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Mehr Geld für Sicherheit: Münchner Sicherheitskonferenz drängt auf schnellen Kurswechsel

Deutschland ist auf eine Welt voller Konflikte nicht vorbereitet. Der Kurswechsel verläuft zu langsam, kritisiert die Münchner Sicherheitskonferenz.

Deutschland brauche darum einen schnelleren Kurswechsel in der Außen- und Sicherheitspolitik, meint Wolfgang Ischinger. Foto: dpa
Deutschland brauche darum einen schnelleren Kurswechsel in der Außen- und Sicherheitspolitik, meint Wolfgang Ischinger. Foto: dpa

Die deutsche Außenpolitik ist den globalen Anforderungen in einer von Krisen gekennzeichneten Welt weder strategisch und institutionell noch finanziell gewachsen. Das ist die wichtigste Botschaft einer Sonderausgabe des „Munich Security Reports“, den die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) jetzt vorgelegt hat.

„Wir leben in einer Zeitenwende, in der die lieb gewordenen Gewissheiten deutscher Außenpolitik nicht mehr gelten“, sagte MSC-Chef Wolfgang Ischinger in Berlin. Deutschland brauche darum einen schnelleren Kurswechsel in der Außen- und Sicherheitspolitik – und müsse dafür künftig mehr Geld in die Hand nehmen.

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An Herausforderungen mangelt es nicht: Der ehemalige US-Botschafter verwies auf die stärker nationalistische Außenpolitik der USA und die wachsenden Zweifel, ob die EU zu einer immer engeren Union zusammenwachsen sollte. Zudem hätte sich die Hoffnung auf einen „Wandel durch Handel“ in Russland und China nicht erfüllt. Stattdessen sei die Machtpolitik zurückgekehrt.

Im Bericht selbst werden außerdem noch globale Herausforderungen wie der Klimawandel und der rasante technologische Fortschritt genannt, auf die Deutschland bislang keine strategische Antwort habe. „Deutschland muss dafür sorgen, dass Europa handlungsfähig wird und sich auch durch den Einsatz von Machtmitteln gegenüber den Großmächten behauptet“, sagte Ischinger. Das bisherige „Geschäftsmodell“ Deutschlands sei obsolet – wirtschafts- wie sicherheitspolitisch. Graduelle Anpassungen könnten keine Abhilfe schaffen, heißt es in dem Report.

Die MSC kann sich bei ihren Forderungen auf eine große Bereitschaft der Deutschen stützen, sich stärker an der Lösung internationaler Konflikte zu beteiligen. Drei Viertel der Bundesbürger rechnen damit, dass die Zahl der Krisen in den nächsten Jahren weiter steigt. Das ergab eine Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der MSC.

Demnach sind fast 40 Prozent bereit, an der Lösung stärker mitzuwirken. Das gilt allerdings nicht für den Einsatz militärischer Mittel. Und: Auch wirtschaftliche Sanktionen als Mittel, um außenpolitische Interessen und Ziele durchzusetzen, sieht eine Mehrheit der Deutschen skeptisch.

Deutschland braucht eine „strategische Kultur“

Fast zwei Drittel der Befragten lehnt es ab, die wirtschaftliche Stärke Deutschlands als Machtmittel einzusetzen. „Da fragt man sich, welche Maßnahmen überhaupt akzeptiert würden“, kommentierte Tobias Bunde, einer der Hauptautoren des Reports, das Ergebnis. Dass es bislang nicht gelungen ist, die Bevölkerung davon zu überzeugen, außenpolitisch machtbewusster aufzutreten, führt er auch auf das „Versagen der politischen Eliten“ zurück.

Konkret fordert die Münchner Sicherheitskonferenz eine „strategische Kultur“ von der politischen Elite in Berlin. Zwar habe sich seit 2014 beim internationalen Engagement schon viel getan – damals kündigte der damalige Bundespräsident Joachim Gauck erstmals an, Deutschland sei bereit, mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen. Der frühere Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier leitete damals unter dem Titel „Außenpolitik weiter denken“ eine mehrmonatige Überprüfung des bisherigen Kurses ein.

Der Kurswechsel geht der Sicherheitskonferenz jedoch zu zögerlich: „Die Welt verändert sich schneller, und die Erwartungen des Auslands an Deutschland sind größer“, sagte Bunde.



Um das strategische Vakuum zu füllen, schlägt die MSC einen jährlichen nationalen Sicherheitsbericht vor, der die strategische Lage Deutschlands, vor allem aber die Interessen und Ziele deutscher Außen- und Sicherheitspolitik klar definieren müsse. Alle zehn Jahre mal ein Weißbuch vorzulegen reiche nicht mehr aus, betonte Bunde.

Vorbilder für einen Sicherheitsbericht gibt es nicht nur in den USA, sondern auch zum Beispiel in Frankreich. Wichtig sei, dass Außen- und Sicherheitspolitik künftig zusammen mit anderen Politikfeldern wie zum Beispiel der Wirtschaftspolitik gedacht werden müssen. „Wenn es zum Beispiel um Taiwan zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den USA und China kommen sollte“, verdeutlichte Ischinger den Zusammenhang von Außen- und Wirtschaftspolitik, „dann würden in den Fabriken in Ingolstadt und Wolfsburg sehr schnell die Lichter ausgehen.“

In dem nationalen Sicherheitsbericht müsse auch die Frage diskutiert werden, welche Rolle die nukleare Abschreckung für Deutschland spiele. „Es ist nicht gut, wenn Deutschland sich stillschweigend auf die Atomstreitmacht anderer Länder verlässt, der Bürger aber nichts dazu erfährt“, sagte Ischinger. Er wandte sich in diesem Zusammenhang gegen Forderungen nach einer sicherheitspolitischen Autonomie. „Davon sind wir weit entfernt und müssten dafür vermutlich weit mehr als zwei Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts ausgeben.“



„Wir müssen außerdem die Zuständigkeiten des Bundessicherheitsrates ins Visier nehmen“, so der MSC-Chef weiter und meint damit ein kaum bekanntes Kontroll- und Koordinationsgremium, dem neben der Bundeskanzlerin ausgewählte Kabinettsmitglieder angehören. Diese Runde müsse systematischer und effizienter arbeiten sowie dafür sorgen, dass die Regierung in außen- und sicherheitspolitischen Fragen mit einer Stimme spreche, so der Ex-Botschafter. Nur dann könne Deutschland sein Gewicht auch in der Europäischen Union voll einbringen.

Auf EU-Ebene bekräftigte Ischinger seine Forderung nach Mehrheitsentscheidungen in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Union und erinnerte daran, dass Kommissionschefin Ursula von der Leyen sich in ihrer Rede zur Lage der EU gerade dieser Forderung angeschlossen habe. „Wann können wir in dieser Frage mit einer Initiative aus Berlin rechnen?“, fragte der MSC-Chef in Richtung Bundesregierung. Nur wenn es Europa gelinge, in außen- und sicherheitspolitischen Fragen geschlossen und handlungsfähig zu sein, könne die Union auch ihre Souveränität gegenüber den USA und China behaupten.

Voraussetzung für eine aktivere Rolle Deutschlands in der Welt sei aber auch, dass dafür die nötigen finanziellen Ressourcen zur Verfügung stünden. Ischinger wies darauf hin, dass der Anteil der Ausgaben für internationale Aufgaben seit den 1950er-Jahren von über 30 Prozent der Gesamtausgaben auf unter 20 Prozent gesunken sei.

Die Bundesregierung solle sich ein „Drei-Prozent Ziel“ vornehmen, das – gemessen am Bruttoinlandsprodukt – neben den Militärausgaben auch die humanitären Hilfen und die Ausgaben für Diplomatie umfasse.