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Mainfirst-Chef: Wie Ebrahim Attarzadeh als Migrant den Aufstieg schaffte

Als Kind wurde er aus dem Iran allein nach Deutschland geschickt. Heute arbeitet Ebrahim Attarzadeh erfolgreich für die Tochter der US-Investmentbank Stifel.

Der 8. März wird Ebrahim Attarzadeh länger im Gedächtnis bleiben. Der Chef der deutschen Bank Mainfirst kam aus dem österreichischen Skiort Ischgl zurück. Es fühlte sich schlecht und suchte ein Krankenhaus in seinem Schweizer Wohnort Pfäffikon auf. Zunächst herrschte Rätselraten bei den Ärzten. Tage später stellte sich heraus, dass der Deutsch-Iraner das Coronavirus aus dem Skiurlaub in Ischgl mitgebracht hatte.

Attarzadeh zählte zu den ersten Corona-Kranken in der Schweiz. Nach seiner Genesung bot der Bankchef seine Dienste als Rettungssanitäter an. Der 43-Jährige kann nicht nur Banking, sondern hat auch schon als Rettungssanitäter gearbeitet.

Herausforderungen wie diese ist der gebürtige Iraner gewohnt. Mit seiner Frankfurter Bank Mainfirst befindet er sich auf Wachstumskurs in Zeiten, in denen andere Institute wie die Deutsche Bank massiv Mitarbeiter abbauen. Attarzadeh dagegen plant, sein Institut für die Mutter Stifel, die an der US-Börse mit 3,5 Milliarden Dollar bewertet wird, auszubauen.

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Für die klassische Investmentbank Stifel ist Mainfirst „die Speerspitze in Kontinentaleuropa und gewinnt angesichts eines befürchteten, harten Brexits noch mehr an Gewicht für die amerikanische Mutter“, sagt der zweifache Familienvater. Da ist eine Banklizenz in der Europäischen Union viel wert.

Wachsen will die Bank vor allem im Heimatmarkt Deutschland. Dabei konzentriert sich das Institut auf Technologie- und Wachstumsunternehmen. Bieten sich Übernahmegelegenheiten an, „schauen wir sie uns an“, sagt der Vorstandschef. In Deutschland sind 160 Mitarbeiter beschäftigt. Von ihnen werden 400 Unternehmen abgedeckt. Im ersten Halbjahr erzielte die Mutter Stifel allein im Bereich Aktien Einnahmen von mehr als 256 Millionen Dollar. Anhand von Berechnungen des Analysehauses McLagan gehen Experten davon aus, dass 30 bis 45 Millionen Dollar von Mainfirst stammen.

Sein Weg an die Spitze von Mainfirst war für Attarzadeh ein langer Marsch. Wenn heute über die Integration von Flüchtlingen in die Gesellschaft geredet wird, kann der Mann mit dem markanten Gesicht mitreden. Ihm ist gelungen, woran viele gescheitert sind. Das prägte ihn auch bei seinem Erfolg als Banker. „Aus einer Übergangszeit von ein paar Monaten wurden 35 Jahre in Deutschland und der Schweiz“, wie er selbst sagt.

Abschied als Achtjähriger

Das Ergebnis: „Attarzadeh ist absolut fokussiert und gut vernetzt. Es gehört zu seiner DNA, gemeinsam viel zu erreichen“, sagt der Chef der Vereinigten Bioenergie, Claus Sauter, angesichts seiner Erfahrungen mit ihn. Trotz schwieriger Geschichte sei er ein offener, positiver Mensch geblieben, der Menschen mitreißen könne, ergänzt Matthias Born, Chefstratege bei Berenberg Asset Management. Attarzadeh habe sich vom Wertpapierhändler zum strategisch denkenden Bankchef entwickelt. Er sei ein Vorbild.

Als der achtjährige iranische Junge 1985 in das 2000 Seelen starke Stockum vertrieben wurde, einem Stadtteil von Sundern im Sauerland, war sein Schicksal völlig offen. Von seinen Eltern in einen Flieger der Lufthansa gesetzt, sollte er seiner Familie in Deutschland vorauseilen. Das Ziel: die Familie des Zwillingsbruders seines Vaters.

Der war bereits zuvor mit seiner Frau vor dem iran-irakischen Grenzkrieg nach Stockum geflohen. Nun sollte auch der Junge Ebrahim nicht mehr vor den Bomben in den Heizungskeller des Hauses der Familie im Norden Teherans flüchten müssen und sicheren Zeiten entgegengehen.

Doch nicht nur Eltern und Geschwister fehlten ihm in den ersten Wochen. Sein Onkel nahm ihn ordentlich ran. „Während alle anderen Kinder in den Sommerferien spielten, musste ich Deutsch pauken. Aber ich wollte meine Eltern nicht enttäuschen“, sagt er. Als einziger Ausländer in einer Klasse einheimischer Schüler wurde der Kriegsflüchtling gut aufgenommen.

In den kommenden Jahren prägte ihn der „Wertekanon Glaube, Sitte, Heimat“. Der Jugendliche Ebrahim lief bei Schützenfesten genauso mit wie im Karneval. „Bei den Heiligen Drei Königen gab ich den Melchior“, sagt der Mann, den seine Bekannten „Ebbi“ nennen. Bei seinen rabenschwarzen Haaren verwundert das nicht, die anfangs für Aufsehen unter den Mitschülern sorgten. Da kam es vor, dass Mitschüler seine Haare ungläubig berührten.

Immer in seinem Leben musste Attarzadeh kämpfen. Das galt auch, als seine Mutter mit dem Bruder nach Deutschland folgen wollte. Der Junge besuchte damals bereits die achte Klasse. Wegen eines fehlenden Visums landeten Mutter und Bruder aber nicht bei ihm, sondern in Dänemark und mussten dort zweieinhalb Jahre in einem Flüchtlingscamp ausharren. Die Familie blieb getrennt.

Trainingsprogramm bei der Deutschen Bank

Kämpfen musste er auch beim Wechsel auf das Gymnasium. Sein Lehrer sah ihn als „noch nicht so weit“ für die weiterführende Schule an. Eine Täuschung: 1997 macht der Mann mit dem deutschen und iranischen Pass sein Abitur und hielt die Abiturrede für seinen Jahrgang.

Es folgten ein Wirtschaftsstudium und eine Menge Praktika, etwa im Wirtschaftsministerium von Nordrhein-Westfalen und bei der Westdeutschen Landesbank. Danach durchlief er ein Trainingsprogramm bei der Deutschen Bank in der Abteilung für strukturierte Derivate. Bei der Bank blieb er erst einmal. Aus ihm wurde ein Aktienhändler, den es im März 2006 zu Mainfirst zog, wo ihn der damalige Vorstandschef Patrick Bettscheider unter seine Fittiche nahm, dessen Nachfolger er heute ist.

Mit Erfolg, wie sich zeigt. In den nächsten drei Jahren will Attarzadeh in Kontinentaleuropa bei Mainfirst allein den Bereich Fusionen und Übernahmen um bis zu 20 Leute ausbauen. Entlassungen bei den Großbanken werden die Pläne des Mannes erleichtern, dessen Integration mehr als gelungen ist. Sein Ratschlag mit Blick auf die Flüchtlinge: „Integration ist immer eine Symbiose des Charakters des Einzelnen mit den Werten und Gewohnheiten einer Gesellschaft.“