Maechler-Nachfolge bei der SNB gleicht Quadratur des Kreises
(Bloomberg) -- Kaum klingt die Bankenkrise in der Schweiz ab, muss die Schweizerische Nationalbank einen Nachfolger für eine der wichtigsten Positionen an ihrer Spitze finden.
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Andréa Maechler, das für den Geldmarkt zuständige Direktoriumsmitglied, hat nur noch eine der vierteljährlichen Zinsentscheidungen bei der Schweizerischen Nationalbank zu verantworten und wird am Donnerstag eine ihrer möglicherweise letzten Reden halten. Sie wird Ende Juni abtreten, um stellvertretende Chefin der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zu werden.
Im vergangenen Jahr war Maechler für die Umsetzung der einschneidenden Entscheidung der SNB verantwortlich, die Devisenkäufe zu beenden und mit Verkäufen zu beginnen. Während der Notübernahme der Credit Suisse Group AG in diesem Monat sorgten ihre Mitarbeiter dafür, dass die Banken mit Dollar-Liquidität versorgt wurden, und hielten die Geldmärkte im Lot.
Einen Nachfolger zu finden, der über die Glaubwürdigkeit und die Fähigkeiten verfügt, die Zinssätze in einem Zinserhöhungszyklus festzulegen, während die Überbleibsel einer Bankenkrise weiter schwelen, ist schwierig genug. Hinzu kommt die Aufgabe, die Transmission der Geldpolitik durchzusetzen und gleichzeitig die Reduzierung der rund 900 Milliarden Franken schweren SNB-Bilanz fortzuführen.
Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass das dreiköpfige Direktorium die Mehrsprachigkeit der Schweiz widerspiegeln soll. Eine Frau wäre ideal und eine Person von außerhalb der Zentralbank wäre ebenfalls wünschenswert.
Kompliziert wird es für den Bankrat der SNB, dessen Aufgabe es ist, Kandidatinnen und Kandidaten vorzuschlagen, auch dadurch, dass nur Schweizer Bürgerinnen und Bürger wählbar sind. Die Regierung ist bei ihrer endgültigen Entscheidung nicht an die Empfehlung gebunden.
“Es wird nicht besonders einfach sein, einen Nachfolger für Andréa Maechler zu finden”, sagte Karsten Junius, Chefvolkswirt der Zürcher Bank J. Safra Sarasin AG, und verwies auf die Schwierigkeit, einen “erstklassigen” Ökonomen zu finden und außerdem eine sprachliche und geschlechtliche Ausgewogenheit für das Direktorium zu finden.
Das Spracherfordernis ist eine ungeschriebene Regel, die sich als unüberwindbar erweisen könnte. Sowohl SNB-Präsident Thomas Jordan als auch Vizepräsident Martin Schlegel sind hauptsächlich deutschsprachig. Die Ernennung von jemandem aus einem französisch- oder italienischsprachigen Kanton wäre optimal.
Maechler erfüllte das Kriterium der französischen Sprache und war außerdem die erste Frau im Spitzengremium der Notenbank seit 117 Jahren. Da das Geschlechterverhältnis in der SNB unter Beobachtung steht, wäre eine erneute Besetzung mit einer Frau von Vorteil.
Während die Uhr tickt, beginnen die Spekulationen über Maechlers möglichen Nachfolger. Hier ein Blick auf einige potenzielle Kandidaten.
Attilio Zanetti
Der 53-jährige Attilio Zanetti ist seit mehr als zwei Jahrzehnten bei der SNB und leitete die internationale Währungskooperation, bevor er letztes Jahr eines von vier stellvertretenden Direktoriumsmitgliedern wurde. Zuvor verbrachte er einige Monate beim Internationalen Währungsfonds und bei der Federal Reserve of San Francisco und war Dozent an der Universität Basel. Der im italienischsprachigen Bellinzona geborene und im französischsprachigen Fribourg ausgebildete Zanetti spricht die richtige Sprache.
Petra Gerlach
Petra Gerlach, 47, ist neben Maechler die einzige Frau in der erweiterten Führungsriege der SNB. Bevor sie stellvertretendes Mitglied des Direktoriums wurde, war sie stellvertretende Leiterin des Wirtschaftsressorts. Sie trat vor 19 Jahren in die Zentralbank ein, verbrachte jedoch fünf Jahre davon bei der BIZ und in einer akademischen Funktion in Dublin. Gerlach wäre die klarste weibliche interne Wahl, obwohl Deutsch als ihre Muttersprache gegen sie spricht.
Andere Kandidaten
Die SNB könnte ihr eigenes Aufsichtsgremium nach einer Kandidatin durchforsten, wie zum Beispiel die Genfer Finanzprofessorin Rajna Gibson Brandon — eine qualifizierte französischsprachige Frau und ehemaliges Mitglied der Eidgenössischen Bankenkommission. Sie gehört dem Gremium an, das für die Suche nach Maechlers Nachfolger zuständig ist, was sich als Hindernis für ihre Auswahl erweisen könnte. Die SNB äußert sich nicht dazu, ob dies sie als Kandidatin ausschließen würde.
Eine Option aus der öffentlichen Verwaltung könnte Sabine D’Amelio-Favez sein, die Direktorin der Eidgenössischen Finanzverwaltung. Sie hat sowohl französisch- als auch italienisch-schweizerische Wurzeln und bekleidet den Posten, den Maechlers Vorgänger Fritz Zurbrügg innehatte, als er 2012 zur SNB kam.
Marlene Amstad, Leiterin der Finanzaufsichtsbehörde Finma und selbst ehemalige SNB-Bedienstete, könnte eine weitere Option sein. Die Ernennung von Maechler selbst im Jahr 2015 deutet noch auf eine andere Möglichkeit hin: Ihre Wahl war eine totale Überraschung, was die Chance eröffnet, dass sich ein solches Ergebnis wiederholen könnte.
Überschrift des Artikels im Original:Swiss Franc Czar Is Sought for Heart of SNB’s Crisis Machine
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