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Madrid baut eines der größten Städteprojekte Europas

Auf zweieinhalb Quadratkilometern entsteht ein neues Finanz- und Wirtschaftszentrum. In der Coronakrise liefert das Projekt einen wichtigen Konjunkturimpuls.

Rund 27 Jahre lang rangen Investoren, Stadt und Region um den Bau eines neuen Stadtviertels der spanischen Hauptstadt. Dann hatte das Projekt so viel Fahrt aufgenommen, dass selbst die Coronakrise es nicht mehr stoppte: Mitten auf dem Höhepunkt der Pandemie im März gab das Madrider Rathaus sein ok, vor zwei Tagen ratifizierte die Region Madrid Änderungen. Damit ist nun der Weg frei für eines der ehrgeizigsten Städtebauprojekte Europas: Madrid Nuevo Norte.

Im Norden der spanischen Hauptstadt entsteht auf 2,4 Quadratkilometern Fläche ein neues Finanz- und Wirtschaftszentrum, das Madrid im europäischen Standortwettbewerb beflügeln und 250.000 neue Jobs schaffen soll. 1,5 Millionen Quadratmeter Bürofläche werden ergänzt von neuen Wohnungen, einem Stadtpark, Einkaufsmeile, sowie Kultur- und Freizeitangeboten. Das Projekt sei ein Zeichen „der Hoffnung und des Vertrauens“, sagte Madrids Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida am Dienstag bei der Vorstellung des finalen Projektentwurfs. „Madrid gibt niemals auf.“

Die spanische Hauptstadt hat so stark wie kaum eine andere Gegend in Europa unter dem Corona-Ausbruch gelitten. Das Bauprojekt, das gut sieben Milliarden Euro kosten wird, ist jetzt ein wichtiger Konjunkturimpuls.

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Ausgangspunkt der Pläne war der Wunsch des spanischen Schienennetzbetreibers Adif, den in die Jahre gekommenen Bahnhof Chamartin im Norden Madrids zu renovieren. Die Kosten wollte die Gesellschaft mit dem Verkauf der umliegenden Fläche finanzieren. 1993, mitten im spanischen Immobilienboom, kaufte die heutige Großbank BBVA mit dem Baukonzern Sanjosé die Rechte für den Erwerb der Fläche des Schienennetzbetreibers. Ihm gehört rund die Hälfte der 2,4 Quadratkilometer. Doch Regierungswechsel, das Platzen der Immobilienblase im Jahr 2008 und die Finanzkrise bremsten das Vorhaben immer wieder aus.

Die ehemalige linke Madrider Bürgermeisterin Manuela Carmena machte aus der privaten Initiative schließlich eine öffentlich-private Partnerschaft. Sie sorgte dafür, dass die bebaubare Fläche verkleinert und die angrenzenden Stadtviertel besser eingebunden werden. Ihr konservativer Nachfolger Almeida hielt an den Plänen fest.

Eine zentrale Rolle spielt bei den Überlegungen weiterhin der Bahnhof Chamartin. Er soll zum neuen Schnellzug-Drehkreuz Spaniens ausgebaut werden und den Norden des Landes mit dem Süden verbinden. Der Madrider Flughafen Barajas wird von dort in 15 Minuten erreicht. Die 31 Gleise erhalten ein gigantisches Dach, auf dem ein 130.000 Quadratmeter großer Park gepflanzt wird. Er ist Teil von 400.000 Quadratmeter Grünfläche auf dem Areal.

Drei neue Wolkenkratzer

Den Kern des Projekts bilden Büros. Madrid hat derzeit vier Wolkenkratzer – nicht gerade viel im Vergleich zu anderen Millionenstädten. Im neuen Norden kommen drei weitere hinzu – gleich in der Nähe der bereits bestehenden. Der höchste wird über 300 Meter emporragen und wird damit zum höchsten Wolkenkratzer Spaniens. Um das neue Gebiet auch jenseits der Bürozeiten zu beleben, kommen Kultur-, Gastronomie- und Shoppingangebote dazu.

Zudem entstehen 10.500 private Wohnungen, ein Fünftel davon als Sozialwohnungen. Beides ist absolute Mangelware in der spanischen Hauptstadt und das Projekt soll helfen, zumindest einen Teil des Bedarfs zu decken.

Heute befinden sich auf dem Gros der zu bebauenden Fläche Brachland oder Industriegebiete. Meterhoch wächst das Gras auf dem hügeligen Streifen, der sich vom Bahnhof Chamartin gen Norden bis zum Hügel El Pardo erstreckt, dem ehemaligen Wildreservat der spanischen Könige. Teile der Baufläche sind bereits eingezäunt – ganz so, als stünde der Spatenstich unmittelbar bevor. Doch damit wird erst 2021 gerechnet.

Denn nachdem nun sowohl die Stadt als auch die Region das Projekt abgesegnet haben, muss der Kauf des kompletten Grundstücks noch formell abgewickelt werden. Drei private Investoren sind an dem Projekt beteiligt: BBVA gehören 76 Prozent, zehn Prozent hält der Bauunternehmen Sanjosé, 14 Prozent hat er an den Immobilieninvestor Merlin verkauft. BBVA gehören 76 Prozent, zehn Prozent hält der Bauunternehmen Sanjosé, 14 Prozent hat er an den Immobilieninvestor Merlin verkauft. Bevor die Detailplanungen des Quartiers begonnen werden können, muss außerdem noch über das zentrale Vorhaben, den Umbau des Bahnhofs, entschieden werden: Eine Ausschreibung von Adif läuft noch.

Massive Proteste gegen das Vorhaben wie Stuttgart 21 erwarten die Verantwortlichen nicht. Die Entwickler zitieren eine Umfrage, wonach 81 Prozent der Madrider und 92 Prozent der Bewohner in den anliegenden Vierteln das Projekt unterstützen. Das dürfte auch daran liegen, dass die bislang ungenutzte Fläche die Viertel des Nordens in Ost und West spaltet, ohne dass es zwischen beiden eine Verbindung gibt. Wer die Viertel wechseln will, muss über die Autobahn außen herum fahren. Für viele ist dieser gespaltene Teil der Stadt wie eine offene Wunde. Künftig sollen fünf Brücken von Osten nach Westen verlaufen.

Ganz ohne Proteste bleibt aber auch Madrid Nuevo Norte nicht. Über 3000 Einsprüche ist bereits entschieden. Kritiker argumentieren vor allem, das Projekt fülle die Kasse privater Investoren. Sie fordern stattdessen, die gesamte Fläche in einen Park zu verwandeln.

Dabei ist der Umweltschutz ein zentraler Teil des Projekts, das eine eigene Metrolinie mit drei Haltestellen erhält. „Bei neuen Städteprojekten ist es heute wichtig, dass die Wege kurz sind und alles ohne Auto zu erreichen sind“, sagt Álvaro Aresti, Chef der eigens für das Projekt gegründeten Entwicklungsgesellschaft Distrito Castellana Norte.

Parkmöglichkeiten sind deshalb nur für 20 Prozent der Büro-Mitarbeiter geplant. Alle anderen sollen öffentliche Verkehrsmittel oder die 13 Kilometer neuen Fahrradwege benutzen. Wer auf dem neuen Gebiet wohnt, erreicht Haltestellen und Einkaufsmöglichkeiten ohnehin zu Fuß. Der Neue Norden soll bis 2025 und damit 25 Jahre vor dem Zielwert der EU klimaneutral sein.

Kritiker monieren, dass die Coronakrise den Trend zur Heimarbeit beschleunigt und so viele Büros womöglich gar nicht mehr gebraucht werden. Entwickler Aresti hält jedoch dagegen, dass Unternehmen immer Büros brauchen werden. „Moderne, nachhaltige und innovative Gebäude und Büros mit einer guten Anbindung und nahegelegenen Einkaufsmöglichkeiten werden für Unternehmen immer wichtiger, um Talente anzuziehen“, versichert er.

Ob er Recht behält, wird Madrid erst in 25 Jahren wissen: So lange dauern voraussichtlich die Bauarbeiten.

Mehr: Architekt Stefano Boeri und seine Vision einer neuen Stadt