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Warum sich Menschen bei anderen Unternehmen bewerben – obwohl sie gar nicht wechseln wollen

Was bringt es, sich testweise in einem anderen Unternehmen zu bewerben? (Symbolbild)  - Copyright: Weekend Images Inc./Getty Images
Was bringt es, sich testweise in einem anderen Unternehmen zu bewerben? (Symbolbild) - Copyright: Weekend Images Inc./Getty Images

Kürzlich sprach ich mit einem Bekannten, der einen zufriedenstellenden und gut bezahlten Job in einer Beratung hat. Dennoch spielte er mit dem Gedanken, sich bei einer anderen Firma zu bewerben. „Warum das denn?“, fragte ich ihn. Er erklärte mir, dass er nicht vorhabe, seinen Job aufzugeben. Er wolle auf die Art lediglich seinen Marktwert testen, um in der nächsten internen Gehaltsverhandlung selbstbewusster aufzutreten.

Mein Bekannter ist kein Einzelfall: So gehen viele sogar noch einen Schritt weiter, durchlaufen teils verschiedene Bewerbungsrunden und nutzen ihre „Testbewerbung“ als Druckmittel, um in der eigenen Firma mehr Gehalt herauszuholen. Was ein probates Mittel für eine gestärkte Verhandlungsposition sein kann, hat aber auch Nachteile für Unternehmen, die dadurch unnötig Zeit und Geld investieren.

Wie findet man heraus, was man auf dem Markt wert ist?

Wer seinen eigenen Marktwert kennt, kann in Gehaltsgesprächen selbstbewusst auftreten und faire Gehälter aushandeln. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tun sich damit allerdings schwer. Diverse Ratgeber versuchen daher, Abhilfe zu schaffen. Sie verweisen auf Gehaltstabellen, Online-Jobbörsen für Gehaltsvergleiche und das eigene Netzwerk.

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So könne man etwa Kolleginnen und Kollegen über ihre Gehälter ausfragen oder über soziale Netzwerke an die Gehaltsrecherche gehen. Das Problem an diesen Tipps? Sie bleiben oft zu theoretisch verhaftet und setzen eine Gehaltstransparenz voraus, die in Deutschland schlicht nicht gelebt wird.

Andere Ratgeber wie auf „Business Wissen“ empfehlen daher, die Prüfung des eigenen Marktwertes etwas praktischer anzugehen. So sei es durchaus legitim, sich in anderen Unternehmen zu bewerben, um den eigenen Marktwert zu ermitteln, ohne jemals dort anfangen zu wollen. Eine Art Testbewerbung quasi, die als Selbstwertboost oder gar als Druckmittel in der nächsten Gehaltsrunde dienen kann.

Dafür solle man nach Stellen suchen, die zum eigenen Profil passen – bestenfalls in einem Unternehmen, für das man nicht so schnell tätig werden wolle. Denn sagt man den Job nach dem Angebot ab, kann das immerhin negativ auf einen zurückfallen.

Außerdem solle man in einer solchen Testbewerbung extra hohe Gehaltsvorstellungen angeben, um den genauen Marktwert zu ermitteln. Bekommt man keine Antwort auf die Bewerbung, solle man nachfragen, woran es gelegen habe und den Wert gegebenenfalls nach unten korrigieren, bis erste Einladungen reinflattern. Diese Testbewerbungen zur Ermittlung des eigenen Marktwertes seien immer dann von Vorteil, wenn sich etwas an den Qualifikationen geändert hat. Etwa, wenn man mehr Berufserfahrung gesammelt, neue Verantwortungsbereiche übernommen oder neue Zusatzqualifikationen erworben hat.

Vor allem Frauen sollen laut einer Expertin Testbewerbungen schreiben

Testbewerbungen zu verfassen, rät auch die Karriereexpertin Claudia Kimich. Sie richtet sich dabei vor allem an Frauen, denen es häufig noch schwerer falle, ihren Marktwert zu kennen. Laut ihr sollen Frauen im Jahr mindestens drei solcher Testbewerbungen verschicken, in denen sie ihr derzeitiges Gehalt verdreifachen.

Die Expertin sagt, dass manche ihrer Klientinnen auf die Art sogar bereits Zusagen bekamen, die sie annahmen. Aus den Testbewerbungen kann demnach sogar eine reelle Chance auf einen besser bezahlten Job werden. Aber: Das ist nicht die Regel. Immerhin geht es bei diesen Testbewerbungen nicht darum, einen neuen Job zu finden. Es geht allein darum, den Marktwert zu testen.

Im Netz ist man sich derweil uneins darüber, ob dieses Verfahren zu empfehlen ist. Im „Bewerbungsforum“ fragt ein sogenannter „Zerschmetterling“ etwa danach, ob es eine gute Idee sei, sich zu bewerben, nur um den Marktwert zu testen. Während der User „cre“ davon abrät und es für eine „Aktion ohne Vorteil für irgendjemanden“ hält, meint der User „Pibblez“, dass er das für eine gute Idee halte. Er schreibt: „Jeder, der dir davon abrät, ist wahrscheinlich selber Chef.“ und verrät, dass ein befreundeter Cloudarchitekt auf die Art sein Gehalt von 45.000 auf 80.000 Euro brutto im Jahr aufgebessert habe.

Auch auf „Reddit“ stellte der User „Furrylouis“ die gleiche Frage nach der Sinnhaftigkeit von Testbewerbungen. Und auch hier sind die Meinungen durchwachsen. „_Scholzomat_“ etwa schreibt: „Bewerbungsverfahren zu durchlaufen, ohne tatsächlich einen neuen Job annehmen zu wollen, kostet dich und das Unternehmen nur unnötig Zeit.“

Und „Present_Juggernaut60“ ergänzt, dass man danach bei dem Unternehmen verbrannt sei. Andere User sagen dagegen, dass es eine gute Übung sei, die Routine und selbstsicheres Auftreten in Bewerbungsgesprächen bringe und sie dadurch tatsächlich schon Gehaltssteigerungen erzielen konnten.

Vor allem eine moralische Frage

Etwas detailreicher und aus rechtlicher Sicht näherte sich dagegen die „Neue Züricher Zeitung“ bereits 2006 dem Thema. Hier heißt es, dass es zwar durchaus legitim sei, den eigenen Marktwert auf diese Art zu testen. Doch im Zweifel koste eine solche Testbewerbung Unternehmen nicht nur Zeit und Kraft. Sie könne auch zu einem kostspieligen Unterfangen werden – vor allem, wenn Bewerberinnen und Bewerber das Bewerbungsverfahren sehr weit treiben und die Stelle am Ende doch absagen.

Besonders problematisch werde das ganze, sobald ein Arbeitsvertrag sogar unterschrieben wird. So kommt es in der Praxis durchaus vor, dass Bewerber das Jobangebot sogar annehmen, nur um dadurch in eine noch bessere Verhandlungsposition beim alten Arbeitgeber zu gelangen. Hat der Bewerber mit dieser Taktik Erfolg und bleibt beim alten Arbeitgeber, habe das weitreichende Konsequenzen für den Arbeitgeber, der leer ausgeht.

Dieser sehe sich dann gezwungen, erneut Kosten und Mühen aufzubringen, um einen geeigneten Kandidaten zu rekrutieren. Mitunter wurde anderen passenden Mitarbeitern bereits abgesagt. Womöglich muss erneut ein Headhunter beschäftigt werden. Und es müssen erneut Bewerbungsgespräche geführt werden, die Arbeitszeit und Geld kosten. Kurzum: Die Personalsuche beginne wieder bei null.

Nicht zuletzt können die zusätzlich entstehenden Kosten nicht geltend gemacht werden. So liegt die Annahme nahe, dass ein Unternehmen nach einer solchen geplatzten Anstellung auf Schadensersatz klagen könnte. Eine solche Klage ist laut der „Neuen Züricher Zeitung“ jedoch wenig erfolgversprechend. Grund dafür? Der Arbeitnehmer könne sich auf „die sogenannte Einrede des rechtmäßigen Alternativverhaltens berufen“.

Das heißt, dass der Arbeitnehmer geltend machen kann, dass die Kosten auch dann angefallen wären, wenn er erst während der Probezeit gekündigt hätte. Auch in diesem Fall hätte der Arbeitgeber die Kosten zur erneuten Personalsuche aufbringen müssen. Damit entfalle die Haftung des Arbeitnehmers. Letztlich ist eine solche Testbewerbung also keine rechtliche, sondern eine moralische Frage.

Testbewerbungen können "Vertrauen verbrennen"

Das sieht auch Oliver Hohmann so. Er ist Managing Partner der Personalberatung Deltacon Executive Search und rät in einem „Spiegel“-Interview dringend davon ab, Bewerbungen nur herauszuschicken, um den eigenen Marktwert zu testen. Er sagt: „Das schadet mehr, als es nützt, weil es Vertrauen verbrennt.“

So grenze es an „Erpressung“, dem Arbeitgeber mit einem anderen Angebot zu begegnen. Wer Bewerbungsprozesse durchlaufe, nur um ein Angebot vorzeigen zu können, verhalte sich zudem nicht fair – weder gegenüber dem Unternehmen, welches sich Zeit nimmt noch gegenüber anderen Bewerbern, denen dadurch mitunter abgesagt werde.

Hohmann zufolge sollten all diejenigen, die auf eine Gehaltserhöhung aus sind, lieber ein offenes Gespräch mit ihrem derzeitigen Arbeitgeber suchen, statt sich testweise weg zu bewerben. In diesem Gespräch solle man anbringen, wohin man sich entwickeln möchte und was man bisher geleistet hat. Das sei allemal besser, als mit einem Gegenangebot zu wedeln. Das verlange jedoch auch nach Arbeitgebern, die verstanden haben, dass es immer besser ist, gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten.

So machte es letzten Endes im Übrigen auch mein Bekannter. Er ersparte nicht nur sich, sondern auch dem Unternehmen, in dem er niemals angefangen hätte, kräftezehrende und kostspielige Bewerbungsgespräche. Stattdessen brachte er, wie es auch Hohmann empfiehlt, Meilensteine in sein Gehaltsgespräch ein, bei deren Erreichung ihn eine weitere Gehaltserhöhung erwartet.