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Merck hat wieder auf Angriffsmodus umgeschaltet

Alles hat seine Zeit. An dieses biblische Motto erinnert zuweilen die Entwicklung der Darmstädter Merck-Gruppe. Im vergangenen Jahr war bei dem ältesten Arzneimittel- und Chemieunternehmen der Welt die große Jubiläumsfeier zum 350-jährigen Bestehen angesagt.

Was Geschäft und Expansion betrifft, legte der Traditionskonzern dagegen eine Pause ein. Der operative Gewinn schrumpfte, und statt Ausbau stand mit dem Verkauf der Consumer-Health-Sparte an Procter & Gamble erst einmal eine Verkleinerung der Merck-Gruppe auf dem Programm.

Inzwischen jedoch ist das Jubiläum vorbei und der Alltag in Darmstadt wieder eingekehrt. Und das heißt: Es geht operativ aufwärts, und die M & A-Abteilung hat wieder auf Angriffsmodus umgeschaltet. Mit der im Februar vereinbarten Forschungsallianz mit Glaxo-Smithkline und vor allem dem kürzlich besiegelten Kauf des US-Spezialchemieherstellers Versum für 5,8 Milliarden Euro setzt Merck den Reigen seiner Milliardendeals fort. Nach Serono, Millipore, AZ Electronics und Sigma Aldrich ist Versum die fünfte Großakquisition des Konzerns seit 2007.

Auch aus dem Blickwinkel der Börse hat Merck die Jubiläumspause längst beendet. Von ihrem Allzeithoch, das die Aktie 2017 mit 114 Euro erreichte, ist sie zwar immer noch ein Stück entfernt. Immerhin können sich die Aktionäre aber über 17 Prozent Kursgewinn binnen Jahresfrist freuen – und damit über eine deutlich bessere Performance als die Anteilseigner von Konkurrenten wie BASF oder Bayer.

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Allein durch den Jahresabschluss 2018, den Firmenchef Stefan Oschmann am Freitag zur Hauptversammlung präsentiert, lässt sich die solide Börsenperformance indessen kaum begründen. Denn die Bilanz für das „Übergangsjahr“ 2018 vermittelt ein eher zwiespältiges Bild: Zwar verbuchte Merck unter dem Strich mit knapp 3,4 Milliarden Euro den zweithöchsten Nettogewinn in der Firmengeschichte. Doch der ist überwiegend einem Veräußerungsgewinn von netto 2,6 Milliarden Euro aus dem Verkauf der Consumer-Sparte zu verdanken.

Klammert man diesen Effekt aus, waren praktisch alle Ertragskennziffern des Konzerns 2018 rückläufig. So sank das reguläre Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) um rund 29 Prozent, der Gewinn vor Steuern um 31 Prozent und der Nettogewinn aus dem fortgeführten Geschäft sogar um 57 Prozent. Gemessen an diesen Ertragsgrößen, ist Merck fast wieder auf das Niveau von 2014 zurückgefallen.

Allerdings wird die Entwicklung durch negative Währungseinflüsse und mehrere Einmaleffekte überzeichnet. So profitierte das ausgewiesene Betriebsergebnis 2017 von einem Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der Biosimilar-Aktivitäten. Hinzu kam eine Meilensteinzahlung des Forschungspartners Pfizer, die sich 2018 nicht wiederholte. Der Saldo aus sonstigen Erträgen und Aufwendungen fiel dadurch wesentlich ungünstiger aus.

Hinzu kommt ein steuerlicher Sondereinfluss: Während 2017 die US-Steuerreform noch einen Steuerertrag bescherte, hat sich die Situation 2018 wieder normalisiert. Allein das hat sich mit fast 800 Millionen Euro im Nettoergebnis niedergeschlagen.
Aber selbst wenn man diese Effekte ausklammert, war der operative Gewinntrend bei Merck negativ, wie nicht zuletzt die bereinigten Ertragskennziffern des Unternehmens deutlich machen.

Das sogenannte „Ebitda pre“, also der Betriebsgewinn vor Abschreibungen und bestimmten Aufwandpositionen wie Restrukturierungs- und akquisitionsbedingte Kosten, sank laut Merck um gut ein Zehntel auf 3,8 Milliarden Euro. Der bereinigte Gewinn je Aktie ging um 14 Prozent auf 5,10 Euro zurück. Auch auf adjustierter Basis ist damit der operative Gewinn von Merck im zweiten Jahr in Folge geschrumpft, ebenso wie die operative Marge.

Weiterhin schwach entwickelte sich auch der Cashflow. Der operative Mittelzufluss schrumpfte um knapp ein Fünftel auf 2,2 Milliarden Euro, der Free Cashflow um 13 Prozent auf nur noch 1,2 Milliarden Euro, den niedrigsten Wert seit sieben Jahren.

Anders als etwa bei Bayer sind die operativen Schwächen im Falle Mercks nicht den Akquisitionen anzulasten. Ein näherer Blick in die Zahlen legt vielmehr den Schluss nahe, dass die M & A-Strategie der Darmstädter solide funktioniert und dem Konzern weder Prozessrisiken noch größere operative Probleme beschert hat. Das Life-Science-Geschäft, wo mit Millipore und Sigma-Aldrich die größten Zukäufe der letzten Jahre erfolgten, zeichnet sich vielmehr durch kräftiges und stetiges Wachstum aus. Die

Sparte avancierte 2018 mit 1,9 Milliarden Euro Ebitda sogar erstmals zum Topverdiener des Merck-Konzerns und dürfte 2019 weiter zulegen.

Gebremst wurde Merck stattdessen im angestammten Pharma- und Chemiegeschäft. Die Gesundheitssparte, die nach dem Verkauf der Selbstmedikation nur noch das Geschäft mit rezeptpflichtigen Medikamenten umfasst, konnte zwar den Umsatz organisch weiter steigern. Dabei verschob sich der Produktmix jedoch weiter in Richtung älterer, patentfreier und margenschwächerer Medikamente wie Concor (Bluthochdruck) und Glucophage (Diabetes), die in Asien mit kräftigem Wachstum glänzten.

Hinzu kamen rückläufige Lizenzerlöse bei steigenden Forschungskosten. Der ausgewiesene Betriebsgewinn der Sparte halbierte sich daher auf 731 Millionen Euro, das bereinigte Ebitda sank um zwölf Prozent auf 1,5 Milliarden Euro.

Allerdings zeichnet sich schon für das laufende Jahr eine nachhaltige Trendwende ab, vor allem dank der neu zugelassenen Krebs- und Multiple-Sklerose-Medikamente, die 2019 immerhin eine halbe Milliarde Euro Umsatz liefern könnten.

Die Pharmasparte dürfte damit auch ertragsmäßig wieder auf den Wachstumskurs zurückfinden – mit der Aussicht auf mehr als 20 Prozent plus beim Betriebsgewinn vor und nach Abschreibungen.

Ungebrochen im Abwärtstrend dagegen befindet sich die Sparte Performance Materials, bedingt im Wesentlichen durch anhaltenden Preisdruck im bisher extrem profitablen Flüssigkristallgeschäft.

So erscheint es logisch, dass Merck diese Sparte nun mit einem Zukauf verstärkt. Mit dem geplanten Kauf von Versum untermauert der Darmstädter Konzern zugleich seine Strategie, die operativen Risiken breiter zu streuen. Versum wird knapp 1,2 Milliarden Euro Umsatz und rund 380 Millionen Euro adjustiertes Ebitda mitbringen.

Die Sparte Performance-Materials wird damit zum wichtigen Vorlieferanten für die Halbleiterindustrie. Sie gewinnt im Merck-Konzern damit wieder an Gewicht, denn künftig wird sie etwa 23 Prozent zum Umsatz beitragen.

Im Gegenzug geht Merck bilanziell wieder stärker ins Risiko, nachdem man 2018 die Verschuldung durch den Verkauf der Consumer-Sparte noch kräftig auf 6,7 Milliarden Euro reduzierte. Wird der Versum-Deal wie geplant im zweiten Halbjahr vollzogen, dürfte Merck das Jahr 2019 mit einer Nettofinanzverschuldung von um die zwölf Milliarden Euro beenden, was in etwa dem dreifachen Ebitda entspricht.

Der Konzern leistet sich damit zwar einen ähnlich hohen Verschuldungsgrad wie Bayer, ist dabei aber weder mit besonderen Rechtsrisiken noch mit größeren Konzernumbaumaßnahmen belastet.

Rückhalt für den neuen Expansionsschritt gibt zudem der positive Ertragstrend im Pharma- und Life-Science-Geschäft. Die Chancen für Merck stehen insofern gut, den Verschuldungsgrad zumindest teilweise durch steigende Erträge zu mindern.

Gemessen an den bisherigen Prognosen, zeichnet sich für 2019 ein Anstieg des bereinigten Ebitda um gut ein Zehntel auf mehr als vier Milliarden Euro ab. Im Folgejahr könnte es, inklusive Versum, in Richtung fünf Milliarden Euro wachsen. Auch der Free Cashflow dürfte ab 2019 wieder zulegen, trotz steigender Sachinvestitionen.

Zum anderen verfügt der Darmstädter Konzern nach wie vor über Manövriermasse mit Blick auf mögliche Desinvestitionen. Kleinere Einheiten könnte Merck ohne Weiteres abgeben, ohne die Grundausrichtung als „Wissenschafts- und Technologieunternehmen“ infrage zu stellen. Dazu zählt die Allergietochter Allergopharma, womöglich auch das Pigmentgeschäft im Chemiebereich.
Entsprechend der bisherigen Strategie wären das die logischen Manöver, um die Bilanz wieder zu entlasten – und zugleich den Spielraum für den nächsten Deal zurückzugewinnen.


Die Stärken und Schwächen von Merck

Stärke 1: Life-Science im Aufwind

An der Grundkonstellation des Merck-Konzerns hat sich im Jubiläumsjahr 2018 wenig geändert. Im Gegenteil: Manche Eigenschaften treten noch akzentuierter hervor. Das gilt etwa für die Life-Science-Sparte, in der Merck das Geschäft mit Laborreagenzien und anderen Materialien für die Biotechforschung und -produktion zusammengefasst hat.

Der Aufbau dieses Segments mit den großen Akquisitionen von Millipore und Sigma-Aldrich hat Merck zwar beachtliche 18 Milliarden Euro gekostet. Die bisherigen Zahlen bestätigen indessen die Strategie dahinter: Das Geschäft erweist sich für Merck als relativ wachstumsstarker, stetiger und konjunkturresistenter Stabilitätsfaktor, der zumindest einen Teil der Schwächen bei Pharma und Performance-Materialien auffangen konnte.

2018 legte die Sparte trotz negativer Währungseffekte um fünf Prozent auf 6,2 Milliarden Euro Umsatz zu. Sie konnte dabei ihr Betriebsergebnis um ein Viertel auf gut eine Milliarde Euro und das bereinigte Ebitda noch um drei Prozent steigern. Klammert man die rein akquisitionsbedingten Abschreibungen auf immaterielle Assets aus, errechnet sich eine Rendite von etwa 7,3 Prozent auf das eingesetzte Vermögen der Sparte von 20,8 Milliarden Euro.

Das reicht zwar noch nicht, um die Kapitalkosten von 8,8 Prozent vor Steuern zu verdienen, aber der Trend zeigt weiter in die richtige Richtung und die Wachstumsperspektiven erscheinen solide. Für 2019 stellt Merck mehr als vier Prozent Umsatzplus und eine leichte Verbesserung der Margen in Aussicht.

Und auch längerfristig könnte es aufwärtsgehen für die Sparte. Denn der Markt expandiert weiter und bietet zudem Möglichkeiten, kleinere Spezialisten zu übernehmen. Biotechnisch hergestellte Medikamente gewinnen im Pharmabereich weiter an Bedeutung, vor allem Schwellenländer wie China investieren massiv auf dem Gebiet.

Hinzu kommen neue, vielversprechende Biotech-Anwendungsfelder, etwa im Bereich der synthetischen Biologie, des Genom-Editings oder der Lebensmittelkontrolle. Als einer der drei führenden Anbieter auf dem Gebiet ist Merck bestens positioniert, um an diesem Wachstum teilzuhaben. Nicht umsonst betrachten manche Analysten die Life-Science-Sparte bereits als neue Perle von Merck.

Stärke 2: Starke Asien-Präsenz

Das Asiengeschäft gehört zu den Qualitäten des Merck-Konzerns, die häufig übersehen und leicht unterschätzt werden. Relativ zu seiner Größe indessen ist der Darmstädter Konzern in der Region in einem Ausmaß vertreten wie nur wenige andere westliche Konzerne. Immerhin bestreitet Merck rund ein Drittel seines gesamten Geschäfts in Asien. Zum Vergleich: Bei den Konkurrenten Bayer, BASF oder den Pharmakonzernen Novartis und Roche liegen die Umsatzanteile des Asiengeschäfts zwischen 20 und 23 Prozent.

Grundlage für die ungewöhnlich starke Asienpräsenz ist die herausragende Stellung von Merck im Bereich der Display-Materialien, insbesondere der Flüssigkristalle. Die Kunden für diese Produkte sitzen fast ausschließlich in Ländern wie Japan, Korea und China. Die Sparte Performance Materials macht daher 80 Prozent ihrer Umsätze in Asien.

Aktuell könnte man diese Struktur im Chemiegeschäft zwar auch als gewisse Belastung betrachten. Immerhin steht das Display-Geschäft von Merck aufgrund wachsender chinesischer Konkurrenz unter Druck.

Der Wert des Asiengeschäfts indessen zeigt sich auch in den beiden anderen Sparten relativ deutlich. Im Pharmageschäft etwa kompensierten vor allem wachsende Asienerlöse mit etablierten Produkten wie dem Diabetesmittel Glucophage die Umsatzeinbußen beim Bestseller Rebif auf den westlichen Märkten. Die Life-Science-Sparte profitierte von der kräftig steigenden Nachfrage aus der chinesischen und koreanischen Biotechbranche.

Trotz der aktuellen Schwächephase bei Flüssigkristallen ist der Asienanteil am Gesamtumsatz von Merck daher in den letzten beiden Jahren nicht gesunken, sondern sogar noch um zwei Punkte auf 33,5 Prozent gewachsen. In der Gesundheitssparte allein legte er von 20 auf 24 Prozent zu.

Das spricht dafür, dass der Konzern sein Asien-Know-how über die gesamte Breite des Geschäftsportfolios nutzen kann. Allein in China will Merck den Umsatz in den nächsten Jahren auf rund 3,6 Milliarden Euro verdoppeln. Die Präsenz in der Region könnte damit einen wesentlichen Beitrag leisten, um den Darmstädter Konzern wieder auf einen stärkeren Wachstumskurs zu bringen.

Schwäche 1: Risiken in der Bilanz

Anders als viele Konkurrenten im Chemie- und Pharmasektor setzt Merck weiter auf Diversifikation, mit der Präsenz in gleich drei unterschiedlichen, wenn auch miteinander verwandten Industrien (Chemie, Pharma und Biotechnologie). Das sichert dem Konzern einen operativen Risikoausgleich.

Gleichzeitig nimmt er auf finanzieller Ebene aber auch höhere Risiken in Kauf als viele seiner stärker fokussierten Wettbewerber. Dieses Wechselspiel zwischen Bilanz und Geschäft bestätigt sich einmal mehr mit den jüngsten Transaktionen des Konzerns. Durch den Verkauf des Consumer-Health-Geschäfts hat Merck zum Jahresende 2018 seine Nettoverschuldung deutlich auf 6,7 Milliarden Euro verringert, zugleich aber auch die Diversifikation reduziert. Die Gesundheitssparte konzentriert sich künftig voll auf das innovationsgetriebene Geschäft mit rezeptpflichtigen Arzneien.

Die Gegenbewegung folgte umgehend mit dem jüngst vereinbarten Kauf des US-Spezialchemieherstellers Versum. Merck verbreitert damit das Portfolio seiner Chemiesparte, nimmt zugleich aber auch einen deutlichen Wiederanstieg der Verschuldung auf etwa zwölf Milliarden Euro – oder rund das Dreifache des Ebitda – in Kauf. Der Verschuldungsgrad der Darmstädter wird damit Ende des Jahres wohl wieder deutlich über den Durchschnittswerten der Pharma- und der Chemiebranche liegen.

Ähnliches gilt für die Aktivseite der Bilanz. Geschäftswerte und andere immaterielle Assets übersteigen das Eigenkapital heute bereits um ein Fünftel und repräsentieren insgesamt rund 56 Prozent der Bilanzsumme von Merck. Mit der Übernahme von Versum dürfte der Anteil auf deutlich über 60 Prozent steigen – ein Wert, der selbst in der akquisitionsfreudigen Pharmabranche nur von wenigen Firmen übertroffen wird.

Anders als im Falle Bayer sind bei Merck zwar keinerlei Schwächen in den zugekauften Aktivitäten zu erkennen. Aber sollte der Wind doch einmal drehen, besteht auch bei dem Darmstädter Konzern ein Risiko hoher Abschreibungen. Gleichzeitig wird seine Flexibilität durch die hohe Verschuldung eingeschränkt. Umso wichtiger wird es sein, Versum möglichst reibungslos zu integrieren und zugleich die Bilanzstruktur zügig wieder zu verbessern.

Schwäche 2: Chemie unter Druck

Das Chemiegeschäft von Merck unter dem Dach der Sparte Performance Materials war lange Zeit eine stille Perle, die dem Konzern Rückhalt gab für seine großen Expansionsschritte im Bereich Pharma- und Biotechprodukte (Life-Science). In den letzten Jahren indessen hat sich die Konstellation gewandelt. Zwar fällt es nach wie vor schwer, von einer Belastung für Merck zu reden – mit 33 Prozent Ebitda-Marge lieferte die Sparte auch 2018 noch die höchste Umsatzrendite im Konzern.

Was die Gewinndynamik angeht, ist das Chemiegeschäft inzwischen jedoch zum Bremsfaktor geworden. Seit mittlerweile drei Jahren schrumpfen die Erträge. Allein 2018 ging das ausgewiesene Ebit der Sparte um gut ein Viertel zurück, das bereinigte Ebitda um rund 20 Prozent, und für 2019 zeichnen sich weitere, möglicherweise erneut zweistellige Einbußen ab.

Immer deutlicher wird damit, dass das extrem profitable Geschäft mit Flüssigkristallen seinen Zenit überschritten hat und Merck mit Materialien für OLED-Displays trotz steigender Erlöse eine vergleichbare Position nicht aufbauen kann.

Die geplante Übernahme des amerikanischen Chemiespezialisten Versum lässt sich vor diesem Hintergrund als logisches, aber letztlich auch als defensives Manöver zur längerfristigen Absicherung des Chemiegeschäfts werten.

Vorprodukte für die Halbleiterfertigung werden neben Display-Materialien und Pigmenten zum zweiten großen Standbein der Merck-Spezialchemie. Der Schritt passt insofern in die auf Stabilität bedachte Strategie des Konzerns. Merck konzentriert sich weiter auf innovationsgetriebene Marktsegmente und Abnehmerindustrien, versucht dabei aber gleichzeitig die Risiken breiter zu streuen. Die Abhängigkeit von einzelnen Techniksegmenten wird geringer.

De facto wird Versum die Ertragskraft ersetzen, die man in den letzten vier Jahren im Chemiebereich eingebüßt hat. Aber dieser Ersatz ist nicht umsonst zu haben. Vielmehr muss Merck fast sechs Milliarden Euro investieren. Der Kapitaleinsatz im Chemiebereich dürfte sich daher mit dem Versum-Deal von bisher vier auf mehr als neun Milliarden Euro verdoppeln. Von den Kapitalrenditen der Vergangenheit muss sich Merck im Chemiebereich damit verabschieden.