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Maschinenbauer hadern mit dem Flächentarifvertrag

In sieben von zehn Maschinenbauunternehmen gilt kein Tarifvertrag mehr. Druck aus der Politik sei aber der falsche Weg, um das zu ändern, kritisiert der VDMA.

Nur knapp drei von zehn Maschinenbauern sind tarifgebunden. Foto: dpa
Nur knapp drei von zehn Maschinenbauern sind tarifgebunden. Foto: dpa

Ganz zum Schluss ihrer Rede kam Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich beim Deutschen Arbeitgebertag noch auf die Sozialpartnerschaft zu sprechen. „Wie können die Arbeitgeberverbände gut mit den Gewerkschaften arbeiten und wie kann die Tarifbindung erhalten bleiben?“, fragte die Regierungschefin. Sie fügte an: „Ich meine, die Kurve nimmt keinen guten Verlauf.“

Tatsächlich hat die Tarifbindung in den zurückliegenden Jahren deutlich abgenommen. Nach Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) war im vergangenen Jahr nur noch jeder vierte Betrieb an einen Branchentarifvertrag gebunden, in zwei Prozent der Unternehmen galt ein Haustarif. 73 Prozent der Unternehmen waren demnach nicht tarifgebunden, von denen sich allerdings 41 Prozent zumindest am Branchentarifvertrag orientieren.

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Der Maschinenbauverband VDMA hat jetzt die eigenen Mitglieder befragt, wie sie es mit der Tarifbindung halten. Ergebnis: Die Branche folgt dem „Abwärtstrend“, den das IAB schon seit 1996 beobachtet. An der Umfrage, deren Ergebnisse dem Handelsblatt vorab vorliegen, haben sich knapp 446 Unternehmen beteiligt. 129 oder 29 Prozent der Unternehmen sind tarifgebunden. Von diesen halten sich neun von zehn an den Flächentarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie.

Die Wahrung des Betriebsfriedens und die Vereinfachung der Organisation nennt rund jeder zweite Betrieb als entscheidende Gründe für die Bindung an einen Tarifvertrag. Alarmierend ist allerdings: Fast jedes zweite tarifgebundene Unternehmen (45 Prozent) denkt über eine Beendigung des Tarifvertrags nach.

317 oder 71 Prozent der befragten Firmen sind schon heute nicht oder nicht mehr tarifgebunden. Von diesen wiederum haben 27 Prozent vormals einen Tarifvertrag angewandt – sie sind also aus der Tarifbindung ausgestiegen.

Mangelnde Flexibilität

Als Gründe für die Tarifabstinenz nennen die Unternehmen den geringen Spielraum innerhalb des Flächentarifs für betriebliche Lösungen und generell mangelnde Flexibilität. Auch steigende Lohnkosten sind ein Grund, sich nicht der Tarifbindung zu unterwerfen.

„Wir wissen aus eigenen Befragungen, dass es vier Hauptprobleme mit dem Flächentarifvertrag gibt“, sagt Hagen Lesch, Tarifexperte beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW). „Die Entgelte insgesamt, die Entgelte für einfache Tätigkeiten, die Arbeitszeitflexibilität und das Arbeitsvolumen,“ benennt er die Probleme.

Vor allem der letzte Metalltarifabschluss lässt die Firmen mit der Tarifbindung hadern. Für Ärger sorgt etwa das tarifliche Zusatzgeld (T-Zug), auf das sich der Arbeitgeberverband Gesamtmetall und die Gewerkschaft IG Metall geeinigt hatten. Beschäftigte mit kleinen Kindern oder pflegebedürftigen Kindern sowie bestimmte Schichtarbeiter können statt des Zusatzgeldes auch acht zusätzliche freie Tage nehmen.

Außerdem erhalten Beschäftigte die Möglichkeit, ihre Wochenarbeitszeit zeitlich befristet auf bis zu 28 Stunden abzusenken. Dies passte den Unternehmen in Zeiten voller Auftragsbücher nicht ins Konzept. Außerdem führen die Regelungen zu mehr Komplexität und organisatorischem Aufwand, der gerade kleine Firmen belastet.

In diese Richtung dürfe es nicht weitergehen, sonst würden noch mehr Unternehmen aus dem Tarifverbund ausscheiden, mahnt Hartmut Rauen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des VDMA: „Die Stärkung der Tarifbindung ist Aufgabe der Tarifparteien.“ Sie müssten wettbewerbsfähige und attraktive tarifliche Regelungen vereinbaren. „Dann werden sich auch mehr Unternehmen wieder tarifvertraglich binden.“

Mittelständler nicht verprellen

So hatten die Arbeitgeber bereits eine „modulare Tarifbindung“ vorgeschlagen. Demnach sollen Unternehmen die Möglichkeit erhalten, einzelne Module aus einem Tarifvertragswerk auszuwählen, etwa Vereinbarungen zum Entgelt oder zur Arbeitszeit, ohne den Tarifvertrag als Ganzes anzunehmen beziehungsweise verwerfen zu müssen.

Wie die VDMA-Umfrage zeigt, orientieren sich rund sieben von zehn nicht tarifgebundenen Unternehmen am Flächentarifvertrag oder nehmen Bezug darauf. Bezugnahme bedeutet, dass Bestandteile des Tarifvertrags im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung festgehalten werden. Eine Orientierung am Tarifvertrag ist dagegen rechtlich nicht bindend.

Bei den Gewerkschaften stößt der Vorschlag eines „Tarifbaukastens“, aus dem sich die Unternehmen passende Teile aussuchen, allerdings auf Widerstand. Der Flächentarif biete bereits genügend Flexibilität, heißt es bei der IG Metall.

IW-Forscher Lesch rät Arbeitgebern wie Gewerkschaften aber, besser über solche Möglichkeiten zu informieren. Auch klagten viele Unternehmen, dass Öffnungsklauseln im Flächentarifvertrag wenig praktikabel seien.

Das Grundproblem sei, dass Gewerkschaften im Flächentarif möglichst viel regeln wollten, um Mitglieder zu gewinnen, während die Arbeitgeber möglichst wenig regeln wollten, um gerade Mittelständler nicht zu verprellen, sagt Lesch. „Das ist ein Zielkonflikt.“ Den aber könnten die Tarifparteien nur selbst lösen, weil sonst die Gefahr bestehe, dass die Politik ihnen das Heft aus der Hand nehme.

Die Politik geht zu weit

Schon jetzt übe der Gesetzgeber unbotmäßigen Druck aus, indem Unternehmen ohne Tarifbindung rechtlich benachteiligt würden, kritisieren die Maschinenbauer. Als Beispiel verweist der Verband auf die Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten in der Zeitarbeit. Tarifgebundene Unternehmen können die Frist per Tarifvertrag nach oben ausdehnen, in der Metall- und Elektroindustrie auf bis zu 48 Monate.

Nicht-tarifgebundene Unternehmen können nur von der Höchstüberlassungsdauer abweichen, wenn sie per Betriebsvereinbarung den Tarifvertrag übernehmen. Für diesen Fall setzt das Gesetz aber eine Frist von 24 Monaten – Unternehmen ohne Tarifbindung werden also schlechter gestellt.

Die Ungleichbehandlung soll als Anreiz dienen, sich einem Tarifvertrag zu unterwerfen. Hier aber geht die Politik aus Sicht des VDMA zu weit: „Der Gesetzgeber darf sich nicht einfach dazwischendrängen und auf Kosten der negativen Koalitionsfreiheit eine Tarifbindung von Staats wegen betreiben“, kritisiert Rauen.

Bundeskanzlerin Merkel hatte die Tarifparteien in ihrer Rede beim Arbeitgebertag gemahnt, selbst über Wege zur Stärkung der Tarifbindung zu diskutieren. Denn sonst würden wie etwa bei Einführung des Mindestlohns wieder „staatsinterventionistische Eingriffe“ zum Einsatz kommen.

Mehr: Das Modell „Gewerkschaft“ steht vor der Zerreißprobe, kommentiert unser Redakteur Frank Specht.