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In der Meerwind-Industrie braut sich was zusammen

Offshore-Windstrom - In der Meerwind-Industrie braut sich was zusammen

Wer an Martin Neuberts Aussagen zweifelt, bringt den Deutschland-Statthalter des dänischen Energieversorgers Dong nicht etwa in Rage, sondern tut ihm sichtlich einen Gefallen. Bei jeder kritischen Frage wandern seine Mundwinkel langsam nach oben, bis sein Gesicht nur mehr ein breites Grinsen ziert. „Wir sind Skepsis gewohnt“, sagt Neubert dann, um nach einer Kunstpause seine eigentliche Botschaft loszuwerden: „Die technologische Überlegenheit von Offshore-Wind ist unbestreitbar.“

Neubert zieht seine rechte Hand vor die Brust, klappt den Daumen aus und beginnt aufzuzählen. Der Wind bläst stärker und stetiger über dem Meer als an Land, sagt er. Es gebe keine Bürgerinitiativen gegen Offshore-Wind, die Technik sei in der Bevölkerung akzeptiert. Und nicht zuletzt dank der Beharrlichkeit seines Konzerns, sinken auch die Kosten für die hochsubventionierte Stromerzeugungsart von Monat zu Monat rapide.

Dong plant, baut und betreibt Windparks auf hoher See, bei denen jedes einzelne Windrad teils höher als der Kölner Dom (157 Meter) aus dem Wasser ragt. Die Dänen sind Markführer in diesem Segment. Die Geschäfte laufen blendend. Der Umsatz der Windsparte von Dong legte von 2014 auf 2015 um rund 70 Prozent zu. Mehr als 2,2 Milliarden Euro erwirtschaftet der Konzern allein mit seinen Meerwindfarmen.

Es gibt da nur ein Problem: Bis jetzt ist Offshore-Windenergie eine rein europäische Veranstaltung.

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Bleibt das so, verliert die Branche ihre Daseinsberechtigung. Entsteht hingegen ein Weltmarkt, purzeln die Preise weiter und entfachen somit neues Wachstum. Soweit die Theorie. Praktisch befindet sich die Meerwindbranche am Scheideweg. Wohin die Reise bei Offshore-Windenergie geht, ist hochumstritten. Luftige Hoffnungen treffen auf geballte Skepsis.

Oliver Rathge zählt zu den Optimisten. Er hat die Entwicklung der jungen Branche über das vergangene Jahrzehnt hautnah miterlebt. Einst arbeitete er bei Hochtief, bis der Baukonzern beschloss, alle Errichterschiffe und Pontons zu verkaufen und das Geschäft mit Windmühlen abzustoßen.

2014 machte sich Rathge gemeinsam mit drei Weggefährten selbständig und gibt sein Wissen über die Meerwind-Industrie seither als Berater weiter. Mit seiner Firma ONP-Management ist er weltweit unterwegs. „Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, dabei zu helfen, auch Märkte außerhalb Europas zu entwickeln“, sagt Rathge dem Handelsblatt. Interessenten für seine Dienste gibt es zur Genüge.

Erst jüngst war Rathge in Taiwan. „Da entsteht was“, frohlockt er. Der Offshore-Berater sieht, dass sich der Wind zunehmend zu seinen Gunsten dreht. „Wir merken, dass sich viele aufmachen, um in Offshore-Windkraft zu investieren“, erklärt Rathge. Egal, ob China oder Indien, Vietnam oder Japan – die Zukunft der Meerwindindustrie liegt in Asien – darauf deuten zumindest Prognosen der Branche hin.

Während in fernöstlichen Gewässern bis heute nur Windmühlen mit einer Kapazität von nicht einmal drei Gigawatt ans Stromnetz angeschlossen wurden, sollen es nach Berechnungen der Markforschungsfirma Make in zehn Jahren bereits 46 Gigawatt sein.

Zum Vergleich: Das würde in etwa der Kapazität von 33 mittelgroßen Atomkraftwerken entsprechen. Die gesamte Offshore-Industrie soll bis 2025 im Schnitt um 16 Prozent pro Jahr wachsen. Im Zentrum des Booms wäre dabei aber nicht mehr die deutsche Nord- und Ostsee, wo sich derzeit bereits 835 Windräder mit einer Kapazität von 3,5 Gigawatt drehen, sondern beispielsweise das chinesische Meer.


Die deutsche Meerwindindustrie – ein abschreckendes Beispiel

Dass tatsächlich ein riesiger Weltmarkt entsteht, ist aber alles andere als sicher. „Ich bin skeptisch, ob außerhalb Europas in naher Zukunft wirklich ähnlich große Märkte für Offshore-Windenergie entstehen werden“, sagte Carsten König dem Handelsblatt. Der Grund: Die Bedingungen, um Windräder im Meer zu installieren, sind in der Nord- und Ostsee laut dem Restrukturierungsexperten der Beratungsfirma AlixPartners so einmalig gut, dass sich das Konzept nicht eins zu eins in andere Regionen übertragen lasse. „Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es auf dieser Fläche Gewässer, die eine ähnlich niedrige Wassertiefe haben und wo der Wind so stark und stetig bläst“, erläutert König.

Die Geschichte der deutschen Meerwindindustrie wirkt im Ausland zudem noch immer abschreckend. Alleine der Münchner Paradekonzern Siemens versenkte rund eine Milliarde Euro auf hoher See, weil sich die Anbindung der Windmühlen an das Stromnetz als deutlich komplexer erwies, als gedacht. Beim Windparkprojekt Bard I des italienischen Bankhauses Unicredit explodierten die Kosten von eineinhalb auf rund drei Milliarden Euro. Und der Oldenburger Energieversorger EWE musste als Betreiber des Windparks Riffgat seine Mühlen über Wochen mit Dieselaggregaten in Schwung halten, um sie wegen des fehlenden Netzanschlusses vor Rost zu schützen.

Dirk Briese, Chef der Markforschungsfirma Windresearch, gesteht der Branche zwar zu, derlei Kinderkrankheiten mittlerweile überwunden zu haben. Aber es sei ein „frommer Wunsch der Turbinenhersteller, dass wir außerhalb Europas zeitnah große, neue Märkte für Offshore-Windenergie sehen werden“. Lediglich in den USA würden sich die Anzeichen mehren, ernsthaft einige Projekte an der Ostküste umzusetzen. In vielversprechenden Märkten wie Japan, Südkorea oder Indien würden Politiker hingegen stets große Pläne verkünden, die sich dann aber über Jahre hinaus verzögern.

„Einen weltweiten Absatzmarkt gibt es bis jetzt nicht“, hält Briese trocken fest. Um die Kosten für die vergleichsweise teure Meerwindenergie weiter zu drücken, sei aber eine globale Projektpipeline unabdingbar. Nur auf Basis von Skaleneffekten könnten die Preise nachhaltig purzeln, so Briese. Fehlen der Industrie hingegen die Absatzmärkte, sei kaum jemand bereit, beispielsweise in Roboter zur automatisierten Produktion oder Baukasten-Plattformen für Gondeln, Turbinen und Rotorblätter – die wichtigsten Elemente einer jeden Windenergieanlage – zu investieren.

Dong-Manager Martin Neubert hält die Markteinschätzungen von Briese und König für viel zu pessimistisch. „Das große Fragezeichen waren bisher immer die Kosten“, sagte Neubert. Man sei aber bereits heute bei einem Preisniveau angelangt, das viele für undenkbar gehalten haben. „Wir haben die Kosten seit 2013 um 50 Prozent reduziert“, erklärt Neubert. Der Windenergiefachmann hat mit Dong vor kurzem die magische Kostengrenze von 100 Euro pro Megawattstunde durchbrochen.


Die deutsche Energiewende, ein globaler Trend?

Für den Bau und den Netzanschluss des Offshore-Windparks Borssele vor der niederländischen Küste verlangt Dong als günstigster Anbieter nur rund 78 Euro pro Megawattstunde an Vergütung vom niederländischen Staat. Zum Vergleich: Strom aus dem in Großbritannien geplanten Atomkraftwerk Hinkley Point kommt die englischen Steuerzahler um ein Vielfaches teurer.

„Bei Preisen von 80 Euro je Megawattstunde wird Offshore-Wind auch für Märkte außerhalb Europas interessant“, sagt Neubert. Die Energiewende sei ohnehin längst keine rein deutsche Angelegenheit mehr, sondern ein globaler Trend. Ein Trend freilich, der ohne massive Förderungen undenkbar wäre.

In Deutschland werden Offshore-Windparks aktuell noch mit anfänglich mehr als 150 Euro pro Megawattstunde über 20 Jahre hinweg subventioniert. Zum Vergleich: An der Leipziger Strombörse würden die Betreiber für eine Megawattstunde derzeit nicht einmal 40 Euro erhalten.

Die Frage, wie lange seine Branche noch am Tropf der Verbraucher hängen wird, zaubert ein Lächeln in das Gesicht von Neubert. „In dem Moment, wo fossile Energieträger nicht mehr künstlich am Leben gehalten werden, kommen wir ohne Subventionen aus“, sagt der Dong-Manager. In seiner Welt steht Offshore-Windenergie kurz davor, voll wettbewerbsfähig mit Solar-, Kohle-, Gas- und Atomenergie zu sein. Bis es wirklich so weit ist, wird es freilich ein teurer Übergang.

KONTEXT

Diese deutschen Firmen gehören jetzt Chinesen

Auf Einkaufstour

Unternehmen aus China sind in Deutschland auf Einkaufstour. So hat der chinesische Haushaltsgerätehersteller Midea ein Übernahmeangebot für den Roboterbauer Kuka vorgelegt. Einige Beispiele für chinesische Übernahmen und Beteiligungen:

Putzmeister

Der Betonpumpen-Weltmarktführer Sany Heavy Industry übernimmt im Januar 2012 das schwäbische Unternehmen für gut 320 Millionen Euro.

Kiekert

Der Pekinger Automobilzulieferer Lingyun übernimmt 2012 den Weltmarktführer für Pkw-Schließsysteme aus Heiligenhaus (NRW).

Schwing

Die Xuzhou Construction Machinery Group (XCMG) wird im April 2012 Mehrheitseigener des westfälischen Betonpumpenherstellers. Der Verkaufspreis des Herner Unternehmens soll bei rund 300 Millionen Euro liegen.

Kion

2012 steigt der chinesische Nutzfahrzeugproduzent Weichai Power beim Gabelstaplerhersteller Kion ein. Die Chinesen kaufen zunächst für 467 Millionen Euro 25 Prozent an Kion und steigern 2015 ihren Anteil auf 38,25 Prozent. Außerdem erhält der Investor für 271 Millionen Euro eine Mehrheitsbeteiligung von 70 Prozent an der Hydrauliksparte Kions.

Solibro

Das insolvente Solarunternehmen Q-Cells vereinbart im Juni 2012 den Verkauf seiner Tochterfirma mit Sitz in Bitterfeld-Wolfen an die Pekinger Hanergy Holding Group.

Sunways

Der Konstanzer Photovoltaik-Konzern ging 2012 zum Schnäppchenpreis an den chinesischen Solarriesen LDK Solar. Doch 2013 und 2014 reichte Sunways jeweils einen Insolvenzantrag ein. Teile des Unternehmens wurden in der Folge an den chinesischen Solarkonzerns Shunfeng verkauft.

Tailored Blanks

Der Industriegüterkonzern Thyssen-Krupp schließt 2013 den Verkauf seiner Tochter an den chinesischen Stahlkonzern Wuhan Iron and Steel (Wisco) ab. Zum Preis machen beide Seiten keine Angaben.

Koki Technik Transmission Systems

Das chinesische Unternehmen Avic Electromechanical Systems (Avicem) - eine Tochter der staatlichen Unternehmensgruppe Aviation Industry Corporation of China (Avic) - übernimmt 2014 den sächsischen Autozulieferer. Ein Kaufpreis wird nicht genannt.

Hilite

Avic übernimmt 2014 für 473 Millionen Euro den deutschen Autozulieferer.

Krauss-Maffei

Im Januar 2016 verkauft Onex den Münchener Spezialmaschinenbauer Krauss-Maffei an ein Konsortium um die staatliche National Chemical Corporation (Chemchina). Der größte Chemiekonzern des Landes zahlt 925 Millionen Euro für den traditionsreichen Hersteller von Spritzgießmaschinen für die Kunststoff- und Gummi-Verarbeitung.

EEW

Die chinesische Holding Beijing Enterprises kauft im Februar 2016 den Abfallkonzern EEW Energy from Waste aus Helmstedt für 1,438 Milliarden Euro. Verkäufer ist der schwedische Investor EQT. EEW hat nach eigenen Angaben 1050 Mitarbeiter. Die 18 Anlagen der Gruppe können jährlich rund 4,7 Millionen Tonnen Abfall zu Energie machen und umweltschonend beseitigen. Die Fabriken erzeugen Prozessdampf für Industriebetriebe, Fernwärme für Wohngebiete und Strom für umgerechnet rund 700.000 Haushalte.

Manz

Die Shanghai Electric Group steigt im Frühjahr mit Anteilen von etwa 20 Prozent bei dem angeschlagenen Maschinenbauer ein.