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Man liebt ihn oder man hasst ihn: Wie es Boris Johnson nach ganz oben geschafft hat

Boris Johnson wird der 77. Premierminister Großbritanniens. Er verspricht, das Land zu einen. Er könnte allerdings das genaue Gegenteil erreichen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass er einmal Premierminister würde, sei in etwa so hoch, wie dass er als Olive wiedergeboren werde, hat Boris Johnson einmal gesagt. Viele Briten halten den 55-Jährigen für einen Kasper, für einen Sprücheklopfer ohne viel Substanz.

Vor einigen Monaten aber wirkte Johnson bei einem TV-Auftritt verändert: schlanker, geradezu gesittet und die Haare brav gekämmt. Die Briten wunderten sich und fühlten sich bestätigt: Der ehemalige Außenminister bereitete sich offenbar darauf vor, nächster Premier zu werden.

Als dann Ende Mai die schon lange angeschlagene Amtsinhaberin Theresa May ihren Rücktritt ankündigte, machte Johnson keinen Hehl mehr aus seinem Ziel. Er kündigte an, für den Posten zu kandidieren.

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Nun hat es Johnson geschafft: An diesem Dienstag wurde sein Sieg in der parteiinternen Abstimmung verkündet. Mit 92.153 der insgesamt 159.320 Stimmen von den Mitgliedern der Regierungspartei ließ er seinen Rivalen, Außenminister Jeremy Hunt, deutlich abgeschlagen hinter sich. Damit wird Königin Elizabeth II. ihn am Mittwoch zum Premierminister ernennen.

Er wisse, dass einige Briten und sogar einige Wähler zweifeln, ob seine Wahl eine weise Entscheidung war, kalauerte Johnson, als er nach Bekanntgabe seines Wahlsiegs vor die Öffentlichkeit trat. Aber keine Person oder Partei könne behaupten, alle Weisheit für sich gepachtet zu haben.

Das Motto seiner Kampagne sei gewesen, den Brexit umzusetzen, das Land zu einen und den Oppositionsführer der Labourpartei, Jeremy Corbyn, zu schlagen. Diese Aufgaben wolle er nun angehen, kündigte er an. „Wir können das schaffen.“

Alexander Boris de Pfeffel Johnson – wie sein voller Name lautet – hat damit allerdings große Herausforderungen vor sich. Gemessen werden wird er wohl am Brexit, der schon seit Jahren sein Leben bestimmt.

Bereits als junger Journalist wetterte er gegen die Europäische Union (EU). Dabei war er als Sohn eines ehemaligen Mitarbeiters der EU-Kommission zeitweise sogar in Brüssel aufgewachsen, bevor er in Großbritannien auf Elite-Schulen ging.

In der Kampagne vor dem EU-Referendum zählte Johnson, damals noch Bürgermeister von London, zu denen, die den Brexit am lautesten als großartiges Unterfangen anpriesen. „Ohne Boris hätten die Leaver nicht gewonnen“, sagt ein Politiker. Sein überzeugendes Auftreten und seine große Bekanntheit hätten den Ausschlag gegeben, dass eine knappe Mehrheit der Briten für den Brexit stimmte.

Johnson wurde zum „Marmite-Politiker“

Kritiker unterstellten Johnson, sich nur für den Brexit einzusetzen, weil er erkannt hatte, dass man mit dem Thema Karriere machen kann. Als das Referendum dazu führte, dass Premierminister David Cameron im Juni 2016 zurücktrat und die konservative Partei einen Nachfolger suchte, galt es als sicher, dass Johnson für das Amt kandidieren würde.

Doch kurz vor dem Ende der Frist für die Bewerbung, die ihn an die Schwelle von No. 10 Downing Street hätte tragen können, drehte Johnson überraschend bei. Hinter den Kulissen hatten offenbar Johnsons parteiinterne Gegner gegen ihn gearbeitet und unter der Losung „ABB“ („Anyone But Boris“, zu Deutsch: „Jeder außer Boris“) versucht, seine Kandidatur zu verhindern.

Johnson war zum „Marmite-Politiker“ geworden, in Anspielung auf den in Großbritannien allseits bekannten Brotaufstrich, der mit dem Slogan wirbt „entweder man liebt es oder man hasst es“. Als sich sein einstiger Verbündeter Michael Gove öffentlich gegen Johnson stellte und, statt diesen zu unterstützen, selbst für das Amt kandidierte, sah der ehrgeizige Johnson offenbar seine Chancen schwinden und verzichtete auf die Kandidatur.

Aber Johnson verschwand nicht lange von der politischen Bühne: Im Juli 2016 ernannte Premierministerin May ihn zum britischen Außenminister – zur großen Überraschung im In- und Ausland. Schließlich ist die Liste derjenigen Politiker lang, die Johnson im Laufe der Jahre öffentlich beleidigt hatte.

Den ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama stieß er mit der Bemerkung vor den Kopf, Obama sei „halb-kenianisch“ und deswegen antibritisch eingestellt. Die Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton verglich Johnson einst mit einer „sadistischen Krankenschwester in einem psychiatrischen Krankenhaus“, und angesprochen auf die Tatsache, dass er einmal in New York mit US-Präsident Donald Trump verwechselt worden sei, erklärte er uncharmant, das sei „der schlimmste Moment in seinem Leben gewesen“.

Johnson versucht, Optimismus zu verbreiten

Doch Johnson schreckt keineswegs davor zurück, seine Meinung zu ändern, weder was den US-Präsidenten angeht, noch bei anderen Themen. Kritiker werfen ihm deswegen vor, er sei nicht vertrauenswürdig.

Seine Fans interessiert das nicht. Sie lassen sich von dem Enthusiasmus überzeugen, mit dem Johnson seine Theorien verbreitet und Versprechen macht. Johnson verbreitet Optimismus. Sogar Trump spricht in den höchsten Tönen von ihm. „Ich mag ihn“, sagte der US-Präsident vor wenigen Tagen über Johnson: „Ich glaube, wir werden großartig miteinander auskommen.“

Johnson kann das nur recht sein. Er kann in den kommenden Monaten jeden Verbündeten brauchen. Denn sogar aus den Reihen der konservativen Regierungspartei schlägt ihm offen Kritik entgegen. Langjährige Spitzenpolitiker sind in den vergangenen Tagen zurückgetreten. Gerüchte machen die Runde, dass die Opposition ein Misstrauensvotum vorbereitet.

Johnsons jüngste Vorgänger, David Cameron und Theresa May, sind am EU-Austritt gescheitert. Johnson hat seinen Wählern nun versprochen, dass Großbritannien die EU genau 100 Tage nach seinem Amtsantritt verlässt.