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Manfred Knof wird Commerzbank-Chef – Die Reaktionen fallen verhalten aus

Arbeitnehmervertreter stellen sich auf harte Auseinandersetzungen ein – und verlangen ein Bekenntnis zur Unabhängigkeit der Commerzbank.

Aufsichtsratschef Hans-Jörg Vetter ist eine Überraschung gelungen. Manfred Knof hatte bei der Suche nach einem neuen Vorstandschef für Commerzbank kaum jemand auf dem Zettel. Als das Frankfurter Geldhaus am Samstagabend um 20.23 Uhr bekannt gab, dass der Deutsche-Bank-Manager Anfang kommenden Jahres die Nachfolge von Martin Zielke antritt, waren viele Beobachter erst einmal verblüfft.

Vetter hat sich Finanzkreisen zufolge für eine externe Lösung starkgemacht. Er will, dass der neue Vorstandschef die Lage der Bank unvoreingenommen analysiert und bei der anstehenden Restrukturierung keine Rücksicht auf alte Seilschaften nehmen muss. Zudem verweist Vetter darauf, dass Knof große Erfahrung beim Umbau von Unternehmen gesammelt hat – vor allem in seiner Zeit beim Münchener Versicherungskonzern Allianz.

„Manfred Knof ist ein erfahrener und umsetzungsstarker Topmanager, der sich in unterschiedlichsten Aufgaben in der Finanzdienstleistungsindustrie bewiesen hat“, erklärte Vetter, der seit August das Kontrollgremium von Deutschlands zweitgrößter Privatbank leitet. „Vor allem mit Blick auf die jetzt anstehenden Aufgaben in der Bank bringt er die notwendigen fachlichen und menschlichen Führungsqualitäten mit.“

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Knof selbst erklärte, er habe großen Respekt vor der neuen Aufgabe. „Die Commerzbank hat mit ihrer Mittelstandsbank eine hohe Relevanz für die deutsche Wirtschaft“, betonte er. „Im Privatkundengeschäft hat sie innovative Akzente gesetzt. Und sie hat eine einzigartige Kultur, auf die ich mich besonders freue.“

Im Umfeld des Aufsichtsrats hieß es, die Gespräche mit Knof seien sehr schnell über die Bühne gegangen. In weniger als 14 Tagen sei die Sache klar gewesen. In den Gesprächen sei man sich einig gewesen, dass die Bank ihre Transformationsgeschwindigkeit erhöhen müsse. Zudem fehle der Commerzbank derzeit das nötige Selbstbewusstsein, das man für einen großen Umbau benötige. Dieses Selbstbewusstsein wieder herzustellen, zähle zu Knofs wichtigsten Aufgaben.

Im Umfeld des neuen Vorstandschefs heißt es zudem, er sehe große Chancen darin, die Commerzbank als nachhaltige Alternative im deutschen Bankenmarkt zu positionieren – etwa durch ein verstärktes Engagements bei grünen Fonds und Bonds.

Die Entscheidung für Knof im Commerzbank-Aufsichtsrat fiel zwar einstimmig, doch Euphorie hat seine Berufung nicht ausgelöst. Die Reaktionen von Investoren, Politikern und Mitarbeiten fielen durchwachsen aus. Während Knofs Sanierungserfahrung allerseits geschätzt wird, bemängeln Kritiker, dass sich der 55-Jährige gerade im Firmenkundengeschäft nicht genug auskenne – hierbei handelt es sich schließlich um eines der wichtigsten Segmente der Bank.

Makel Deutsche Bank

Viele Beschäftigte sehen es zudem als Makel, dass Knof vom Lokalrivalen Deutsche Bank in die Commerzbank-Zentrale am Frankfurter Kaiserplatz wechselt – und dass ihm ein Ruf als unbarmherziger Restrukturier vorauseilt. Auseinandersetzungen mit den Arbeitnehmervertretern, die bei der Commerzbank traditionell großen Einfluss haben, scheinen unausweichlich.

„Herr Knof gilt als harter Sanierer, aber auch wir sind harte Verhandler“, sagt Verdi-Gewerkschaftssekretär Stefan Wittmann, der als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Commerzbank sitzt, dem Handelsblatt. „Wir werden dafür kämpfen, dass beim Umbau der Bank die Interessen der Arbeitnehmer gewahrt werden.“

Darüber hinaus erwartet Wittmann von Knof eine Aussage zur Selbstständigkeit des 150 Jahre alten Geldhauses. „Er muss das Ziel verfolgen, die Commerzbank als unabhängiges Institut weiterzuentwickeln“, sagte der Gewerkschafter. „Wenn er vorhat, uns mit der Deutschen Bank oder einem anderen Institut zu fusionieren, soll er seinen Job besser gar nicht erst antreten.“

Wittmann fordert, dass sich der neue CEO schnell einarbeitet – idealerweise schon vor dem 1. Januar 2021 –, damit die Bank spätestens im Frühjahr Entscheidungen über ihre künftige Strategie treffen kann. „Die Belegschaft leidet sehr unter der aktuellen Ungewissheit und braucht dringend ein Zeichen, wo die Reise hingeht.“

Neue Strategie verzögert sich

Die Planungen des aktuellen Vorstands sehen die Streichung von rund 10.000 Stellen sowie eine deutliche Ausdünnung des Filialnetzes vor. 800 der aktuell 1000 Geschäftsstellen sollen geschlossen werden. Parallel will das Institut 300 bis 400 sogenannte Service Points betreiben, in denen nur wenige Mitarbeiter arbeiten. Im Firmenkundengeschäft sind insbesondere im Ausland Einschnitte geplant. Beschlossen und umgesetzt werden kann die neue Strategie jedoch erst, wenn ein neuer Vorstandschef an Bord ist.

Da Knof erst Anfang 2021 offiziell anfängt, wird sich die Verabschiedung einer neuen Strategie nun bis ins nächste Jahr verzögern. Das sehen innerhalb und außerhalb der Bank viele kritisch. „Das Vakuum bis zu seinem Amtsantritt ist viel zu lange“, moniert der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler. „Eine so lange Hängepartie ist für die Commerzbank wieder mal verlorene Zeit, um den dringenden Umbau des Hauses endlich energisch voranzubringen.“

Darüber hinaus fordert Schäffler, dass der Bund seine Anteile an dem Geldhaus schnellstmöglich verkauft. Der Staat hatte die Commerzbank in der Finanzkrise gerettet und ist mit einer Beteiligung von 15,6 Prozent größer Anteilseigner. Das Finanzministerium begrüßte, dass der Aufsichtsrat mit der Berufung von Knof „einen qualifizierten Nachfolger für die Position des Vorstandsvorsitzenden gefunden hat“.

Fondsmanager Andreas Thomae von der Deka hält die Ernennung von Knof „grundsätzlich für eine gute Entscheidung“. Als Außenseiter bringe er eine neue Perspektive ein, die die Commerzbank gut gebrauchen könne. Thomae lobt außerdem die Umstrukturierungserfahrung des neuen Chefs. Knofs vergleichsweise kurze Erfahrung als Bankmanager sieht Thomae nicht als Manko: „Vielleicht ist es ja sogar gut, dass jemand mit unkonventionellen Ideen antritt.“

Der Fondsmanager erwartet von Knof, dass dieser nicht nur die Kosten senkt, sondern auch für steigende Erträge sorgt: „Eigentlich hat die Commerzbank sehr gute Kundenbeziehungen, aber sie macht zu wenig daraus. An dieser Schwäche muss der neue Vorstandschef arbeiten.“

Den Verdacht, dass Knof als Deutsch-Banker zur Commerzbank geholt wurde, um nach dem gescheiterten Zusammenschluss beider Institute im Frühjahr 2019 einen neuen Fusionsanlauf zu starten, hält Thomae für unbegründet. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass der neue Vorstandschef den Auftrag hat, die Commerzbank eigenständig voranzubringen.“

Andere Investoren beurteilen Knofs Berufung kritischer. Der ebenfalls als CEO gehandelte Firmenkundenvorstand Roland Boekhout, der einst die niederländische Direktbank ING Diba erfolgreich leitete, wäre aus ihrer Sicht der bessere Kandidat gewesen.

Innerhalb der Bank hoffen viele, dass Boekhout und die ebenfalls als CEO gehandelte Finanzchefin Bettina Orlopp weiter an Bord bleiben. Knof habe kein Problem, mit beiden zusammenarbeiten, sagen Wegbegleiter. Manche Beteiligte finden, dass der Schritt an die Spitze für Orlopp aktuell zu früh gekommen sei. Auf mittlere Sicht trauen sie ihr den Chefposten aber zu.

Dass Vetter nun mit Knof einen Kandidaten ausgewählt hat, mit dem er harmoniert, sei wichtig, heißt es im Umfeld eines Großaktionärs. „Für uns ist die Nominierung ein Indiz dafür, dass sich Herr Vetter beim Umbau der Bank auch selbst stark einbringen wird.“ Grundsätzlich müsse man konstatieren, dass es für die Commerzbank aktuell schwer sei, einen Kandidaten zu finden, der alle Anforderungskriterien zu 100 Prozent erfülle.

„Es ist bezeichnend, dass sich für den Topjob bei Deutschlands zweitwichtigster Bank kaum jemand findet“, sagt auch der Linken-Politiker Fabio De Masi. Bei der Deutschen Bank habe Knof versucht, als Kostendrücker zu glänzen – und sei damit gescheitert. „Die Commerzbank braucht vor allem ein realistisches Geschäftsmodell für das digitale Zeitalter“, sagt De Masi. „Da braucht es mehr als einen Erbsenzähler, sondern jemand, der eine Idee von der Zukunft hat.“

Aus Sicht des Grünen-Politikers Danyal Bayaz war es höchste Zeit, das Führungsvakuum bei der Commerzbank zu beenden. „Angesichts der anhaltenden Corona-Pandemie drohen Unternehmen zunehmend Insolvenzen, was sich auch in der Bilanz der Commerzbank bemerkbar machen dürfte“, betont Bayaz. „Hier braucht es eine klare Strategie von Herrn Knof, wie er die Bank durch diese Phase führen und – bei Bedarf – stärker kapitalisieren möchte.“

„Ich spiele nicht Golf“

Unstrittig ist, dass die Commerzbank mit Knof keinen bequemen Chef bekommt. In einem Videointerview mit der European Business School im August beschrieb Knof sich selbst so: „Einige Kollegen sagen, dass ich ziemlich ungeduldig bin. Ich selbst denke, dass ich nicht der beste Networker oder Fundraiser bin – und ich spiele definitiv nicht Golf wie meine Kollegen.“

21 Jahre arbeitete Knof für den Versicherungsriesen Allianz und galt dort als Spezialist für schwierige Missionen. Unter anderem sanierte er mehrere Auslandstöchter, senkte Kosten und trieb die Digitalisierung voran.
Als Chef der mächtigen Deutschland-Tochter des Versicherers warf er 2017 allerdings nach nur zweieinhalb Jahren das Handtuch – der eher knorrige Manager, der als seinen Lieblingsort eine Berghütte in Österreich angibt, hatte sich mit Konzernchef Oliver Bäte überworfen. Knof gab damals gesundheitliche Gründe für seinen Abschied von der Allianz an und wollte eine Auszeit nehmen.

Knapp zwei Jahre später tauchte der Manager, der seinen Tag pünktlich um 5.30 Uhr mit Meditations- und Yogaübungen beginnt, dann überraschend bei der Deutschen Bank auf. Vorstandschef Christian Sewing brauchte schnell Verstärkung im Privatkundengeschäft, weil der für den Bereich zuständige Vorstand Frank Strauß die Bank kurzfristig verlassen hatte.

Die Verantwortung im Vorstand für den Bereich übernahm damals der stellvertretende Vorstandschef Karl von Rohr, Knof war eine Ebene darunter für die operative Sanierung des Privatkundengeschäfts zuständig. Seine Aufgabe: eine Milliarde Euro einsparen. Knof habe die Kostenpläne seines Vorgängers Strauß noch einmal deutlich nachgeschärft, heißt es in der Deutschen Bank. Außerdem habe er mit den separaten Strukturen für die Bonner Privatkundentochter Postbank aufgeräumt, die unter anderem wegen der starken Position der Gewerkschaft Verdi lange unangetastet geblieben waren.

Darüber hinaus gilt Knof als Fan eines starken Vertriebs. Bei der Deutschen Bank hat er versucht, vor allem bei Verwaltungsaufgaben und IT die Kosten zu senken, und die Vertriebsmannschaft eher geschützt.

Schon kurz nach seinem Wechsel nach Frankfurt gab es Gerüchte, Knof sei unzufrieden mit seinem neuen Job, weil er nicht genug Durchgriffsrechte habe. Im vergangenen April sagte er im Interview mit dem Handelsblatt zum Verhältnis zu seinem Arbeitgeber: „Ich habe hier eine sehr spannende Aufgabe. Und gerade jetzt bin ich froh, hier an Bord sein zu dürfen.“ Jetzt heißt es in Finanzkreisen zum unerwarteten Wechsel zur Commerzbank: Wenn sich für einen Manager eine solche Chance ergebe, müsse man zugreifen.

Keine heiligen Kühe

Unbelastet war das Verhältnis zwischen Knof und dem größten deutschen Geldhaus aber offenbar nicht. In der offiziellen Abschiedsmail dankt Karl von Rohr Knof zwar für seinen Einsatz. Wenn es darum geht, die jüngsten Fortschritte zu loben, hebt von Rohr allerdings ausschließlich auf die Leistung des Teams ab: „Die Führungsmannschaft hat in den vergangenen Monaten unsere Transformation in wichtigen Bereichen entschieden vorangetrieben und unter anderem beschlossen, die Integration der IT-Plattform von Deutscher Bank und Postbank zu beschleunigen und das Filialnetz der Marke Deutsche Bank noch einmal anzupassen“, heißt es in der Mail, die dem Handelsblatt vorliegt. Einen Nachfolger für Knof soll es erst einmal nicht geben. Von Rohr wird seine Aufgaben übernehmen.

Worauf müssen sich die Mitarbeiter der Commerzbank nun bei dem neuen Vorstandschef Knof einstellen? „Er wird auch hier die Zahlen und Trends im Markt genau anschauen und dann durchgreifen“, ist aus der Deutschen Bank zu hören. Heilige Kühe kenne der Manager dabei nicht. Eines sei daher sicher: Die Gewerkschafter bei der Commerzbank würden deshalb „viel Spaß mit ihm bekommen“.