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Marchionnes schwieriges Erbe: Fiat Chrysler geht auf Partnersuche

Man erkennt es gleich: Der Ort der Hauptversammlung ist nicht für Massen gedacht. Fiat-Chrysler (FCA) lädt seine Aktionäre an diesem Freitag nicht etwa in eine Kongresshalle oder wie früher ins umgebaute alte Fiat-Werk „Lingotto“ in Turin ein.

Nein, der italoamerikanische Autokonzern mit Unternehmenssitz in Amsterdam gibt als Adresse das Büro der Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer in der Strawinskylaan 10 in Amsterdam an. Nüchterner geht es kaum.

Kleinaktionäre werden sich höchstens vereinzelt auf den Weg nach Amsterdam machen. Aber die großen Fonds, die neben der Holding Exor der Gründer-Erbenfamilie Agnelli investiert sind, werden sicher vertreten sein. Und sie werden vom Management wissen wollen, wohin die Reise geht.

Es ist ein Wechsel in eine neue Ära: Zum ersten Mal stellt sich der neue FCA-Vorstandsvorsitzende Mike Manley auf der Hauptversammlung den Fragen der Aktionäre und nicht mehr Sergio Marchionne, der im vergangenen Sommer überraschend verstarb.

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Marchionne hatte einst Fiat aus der Krise gerettet, dann 2009 den strauchelnden US-Konzern Chrysler übernommen und mit Fiat fusioniert. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte Fiat Chrysler schon längst weiterfusioniert. Marchionne hatte 2015 offen um die Gunst von General Motors (GM) gebuhlt, aber eine Abfuhr von Chefin Mary Barra kassiert.

Daher ist es wenig verwunderlich, dass sich jüngste Gerüchte über neue Fusionsvorhaben hartnäckig halten. So soll es Gespräche mit der Opel-Mutter PSA gegeben haben. Außerdem berichtete die „Financial Times“, Renault sei daran interessiert, sich erst Nissan und dann Fiat einzuverleiben.

FCA-Chef Manley hat sich dazu bisher nicht spezifisch geäußert. Aber er hat in der Vergangenheit mehrfach betont, dass Fiat Chrysler offen für Fusionen sei, „wenn sie uns die Möglichkeit zum Wachsen geben“. Auch John Elkann, der Chairman von Fiat Chrysler und Präsident und Verwaltungsratsvorsitzender der Exor-Holding, die 29 Prozent der Aktien und 42,11 Prozent der Stimmrechte hält, steht Fusionen offen gegenüber.

In einem Brief an die Exor-Aktionäre schrieb er Anfang April: „In dieser neuen und aufregenden Zeit sind wir und FCA entschlossen, eine aktive und ehrgeizige Rolle zu spielen.“ Experten deuten das als doppelte Botschaft: Zum einen steht die Familie Agnelli weiter zu FCA, und zum anderen will sie bei einer Fusion auch weiterhin eine tragende Rolle spielen.

Offensichtlich sehen weder die Besitzer noch die Unternehmensspitze eine Chance, auf dem sich schnell ändernden Automarkt allein zu überleben. Fiat Chrysler hat vor allem in den USA und zuletzt auch in Europa immer mehr auf große spritfressende SUVs und Pick-ups von Jeep und Ram gesetzt und die Zukunftsthemen wie Elektroautos und autonomes Fahren vernachlässigt.

Zahlen für Europa sind ernüchternd

„Wir sind Zeugen des Niedergangs einer Marke auf dem Markt“, sagt der Autoexperte Giuseppe Berta. „Und das in einem Umfeld, das sich für die ganze Branche verschlechtert hat.“ Eine Fusion mit einer anderen Marke hält er für unausweichlich: „FCA kann nicht passiv der negativen Entwicklung zuschauen, der Konzern muss ein Abkommen treffen“, sagt der Professor der Wirtschafts-Uni Bocconi in Mailand. Er tippt trotz aller Schwierigkeiten doch noch auf eine Übereinkunft mit PSA.

Noch läuft das Geschäft zwar vor allem in den USA, Kanada und Mexiko gut. In der Nafta-Region erwirtschaftet Fiat Chrysler fast zwei Drittel des Umsatzes und 93 Prozent des operativen Gewinns. Die Emea-Region mit Europa dagegen steuert gerade einmal ein Fünftel des Umsatzes und nur sechs Prozent der Gewinne bei. In Asien verliert FCA Geld.

Die Zahlen für Europa sind ernüchternd. Zum einen spielte FCA 2018 mit einem Anteil von rund sechs Prozent am Automobilmarkt keine große Rolle hinter Volkswagen mit 23,1 und PSA mit 15,8 Prozent. Zum anderen liegt die Ebit-Marge mit 1,8 Prozent hinter den Konkurrenten. Und mit rückläufigen Zulassungszahlen haben in diesem Jahr alle Autokonzerne zu kämpfen.

Noch düsterer sieht es im Fiat-Heimatland Italien aus. Die Absatzzahlen von März sind eingebrochen. 19,3 Prozent weniger Autos als im Vorjahresmonat verkaufte der FCA-Konzern im März, das waren 48.052 Autos statt 60.000 wie im Vorjahresmonat. Die Marke Fiat brach um 21,4 Prozent ein. Vor allem Alfa Romeo lief nicht. Und auch Maserati. Die Folge: Der Marktanteil in Italien ging von 27 auf 24,8 Prozent zurück.

Insgesamt fuhr FCA 2018 ein bereinigtes Betriebsergebnis von 7,3 Milliarden Euro ein. Dank dieses Rekordgewinns hat Fiat Chrysler seit der Rettung zum ersten Mal wieder einen positiven Cashflow. Es kommt also mehr Geld rein als rausgeht. Daher zahlte FCA auch zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt wieder eine Dividende. Geld ist in der Kasse durch den Verkauf der Konzerntochter Magneti Marelli im vergangenen Jahr. Aber für das laufende Jahr hat Manley vor einem schwierigen Jahr gewarnt.

Der einzige Lichtblick ist der Kleinwagen Panda, das meistverkaufte Modell von Fiat. „Aber der italienische Markt zählt wie der europäische nur noch wenig“, meint Experte Berta, „Profit wird dort nicht erzeugt.“ Der Panda und der Lancia Ypsilon seien funktionale, günstige Kleinwagen aber nicht mehr. Und außerdem habe es das Unternehmen versäumt, Hybridfahrzeuge zu entwickeln.

Und dann ist da noch der Vergleich mit US-Anlegern in Höhe von 110 Millionen Dollar, dem das Gericht noch zustimmen muss. Die Investoren hatten geklagt wegen irrführender Informationen zu Dieselabgasen und Rückrufaktionen.

Beobachtern bereitet die ungewisse Zukunft von FCA jedenfalls Sorgen: Was passiert, wenn die Regierungen weltweit die Emissionsstandards weiter einschränken oder wie China einen kompletten Umstieg auf Elektroautos fordern? Da hat Fiat Chrysler bisher nicht viel zu bieten.

Vier Jeep-Modelle als Hybrid anzubieten ist bisher nur eine Ankündigung. Das langfristige Ziel, alle Modelle auch elektrisch anzubieten, ist Zukunftsmusik. 2020 soll der erste Elektro-Fiat auf den Markt kommen, ein 500, der im Werk Mirafiori gebaut werden soll.

Emissionsziele und Zukunftstechnologie

Fiat kämpfe unter den europäischen Herstellern bisher am meisten, um die Emissionsziele zu erfüllen, weil es bei den Investitionen in Elektroautos hinterherhinkt, monieren die Analysten von UBS. Fiat Chrysler „fängt quasi bei null an“, schreiben sie.

Die UBS-Analysten rechnen vor, dass es das Unternehmen 20 Prozent des Gewinns kosten könnte, wenn es die Vorgaben für Emissionen nicht erfüllt. Mit dem jüngsten Trick, Tesla-Autos gegen Bezahlung mit in die eigene Flotte zu zählen, kauft Fiat Chrysler vor allem Zeit. Eine langfristige Lösung ist das nicht.

Auch beim autonomen Fahren sieht es nicht viel besser aus. Dort sind die Italoamerikaner zwar eine Kooperation mit Waymo, der Tochter der Google-Mutter Alphabet, eingegangen. Aber die Zusammenarbeit beschränkt sich bisher in erster Linie darauf, Chrysler-Minivans als Testfahrzeuge bereitzustellen.

GM dagegen hat schon früher als die Konkurrenz auf Zukunftstechnologien gesetzt. Im Silicon Valley hat GM mit „Cruise“ eine eigene Tochter für autonomes Fahren, in die auch Softbank und Honda investiert haben. Ford dagegen hat jüngst eine globale Allianz mit Volkswagen verkündet.

Beobachter rechnen daher früher oder später mit einer Fusion. Einfach wird die Suche jedoch nicht. Auch ein Abkommen mit PSA dürfte seine Tücken haben, meint Analyst Philippe Houchois von Jefferies. „Es ist eine Sache, Aktionäre und das Management davon zu überzeugen. Aber es ist eine andere, die Unterstützung der Regierungen zu bekommen“, mahnt Houchois. Sowohl Italien als auch Frankreich würden sicher darauf drängen, ihre eigenen Standorte zu bevorzugen.

Die Investmentbanker von Evercore Isi halten zwar die Logik einer Fusion mit PSA für bezwingend, jedoch nicht das Timing. Aus PSA-Sicht wäre es besser abzuwarten, bis FCA Ungewissheiten über den künftigen Kurs ausräumt, der Autoverkauf in den USA wieder anzieht und sich der transatlantische Handelskrieg beruhigt, meinen die Analysten.

Eine Fusion der beiden würde keinem auf dem asiatischen Markt helfen, meinen dagegen die Analysten von Equita. Der Jeep sei nicht gut in China angenommen worden, und Schwierigkeiten habe auch Peugeot gehabt. Eine Fusion mit einem chinesischen oder koreanischen Automobilkonzern mit Hightech-Kompetenz könne mehr Wert bringen. Wenn es aber zu einem Abschluss mit einem Chinesen käme, müssten erst die Widerstände der US-Regierung überwunden werden.

Die Zukunft des italoamerikanischen Konzerns bleibt ein Rätsel. „Was fehlt, sind präzise Signale, in welche Richtung FCA gehen will“, meint Autoexperte Berta. „Marchionne konnte die Märkte noch überraschen mit seinen Finanzinnovationen, jetzt sehe ich eine eher glanzlose Führungsmannschaft.“ Manley sei gut für das Produkt und in Nordamerika, habe sich aber noch nicht als globaler Leader qualifiziert, wie es Marchionne einer war.