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Warum Menschen gründen – und was das für ihren Erfolg bedeutet

Wer ein Unternehmen aus der Not oder für die Unabhängigkeit gründet, ist weniger erfolgreich. Mehr Umsatz machen Firmen, deren Gründerinnen oder Gründer auf Status oder Einkommen setzen.
Wer ein Unternehmen aus der Not oder für die Unabhängigkeit gründet, ist weniger erfolgreich. Mehr Umsatz machen Firmen, deren Gründerinnen oder Gründer auf Status oder Einkommen setzen.

Ein Gastbeitrag von Lucas Fichter. Der Wirtschaftspsychologe forscht und lehrt zu Persönlichkeitsmerkmalen von Gründerinnen und Gründern im Zusammenhang mit Unternehmenserfolg und Leistung.

Warum gründen? Unzählige Blogs, Podcasts und andere mediale Ratgeber liefern eine Flut von Pro- und Kontra-Listen oder versuchen Chancen und Risiken einer Unternehmensgründung aufzuzeigen, um potenzielle Gründerinnen und Gründer bei dieser komplexen und einschneidenden
Entscheidung zu unterstützen. Etwa: „7 Gute Gründe fürs Gründen – und 7, es besser bleiben zu lassen“.

Die wenigen bekannten Gründerstudien (Startup Monitor, KFW Gründungsmonitor oder KFW Startup-Report), die eine Vielzahl wichtiger Kennzahlen rund um das Gründungsgeschehen ermitteln, interessieren sich bislang jedoch nur wenig für eine gezielte Betrachtung der Gründungsmotivation. Einige Ausnahmen werden nachfolgend thematisiert.

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Interviews und Podcasts sind da schon sehr viel aufschlussreicher und ermöglichen einen tieferen Einblick in die Beweggründe einzelner Gründerinnen und Gründer (zum Beispiel Kati Ernst, Gründerin von Ooshi im Podcast auf Gründerszene.de, gemeinsam mit Prof. Dr. Charlotte von Bernstorff). Eine entscheidende Frage können Hintergrundgespräche dieser Art allerdings nicht zu beantworten: Inwieweit lassen sich anhand der Gründungsmotivation Rückschlüsse auf den späteren Erfolg eines Unternehmens ziehen?

Eine Frage, der demnach unbedingt nachgegangen werden sollte. In einem aktuellen Forschungsprojekt der BSP Business School Berlin zu den Zusammenhängen von Persönlichkeit und Gründungserfolg haben wir daher im Sommer 2020 575 Gründerinnen und Gründer (davon 426 männlich und 147 weiblich) unter anderem nach Ihrer Gründungsmotivation gefragt.

Abbildung 1. Antworten der Gründerinnen und Gründer auf die Frage: "Was hat Sie maßgeblich dazu bewogen, zu gründen?" Pro Teilnehmer konnten 2 Optionen angegeben werden.
Abbildung 1. Antworten der Gründerinnen und Gründer auf die Frage: "Was hat Sie maßgeblich dazu bewogen, zu gründen?" Pro Teilnehmer konnten 2 Optionen angegeben werden.

Diese zunächst rein deskriptiven Ergebnisse (Abbildung 1) zeigen, dass die überwiegende Mehrheit der Gründerinnen und Gründer hauptsächlich aus zwei Motiven heraus gründet: für die eigene Unabhängigkeit und für die Verwirklichung der Innovation bzw. der Gründungsidee. Die klassischen extrinsischen Faktoren wie Einkommen und Status spielen dagegen lediglich eine untergeordnete Rolle. Auch aus der Not heraus werden nur selten Startups gegründet. Bei Solo-Selbstständigen und Kleingewerbetreibenden ist dies anders, siehe KFW-Gründungsmonitor.

Unterschiede zwischen den Geschlechtern

Bei einem zweiten Blick auf die Grafik lohnt es sich darüber hinaus, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu betrachten. So geben insgesamt zwar nur gut 16 Prozent der Befragten an, das Einkommen sei für sie besonders relevant, es besteht jedoch eine signifikante Differenz zwischen Männern und Frauen. Überdies lässt sich beobachten, dass Gründer ihre Innovation und Idee deutlich häufiger verwirklichen als Gründerinnen (8,3 Prozent Differenz). Die weiteren Abweichungen sind statistisch nicht signifikant.

Die dargestellten Ergebnisse entsprechen weitestgehend bisherigen Erkenntnissen, beispielsweise aus dem „Female Founders Monitor 2019“ des Bundesverbands Deutsche Startups e.V. (im FFM 2020 wurde die Gründungsmotivation nicht betrachtet) oder aus einer Erhebung der Universität Trier (nachzulesen hier auf Starting-up). Als Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass Gründerinnen und Gründer grundsätzlich in hohem Maße als Idealisten erscheinen. Finanzielle Interessen stehen – unabhängig vom Geschlecht – eher im Hintergrund. Dadurch ergibt sich grundsätzlich eine hervorragende Ausgangsposition für eine starke und innovationsgetriebene Gründerszene.

Gleichzeitig drängt sich jedoch die Frage auf, ob die Gründungsmotivation auch einen Zusammenhang mit dem Erfolg des Unternehmens aufweist und damit einerseits direkte, wirtschaftlich relevante Auswirkungen mit sich bringt und andererseits ein für Investorinnen und Investoren erfassbaren Mehrwert bietet.

Was bedeutet die Gründungsmotivation für den Unternehmenserfolg?

Um diese Fragestellung zu untersuchen, wurden die Gründerinnen und Gründer über ihre Gründungsmotivation hinaus nach dem jährlichen Umsatzwachstum ihres Unternehmens in den letzten fünf Jahren gefragt, beziehungsweise dem jährlichen Umsatzwachstum seit der Gründung, sofern diese weniger als fünf Jahre zurückliegt. Aus den Angaben wurde ein Durchschnittswert als objektives Maß für den Gründungserfolg gebildet. Das durchschnittliche jährliche Umsatzwachstum aller Unternehmen lag Ausreißer-bereinigt bei 47,3 Prozent.

Als weiteres subjektives Erfolgsmaß wurde das individuelle Stresserleben der Gründerinnen und Gründer herangezogen. Gemessen auf einer 6er Skala von sehr gering bis sehr hoch als Mittelwert aus fünf Stressbereichen, wie dem Stresserleben in Bezug auf die eigenen Aufgaben, die Tätigkeit
sowie in Bezug auf die eigene Leistung und die Leistung des Unternehmens. Im Anschluss wurde geprüft, ob ein Zusammenhang zwischen der Gründungsmotivation und dem objektiven bzw. subjektiven Unternehmenserfolg besteht.

Abbildung 2. Durchschnittliches Umsatzwachstum pro Jahr nach Gründungsmotivation.
Abbildung 2. Durchschnittliches Umsatzwachstum pro Jahr nach Gründungsmotivation.

Die Ergebnisse von Abbildung 2 zeigen, dass sich sowohl hinsichtlich der Umsatzentwicklung als auch hinsichtlich des Stresserlebens mit einer unterschiedlichen Gründungsmotivationen statistisch signifikante Abweichungen ergeben.

So liegt das durchschnittliche jährliche Umsatzwachstum der aus der Not heraus gegründeten Unternehmen bei 41,8 Prozent und damit 5,5 Prozent unter dem Durchschnitt. Ähnliches gilt für Unternehmen von Gründerinnen und Gründern, die zunächst von ihrem späteren Co-Gründer überzeugt werden mussten (-6,2 Prozent). Während die mit Innovationsgedanken gegründeten Unternehmen den Durchschnittswert exakt abbilden, weisen die Unternehmen, deren Gründerinnen und Gründer angegeben haben aufgrund des zu erwartenden Einkommens (Umsatzwachstum 52 Prozent) oder aufgrund des gesellschaftlichen Status (Umsatzwachstum 50 Prozent) gegründet zu haben, die höchsten jährlichen Umsatzzuwächse auf.

Ein vergleichbares Bild zeigt sich bei der Betrachtung des Stresserlebens. Während dieses im Mittel bei 3,3 liegt (gemessen auf oben genannter 6er Skala), berichten Gründerinnen und Gründer, die aus der Not heraus gegründet haben, ein leicht erhöhtes Stresserleben (3,5). Am wenigsten gestresst fühlen sich unserer Untersuchung nach Gründerinnen und Gründer, die Unabhängigkeit oder Verwirklichung einer Innovation als Hauptmotivation angegeben (je 3,2). Alle anderen Motive weisen
keine signifikanten Abweichungen hinsichtlich des berichteten Stresserlebens auf.

Die individuelle Gründungsmotivation ist ein wichtiger Erfolgsfaktor

Für die eingangs thematisierte Diskussion zum Stellenwert der Gründungsmotivation für den Unternehmenserfolg lassen sich auf Basis der vorliegenden Befunde mehrere wertvolle Schlussfolgerungen treffen:

Erstens: Die Gründungsmotivation weist einen signifikanten Zusammenhang mit dem Unternehmenserfolg auf und ist damit grundsätzlich eine wirtschaftlich relevante Messgröße bei der Selbsteinschätzung der Gründerinnen und Gründer und der Entscheidungsfindung durch Investorinnen und Investoren.

Konkret zeigt sich zweitens, dass es hierbei weniger auf vermeintlich „edlere“ Motive wie dem Innovations- oder Unabhängigkeitsgedanken, sondern insbesondere auf die eigene Überzeugung und den unbedingten Willen anzukommen scheint. So geht schließlich auch mit dem Streben nach Status und Einkommen ein unbedingter Wille einher, während Gründerinnen und Gründer, die von Ihrem Co-Gründer überzeugt werden mussten oder aus der Not heraus gegründet haben mutmaßlich nicht mit derselben Intensität und Hingabe für ihr Unternehmen arbeiten. Dies schlägt sich letztendlich auf den Unternehmenserfolg nieder.

Herauszustellen ist dabei drittens, dass die in der Studie ermittelten Differenzen von bis zu 10,9 Prozent eine große wirtschaftliche Relevanz aufweisen. So ergeben sich mit fortschreitender Entwicklung und Etablierung des Unternehmens schnell sechs- bis siebenstellige Eurobeträge. Die Gründungsmotivation ist demnach aus Investorensicht nicht nur ein optionales „nice-to-know“, sondern sollte als wesentliches Kriterium bei der Investitionsentscheidung berücksichtigt werden. Es ist dabei in erster Linie an den Gründerinnen und Gründern selbst, sich bereits vor der Pitch-Situation über die eigenen Motive klar zu werden und zu ergründen, ob sie mit vollem Einsatz und Engagement hinter ihrer Gründung stehen.

Parallel sind auch die Investorinnen und Investoren in der Pflicht: Neben geeigneten finanziellen Perspektiven ist es an Ihnen das richtige Maß aus zielorientierter Unterstützung und der Förderung des individuellen Antriebs der Gründenden zu finden. Nur so kann auch bei Gründerinnen und Gründern mit Startschwierigkeiten aus „Müssen“ ein „Wollen“ werden.