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Mercks Doppelangriff gegen den Krebs

Das führende Medikament, mit dem der Darmstädter Merck-Konzern seine Position im Krebsgeschäft ausbauen will, heißt bisher Bavencio Mit der Zulassung für das Krebsimmun-Medikament im vergangenen Jahr konnte Merck ein Comeback in der Pharmaforschung feiern.

Das kommerzielle Potenzial bleibt allerdings unsicher. Bavencio gehört zwar zur hochgelobten Klasse der „Checkpoint-Inhibitoren“, einer Wirkstoffgruppe, die Tumorzellen den Schutz vor dem Immunsystem entziehen. Im Wettbewerb mit den großen Konkurrenten wie Bristol-Myers Squibb (BMS), Roche und dem amerikanischen Namensvetter Merck & Co erscheinen die Darmstädter aber eher abgeschlagen.

Während die Konkurrenz bereits zehn Milliarden Dollar Umsatz mit solchen Checkpoint-Inhibitoren erzielt, beschränken sich die Bavencio-Erlöse bisher auf eine zweistellige Millionensumme. Der Wirkstoff ist bisher nur für zwei Nischen-Indikationen zugelassen und hat in Studien gegen Lungen- und Magenkrebs zuletzt enttäuscht.

Das Management des Darmstädter Konzern lässt sich davon wenig beeindrucken. Pharma-Strategiechef Rehan Verjee und Forschungsleiter Luciano Rossetti präsentierten kürzlich in einer Telefonkonferenz mit Analysten vielmehr eine Fünf-Säulen-Strategie im Onkologiebereich.

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Ein Pfeiler bleibt dabei das Top-Produkt Bavencio, das Merck und US-Partner Pfizer weiterhin in diversen zulassungsrelevanten Studien gegen sechs unterschiedliche Krebsarten testen. Hinzu kommt eine Palette an weiteren Immunmedikamenten und anderen zielgerichteten Wirkstoffen, die der Konzern in früheren Entwicklungsphasen testet.

Als potenziell interessantestes Mittel in der Pipeline von Merck entpuppt sich dabei mehr und mehr ein Wirkmolekül, das der Konzern unter dem Kürzel M7824 führt und wissenschaftlich als „Anti-PD-L1/TGF-beta-Trap“ klassifiziert wird. Es handelt sich dabei im Prinzip um eine Art Schwert mit doppelter Klinge. Es greift zum einen an der gleichen Stelle an wie Bavencio, indem es ein Signalmolekül (PD-L1) blockiert, mit dem Tumorzellen die körpereigene Immunabwehr in die Irre führen.

Gleichzeitig fängt der Wirkstoff aber auch den Botenstoff TGF-beta ab, der ebenfalls Immunzellen hemmt, die Bildung von PD-L1-Rezeptoren anregt und Krebszellen in ihrem Wachstum begünstigt. Das zweifache Wirkprinzip, so die Hoffnung bei Merck, könnte M7824 zu einem besonders potenten Krebsimmun-Medikament machen, einer Art Super-Checkpoint-Inhibitor, der auch die etablierten Konkurrenzprodukte wie Opdivo und Keytruda von BMS und Merck & Co übertrifft.

Experten sehen große Chancen für den Wirkstoff

Noch ist es viel zu früh, um das neuartige Molekül von Merck sicher einzuschätzen. Der Wirkstoff mit der TGF-Beta-Falle befindet sich derzeit noch in der ersten von drei klinischen Testphasen. Allerdings zeigte er dabei schon Resultate, die auch bei externen Experten und Analysten für Aufsehen sorgten.

So registrierte Merck bei der Behandlung von Lungenkrebspatienten Ansprechraten von 27 Prozent insgesamt, von 41 Prozent bei Patienten mit PD-L1-positiven Tumoren und von 71 Prozent bei Patienten mit besonders hohem PD-L1-Status. Das sind bessere Resultate als zum Beispiel Keytruda, das derzeit führende Immun-Medikament zur Lungenkrebsbehandlung, erzielte.

Merck will nun eine größere, so genannte Phase-II-Studie mit dem Wirkstoff in Lungenkrebs starten. Sie soll, wenn es gut läuft, bereits genügend Daten für eine erste vorläufige Zulassung liefern. „Das könnte für Merck noch eine echte Chance eröffnen, auch in der Erstlinien-Behandlung von Lungenkrebs eine größere Rolle zu spielen“, glaubt Pharmaexperte Daniel Wendorff von der Commerzbank. David Evans von Kepler Chevreux traut dem Wirkstoff zu, zum besten in seiner Klasse zu werden.

Allerdings sind solche Prognosen noch mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Die Zahl der behandelten Patienten ist bisher noch vergleichsweise gering. Experten von JP Morgan verweisen vor dem Hintergrund darauf, dass auch andere Krebsimmunmedikamente in Phase-I-Studien hohe Wirkungsgrade zeigten, diese aber in nachfolgenden umfangreicheren Tests nicht gehalten werden konnten. Eine direkte Vergleichsstudie mit dem aktuell führenden Krebsimmunmedikament Keytruda (von Merck & Co) sei daher womöglich riskant für Merck.

Trotzdem hat Merck inzwischen bereits die Suche nach einem Partner für die Entwicklung des Wirkstoffs gestartet. „Wir sehen erhebliche Möglichkeiten für das Molekül und wollen das Potenzial voll erschließen“, sagt Strategiechef Verjee. Ziel sei es, M7824 auch bei einer ganzen Reihe anderer Krebsarten einzusetzen, so etwa bei Tumoren, die von dem HPV-Virus ausgelöst werden. Auch hier lieferten erste Tests vielversprechende Resultate.

Allianzen federn die finanziellen Risiken ab

Manche Analysten trauen es dem Darmstädter Konzern zu, dass er für den Medikamenten-Kandidaten einen ähnlich lukrativen Deal abschließen könnte wie für Bavencio. Hier hatte sich 2014 der US-Konzern Pfizer mit einer Abschlagszahlung von 678 Millionen Euro in eine Entwicklungspartnerschaft mit Merck eingekauft. Darüber hinaus sagte Pfizer dem Darmstädter Konzern erfolgsabhängige Zahlungen von weiteren bis zu 1,7 Milliarden Euro zu.

Für Merck bieten solche Allianzen eine willkommene Möglichkeit, die finanziellen Risiken der Pharmaforschung abzufedern. Denn mit etwa sechs Milliarden Euro Umsatz und 1,6 Milliarden Euro Forschungs-Budget gehört der Darmstädter Konzern in der Pharmabranche nur zu den mittelgroßen Akteuren. Aktuell rangiert er in etwa auf Position 28 unter den weltweit führenden Arzneimittelherstellern.

Im Vergleich zu Großkonzernen wie Pfizer, Roche oder Novartis fehlt es Merck sowohl an Finanzkraft als auch an Vertriebsstärke, um ein erfolgversprechendes Molekül auf ganz breiter Basis zu entwickeln und im Markt durchzusetzen. Andererseits genügen für den Konzern auch bereits moderate Produkterfolge, um die eigene Pharmasparte auf Wachstumskurs zu halten. Gemessen daran gilt die Forschungs-Pipeline der Darmstädter derzeit als ausgesprochen solide.

So verfügt Merck im Onkologiebereich derzeit mit Wirkstoff Tepotinip noch über einen weiteren Kandidaten, der in fortgeschrittenen Studien gegen Lungen- und Lebertumore mit einer spezifischen Genmutation getestet wird. Darüber hinaus arbeitet die Merck-Forscher an einer Reihe von Frühphasenprojekten, darunter Wirkstoffe, die in den DNS-Reparaturmechanismus von Tumorzellen eingreifen sollen.

Auch für Bavencio sieht der Konzern trotz der starken Konkurrenz weiterhin Chancen, in Segmenten mit größerem Umsatzpotenzial zum Zuge zu kommen. Bisher ist der Wirkstoff nur zur Behandlung einer relativ seltenen Hautkrebsart und bestimmter Formen von Blasenkrebs zugelassen.

Darüber hinaus testen Merck und Pfizer den Wirkstoff gegen fünf weitere Krebsarten, darunter Lungen-, Magen- und Nierenkrebs. Eine Vorreiterrolle könnte das Medikament nach Einschätzung von Rossetti bei der Immuntherapie gegen Eierstockkrebs übernehmen. Hier erwartet Merck für das vierte Quartal die Resultate einer zulassungsrelevanten Studie.