der Bereitstellung von hunderten von Milliarden Euro an Hilfen, um Unternehmen und Arbeitsplätze über Wasser zu halten, als im letzten Jahr der Lockdown begann. Jetzt tobt die Debatte darüber, ob er wieder angewandt werden soll.

Die Grünen wollen mehr öffentliche Investitionen für die Energiewende. Merkels Erben fordern einen vorsichtigeren Ansatz. Das Ergebnis wird sich auf die Renditen von Vermögenswerten in Höhe von Billionen Euro auswirken, auf den Vorstoß der Europäischen Union, den Ausstoß von Kohlendioxid zu beenden und sogar auf die Position der EU im globalen Wettbewerb mit den USA und China.

Deutschland muss sein Wachstum ankurbeln, wenn es im 21. Jahrhundert wirtschaftlich stark bleiben will. Während es sich in den letzten 50 Jahren gut behauptet hat, holen Schwellenländer zügig auf.

Energie

Frei von Atomkraft, aber Putin im Nacken

Während Deutschland darüber nachdenkt, wie es in der digitalen Welt zu den USA und China aufschließen kann, muss das Land einen weiteren Wandel mit vielleicht noch weitreichenderen Konsequenzen bewältigen: die Energiewende.

Die meisten Länder kämpfen bereits mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung jetzt, wo die Welt den Klimawandel ernsthaft angehen will. Doch nur Deutschland schaltet gleichzeitig eine weitere wichtige Stromquelle ab - die Kernenergie.

Dies ist auf Merkels reflexartige Entscheidung von 2011 zurückzuführen, nach der Katastrophe von Fukushima die deutschen Reaktoren abzuschalten. Seitdem hat die Regierung Milliarden an Entschädigungen an die Stromkonzerne gezahlt, aber kein Netz gebaut, das Strom von den Turbinen im windreichen Norden zu Industriezentren im Süden transportieren kann. Und es gibt immer noch keinen ausgereiften Plan, um Strom zu speichern, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht.

Damit ist Deutschland zunehmend auf Erdgas und seinen Hauptlieferanten Russland angewiesen. Das lässt europäische Verbündete an Deutschlands Entschlossenheit gegenüber Russlands böswilligem Vorgehen zweifeln. Eine US-Regierung nach der anderen fordert einen Kurswechsel.

Die deutsche Regierungschefin unterstützt dennoch weiterhin die Gaspipeline Nord Stream 2, auch wenn sie Putins Regierung beschuldigt, mit der Annexion der Krim, der Unterstützung von Separatisten in der Ostukraine und einer Reihe zunehmend aggressiver Cyberangriffe gegen internationales Recht zu verstoßen.

Politik

Einst stark und stabil, hat die älteste politische Kraft Deutschlands an Rückhalt verloren

In einem Land, das neue Ideen braucht, wirkt Merkels Union zunehmend orientierungslos, vor allem angesichts interner Machtkämpfen während der Pandemie. Merkel mag beliebt sein, aber in ihrer Partei dreht sich alles um ältere, weiße Männer. Ihr möglicher Nachfolger, der 60-jährige Armin Laschet, ist gerade mal sechs Jahre jünger als Merkel. Darüber hinaus gibt es Anzeichen, dass viele Deutsche Veränderungen in der CDU gutheißen würden.

Indem sie ihre Christdemokraten mehr in die politische Mitte rückte, exponierte Merkel die rechte Flanke der Union und verlor Wählerstimmen an die Alternative für Deutschland.

Deutschland hatte seit der Wiedervereinigung noch nie eine so zersplitterte politische Landschaft und trotz eines Aufwärtstrends in den jüngsten Umfragen sahen die längerfristigen Aussichten für die Union - historisch der Garant für Stabilität - noch nie so schlecht aus.

Überschrift des Artikels im Original:

Five Big Problems Merkel Is Leaving Next German Leader to Tackle

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