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Die magischen sechs Prozent

Im vergangenen Jahr sind die Tariflöhne real nur um 0,6 Prozent gestiegen. Weil die Inflation wieder beginnt, die Steigerungen bei den Löhnen aufzufressen, satteln die Gewerkschaften bei ihren Forderungen drauf.

Lange Zeit spielte die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) den Beschäftigten in die Hände. Sie bescherte ihnen zwar mickrige Zinsen auf dem Sparbuch, aber dafür Zuwächse beim Entgelt, weil die Inflation kaum spürbar war. Doch damit ist es jetzt vorbei: Im vergangenen Jahr stiegen die Löhne und Gehälter der Tarifbeschäftigten real – also nach Abzug der Preissteigerung – nur noch um 0,6 Prozent, wie das Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung ermittelt hat. In den Jahren 2014 bis 2016 hatten die Tariflöhne real noch um 1,9 bis 2,4 Prozent zugelegt. „Da die Inflationsrate wieder spürbar höher ist, fällt der Reallohnzuwachs 2017 im Vergleich zu den Vorjahren deutlich geringer aus“, sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Thorsten Schulten.

Das Institut bezieht bei seiner kalenderjährlichen Betrachtung neben den Neuabschlüssen des Jahres 2017 auch Stufenerhöhungen ein, die bei Tarifabschlüssen in den Vorjahren vereinbart worden waren. Nominal lagen die Tarifsteigerung in den beiden zurückliegenden Jahren bei jeweils 2,4 Prozent, in den Jahren davor schwankten sie zwischen 2,7 und 3,1 Prozent.

Den Gewerkschaften sei es im vergangenen Jahr gelungen, den gesamtwirtschaftlichen Verteilungsspielraum nahezu auszuschöpfen. Darunter wird die Summe aus Inflationsrate und Produktivitätsfortschritt verstanden. Lege man aber bei der Preissteigerung nicht die tatsächliche Rate, sondern die Zielinflationsrate der EZB von knapp unter zwei Prozent zugrunde, dann sei der Spielraum in den vergangenen Jahren nicht immer ausgeschöpft worden.

Die Gewerkschaften preisen die wieder anziehende Inflation in den Tarifrunden, die in diesem Jahr anstehen, bereits ein. Insgesamt wird 2018 über die Löhne und Gehälter von knapp zehn Millionen Beschäftigten verhandelt. Die ersten Forderungen liegen bereits auf dem Tisch. Die IG Metall verlangt sechs Prozent mehr Geld für die rund 3,9 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie sowie die Option aus Arbeitszeitverkürzung mit Teillohnausgleich. Mit massiven Warnstreiks verleiht sie ihrer Forderung Nachdruck.

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Knackpunkt hier ist weniger das Entgelt – Metaller verdienen im Durchschnitt mehr als 56.000 Euro im Jahr. Der von der Gewerkschaft geforderte Zuschuss für Metaller, die kürzer treten wollen, macht die Verhandlungen kompliziert. Den Zuschuss sollen jene Arbeiter bekommen, die Kinder erziehen, Angehörige pflegen oder Schichtarbeiter sind. Er sei eine „Stilllegungsprämie für Fachkräfte“, argumentieren die Arbeitgeber und lassen bei diesem Punkt bisher keine Bewegung erkennen.

Sechs Prozent mehr Geld fordert auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi – und zwar für die 130.000 Tarifbeschäftigten und Auszubildenden der Deutschen Post. Der Konzern stehe „wirtschaftlich blendend da“, sagt die stellvertretende Verdi-Vorsitzende und Verhandlungsführerin Andrea Kocsis. „Jetzt ist es an der Zeit, diesen Erfolg mit den Beschäftigten zu teilen“. Die Gewerkschaft fordert für die Beschäftigten zudem die Option, einen Teil der Entgelterhöhung in mehr Freizeit umzuwandeln. Sie folgt damit einem Modell, dass die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG und die Lokführergewerkschaft GDL auch bei der Deutschen Bahn durchgesetzt hatten. In der Tarifrunde 2015 hatte Verdi bei der Post 5,5 Prozent mehr Geld für zwölf Monate gefordert. Am Ende einigten sich beide Seiten auf einen Abschluss von 3,7 Prozent in zwei Stufen bei einer sehr langen Laufzeit von 32 Monaten.

Fast scheint es, als hätten sich die Gewerkschaften in diesem Jahr abgesprochen. Auch die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) fordert für die knapp 700.000 Beschäftigten des Bauhauptgewerbes sechs Prozent mehr Geld, ebenso wie die IG Metall in der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie und bei Volkswagen, wo ein Haustarifvertrag gilt. Der Hauptvorstand der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) empfiehlt seinen Gremien eine entsprechende Forderung für die Mitarbeiter des Hotel- und Gaststättengewerbes. Etwas bescheidener gibt sich Verdi bei der Deutschen Telekom mit 5,5 Prozent für 12 Monate.

Für die knapp 2,5 Millionen Beschäftigten bei Bund und Kommunen will Verdi am 8. Februar die Forderung beschließen. Die Bundestarifkommission hat aber schon angedeutet, dass sie sechs Prozent für angemessen halte. Verdi-Chef Frank Bsirske hatte direkt nach dem Jahreswechsel erklärt, dass dieses Mal mehr Geld als in der vergangenen Runde rausspringen müsse. 2016 hatten sich die Gewerkschaften mit den öffentlichen Arbeitgebern auf eine Erhöhung um insgesamt 4,75 Prozent in zwei Stufen bei einer Laufzeit von 24 Monaten geeinigt. Gefordert hatte Verdi damals sechs Prozent für zwölf Monate.

Offen ist derzeit noch, was die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie für die 580.000 Beschäftigten der chemischen Industrie fordern wird. IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis hat klar gemacht, dass die Branche aus seiner Sicht glänzend dastehe. Wachstumsraten von 5,5 Prozent im vergangenen Jahr und prognostizierte drei Prozent in diesem Jahr sowie eine Auslastung von 87 Prozent sprächen für sich. Die Chemiekonzerne im Dax präsentierten derzeit mehrheitlich Vorsteuermargen von 20 Prozent Die Kollegen in den Betrieben gäben täglich ihr Bestes, etwa wenn mal wieder ein Absatzengpass drohe, sagte Vassiliadis. „Das ist ihr Aufschwung, ihr Gewinn.“ Daran sollten sie auch angemessen beteiligt werden, forderte der Gewerkschafter vor Journalisten in Hannover. Und zwar nicht nur mit einem Lohnplus, das Produktivitätsfortschritt und Inflation ausgleiche. „Es ist Zeit für Umverteilung“, sagte Vassiliadis. „Wann, wenn nicht jetzt?“ Das Tarifjahr 2018 – es dürfte spannend werden.