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„Mays Autorität ist gebrochen“ – so kommentiert die Presse die Lage in Großbritannien

In Großbritannien hat das Unterhaus Theresa May das Vertrauen ausgesprochen – und ihr damit eine lang ersehnte Atempause verschafft. Mit 325 zu 306 Stimmen haben die Parlamentsabgeordneten den Antrag des Labour-Oppositionsführers Jeremy Corbyn, May das Misstrauen abzusprechen, abgelehnt und Neuwahlen vorerst abgewendet.

Was bedeutet dieser Schritt nun für die britische und die europäische Politik? Und was verändert es in Sachen Brexit? Die internationale und die Presse kommentiert:

Financial Times: „Tiefster Fall Großbritanniens seit 1956“

„Ich kann mich nicht daran erinnern, wann Großbritannien das letzte Mal so tief gefallen wäre“, kommentiert der FT-Kolumnist Philip Stephens. Das Suez-Debakel von 1956 und die Schuldenkrise zwanzig Jahre später, als Großbritannien einen IWF-Kredit beantragen musste, kämen ihm in den Sinn. Das seien Momente der Scham gewesen, aber auch Momente, die vorbeigegangen wären.

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Beim Brexit sei das anders. Jedes neue Kapitel bringe mehr Demütigung. Und „egal wie es endet, die Folgen werden sich nicht so schnell beheben lassen“.

In gewöhnlichen Zeiten hätte May nach dem Scheitern ihres Brexit-Deals zurücktreten müssen. Doch die Zeiten seien außergewöhnlich. Es sei „atemberaubend“, dass nur wenige Wochen vor dem Austritt Großbritanniens aus der EU so gut wie gar keine Arrangements und kein Rahmen für die künftigen Beziehungen feststünden. Es gebe, wie es aussehe, nichts, was die jahrzehntelange politische und ökonomische Zusammenarbeit zwischen den Staaten ersetzen könne.

Fazit: Theresa May müsse alles tun, um einen ungeordneten Austritt Großbritanniens aus der EU zu verhindern. Das erste, um was sie die EU bitten müsste, sei, „die Zeit anzuhalten“. Damit ist eine Fristverlängerung für den Brexit gemeint.

The Guardian: „Es wird Zeit für einen Kompromiss“

Anders positioniert sich die britische Zeitung „The Guardian“. Theresa May müsse auf das Parlament zugehen, das habe sie bislang nicht zu Genüge gemacht, schreibt Redakteur Martin Kettle.

Es sei ein Fehler, zu sagen, Mays Deal sei tot. Denn die meisten Parlamentsabgeordneten würden kein Problem mit den drei Kernpunkten des Deals haben: der Zusicherung der gewisser Rechte an EU-Bürger und an die Bürger Großbritanniens, die Klärung der Frage nach den Schulden Großbritanniens sowie das Vermeiden einer harten Grenze zu Irland.

Womit die Parlamentarier ein Problem hätten, sei die Ausgestaltung der Wirtschaftsbeziehungen mit der EU, die der Deal enthalte. Hier sei Raum für Kompromisse.

Wall Street Journal: „May hätte längst zurücktreten sollen“

„Die britische Premierministerin kann eine Schlappe einstecken“, kommentiert das Wall Street Journal das knappe Gewinnen des gestrigen Misstrauensvotums durch Theresa May. Man verliere allerdings leicht aus den Augen, wie bizarr die ganze Situation in Großbritannien sei.

Sie hätte längst zurücktreten sollen, denn ganz offensichtlich genieße sie nicht länger das Vertrauen ihrer eigenen Partei geschweige denn des Parlaments. Und doch: Selbst jene 118 Konservative, die gegen Mays Brexit-Deal gestimmt haben, hätten sie im Amt bestätigt, ebenso die zehn Abgeordnete der irischen DUP.

„Diese Leute genießen es, von der Seitenlinie aus über den Brexit zu zetern, aber keiner möchte sich dem Risiko aussetzen, Verantwortung für den Prozess zu tragen“, schreiben die WSJ-Redakteure.

Sie sehen ein schwerwiegendes Problem bei den britischen Tories: Diese würden sich zu sehr davor scheuen, die Reformen, die der Brexit erfordert, den Wählern offensiv zu verkaufen.

New York Times: „Die Brexit-Frist muss verlängert werden“

Die Abstimmungen in dieser Woche hätten gezeigt, dass britische Politiker nun begännen, sich mit ihren tatsächlichen Wahlmöglichkeiten in Bezug auf Brexit auseinanderzusetzen, schreibt die „New York Times“.

Als Optionen nennt die Zeitung, einen neuen Konsens beim Thema Brexit zu finden und zu hoffen, dass die EU diesen akzeptiert; ein neues Referendum anzustreben oder, schließlich, Mays Deal zu akzeptieren. „Es sind schwere und umstrittene Entscheidungen, und sie brauchen Zeit.“

Beide Seiten – also Großbritannien und die EU – müssten tief durchatmen und sich darauf einigen, die Brexit-Frist zu verlängern. „Es steht zu viel auf dem Spiel, um aufzugeben.“

Deutsche Pressestimmen

Auch im deutschsprachigen Raum hat sich die Presse zu May und dem Brexit geäußert. Hier eine Auswahl der deutschen Stimmen:

NZZ: „May ist noch nicht aus dem Schneider“

„Ihr Sieg bedeutet nicht, dass May aus dem Schneider ist“, schreibt die „Neue Zürcher Zeitung“. Oppositionschef Corbyns Entourage habe den Beginn einer Kampagne angekündigt. Labour wolle bei jeder weiteren Niederlage der Premierministerin im Brexit-Prozess neue Vorstöße lancieren. Möglicherweise stimmen Tory-Rebellen oder die nordirische DUP auch einmal mit der Opposition, sollte May auf einen weicheren Brexit einschwenken, um ihren Deal zu retten.

Doch: „Auch auf Corbyn lastet Druck. Der Labour-Parteitag beauftragte die Parteiführung im Herbst, im Fall eines gescheiterten Misstrauensantrags auf eine zweite EU-Abstimmung und die Annullierung des Brexits hinzuarbeiten - ein Weg, den Corbyn scheut.“

Süddeutsche Zeitung: Gescheitertes Misstrauensvotum stärkt May nicht

Das Scheitern des Misstrauensvotums werde Mays Position nicht stärken, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“. Es zeige nur, dass die Abweichler in Mays konservativer Fraktion keine Neuwahlen wollten. Denn auch Neuwahlen dürften keine Klarheit bringen: „Zum einen liegt die Oppositionspartei Labour in Umfragen hinter den Konservativen, trotz des peinlichen Brexit-Schauspiels. Zum anderen sind die Sozialdemokraten in der Frage des Austrittskurses selbst zutiefst zerstritten. Das fällt in der Opposition bloß nicht so auf.“

Die Welt: Helfer in Not gesucht

Die „Welt“ beschäftigt sich mit den Auswirkungen eines möglichen zweiten Referendums auf die Lage in Großbritannien. Der Ausgang eines zweiten „people's vote“ gelte mitnichten als sicher, resümiert Thomas Kielinger.

Denn je länger der Brexit die britische Gegenwart verdüstere, desto mehr rumore es unter der Oberfläche. „England hat keine europäische Identität gewonnen, die EU ist und bleibt ihm fremd. Eine Wiederholung des Ausgangs wie 2016 ist daher durchaus möglich.“

Schlimmer noch könne es im gegenteiligen Fall ausgehen, wenn die Brexit-Befürworter eine „Dolchstoßlegende“ in die Welt setzten, wenn das Ergebnis von 2016 umgekehrt würde. Wie könnte Großbritannien, derart angeschlagen, je in der EU an Respekt gewinnen? Brexit, der Unfriedensstifter. Gesucht sei ein Helfer in der Not.