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Macron und Putin suchen in St. Petersburg die Annäherung

Erneut ein cremefarbener Blumenstrauß, erneut Rosen und Freesien – nun an Frankreichs Präsidentengattin Brigitte Macron, doch diesmal muss sich Russlands Präsident Wladimir Putin wohl keine Sorgen um Bild-Schlagzeilen über eine angebliche Beleidigung machen, die ihm eine Geste noch beim Besuch der Bundeskanzlerin eingebrockt hatte. Das Klima beim Treffen mit Emmanuel Macron – es ist demonstrativ freundschaftlich.

Vor ziemlich genau einem Jahr hat der russische Präsident seinen Antrittsbesuch in Versailles absolviert. Ein vorsichtiges Herantasten aneinander, nachdem der Kreml zuvor im Wahlkampf offen seine Sympathien für Macrons Gegnerin, die europafeindliche Marine Le Pen, zu erkennen gegeben hatte. Doch die Chemie zwischen den beiden Alphatieren stimmte – und so „habe ich mich im Herbst entschlossen, Deine Einladung anzunehmen“, sagte Macron Putin nun beim Gegenbesuch im Petersburger Konstantinpalast.

Es ist der Auftakt zu einem zweitägigen offiziellen Besuch des französischen Präsidenten in der Newa-Metropole. Die internationale Politik steht im Mittelpunkt, die Irankrise auf der einen Seite, bei der beide Parteien zwar unterschiedliche Standpunkte, aber das gleiche Interesse – die Beibehaltung des Atomdeals – haben, die Ukraine- und Syrienkrise auf der anderen Seite, bei denen Frankreich und Russland bisher auf keinen gemeinsamen Nenner gekommen sind.

Die Gemeinsamkeiten beim Iran betonten nach dem mehr als dreistündigen Treffen beide Staatschefs auf einer Pressekonferenz. Putin verwies darauf, dass der Iran alle seine Verpflichtungen einhalte. Daher verurteile Russland den „einseitigen Ausstieg der USA“ aus dem Atomabkommen und begrüße die Haltung der Europäer. Macron versicherte, Europa bleibe seinen Verpflichtungen aus dem Vertrag treu.

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In der Syrienfrage deutete Macron Entgegenkommen an. Für Frankreich habe stets die Bekämpfung des Terrors Priorität gehabt. Die Ablösung Baschar al-Assads steht nicht mehr im Fokus. Macrons Forderung, dass das syrische Volk seinen Präsidenten wählen solle, widerspricht der russischen Rhetorik prinzipiell nicht. Der Kreml begründet seine militärische Unterstützung für Assad gerade damit, dass er der gewählte Präsident sei und nur die Syrer selbst ihn abwählen können. Vereinbart wurde eine bessere Koordination der verschiedenen im Westen und Osten gestarteten Verhandlungsformate über den zukünftigen politischen Aufbau Syriens.

Im Ukrainekonflikt schlugen beide vorsichtige Töne an. Zwar warf Putin der Regierung in Kiew vor, „keine Lösung des Konflikts anzustreben“, weil dort schon der Wahlkampf laufe, doch unterließ er trotz der jüngsten Verschärfung der Kämpfe im Donbass Drohungen an die ukrainische Führung. Der Dialog müsse fortgesetzt und das Minsker Abkommen umgesetzt werden. Auf dieses Mantra konnten sich beide Politiker einigen.

„Wir haben es uns erlaubt, Missverständnisse in unsere Beziehungen einziehen zu lassen“, klagte Macron an einer Stelle. Wohl der deutlichste Hinweis darauf, dass Paris das Verhältnis mit Moskau kitten will.

So befriedigte Macron die Eitelkeit des Kremlchefs, indem er sich mit Putin und Japans Premier Shinzo Abe die Bühne auf dem Wirtschaftsforum in St. Petersburg teilt. 2016 war aus der EU Italiens damaliger Premier Matteo Renzi, im vergangenen Jahr Österreichs ebenfalls inzwischen aus dem Amt geschiedener Kanzler Christian Kern da, doch Macron ist noch einmal eine andere Hausnummer.

„Schaut her, die Isolierung Russlands ist nicht gelungen“, berichten die russischen Medien daher stolz von der 22. Auflage der Hausveranstaltung Putins. Das Vorgehen erinnert in gewisser Weise an den US-Besuch des Franzosen. Auch dort ließ er sich auf die Trump-Inszenierung ein, um seine Ziele durchzusetzen.

Diese sind durchaus wirtschaftlicher Natur. Auch wenn die internationale Politik im Mittelpunkt der Visite steht, hat Macron als ehemaliger Wirtschaftsminister die ökonomischen Aspekte der Reise keinesfalls aus den Augen verloren. „Wir werden heute eine Reihe wichtiger Verträge unterzeichnen“, sagte er gleich zu Beginn der Gespräche mit Putin. Beide Länder unterzeichneten eine Art Modernisierungspakt für die Wirtschaft.

Konkret wollen beide Länder stärker unter anderem im Bereich Atomenergie zusammenarbeiten. Russische Medien berichten von Verträgen über knapp eine Milliarde Euro. Paris hat auch in anderen Industriesektoren Pfründe in Russland zu verteidigen: 500 Firmen arbeiteten in Russland, sagte Putin bei der Pressekonferenz. Darunter auch einige Branchenriesen. Renault ist mit der Übernahme der Aktienmehrheit beim russischen Autobauer Avtovaz (Lada) zum größten Pkw-Hersteller des Landes mutiert.

Nach Jahren der Stagnation beschleunigt der Markt 2018 rasant. Doch es bleiben Unsicherheiten: So endet im Juli die Vorzugsbehandlung für Autohersteller, die in Russland montieren lassen. Wie die Nachfolgeregelung aussieht, ist unklar. Bessere Bedingungen für Neuankömmlinge dürfe es nicht geben, fordern die Franzosen.

Große Ambitionen hat auch der Energieriese Total. Der Deal, den die Franzosen mit Novatek in Petersburg abgeschlossen haben, ist durchaus brisant. Die Franzosen beteiligen sich an einem Bohrprojekt in der russischen Arktis. Es gehe um ein großes Gemeinschaftsprojekt, dass Russland immerhin 0,15 Prozent BIP-Wachstum sichern werde, kündigte Novatek-Großaktionär Gennadi Timtschenko an. Das Problem: Timtschenko steht auf der Sanktionsliste.

Über die Sanktionen und Gegensanktionen zwischen Russland und dem Westen wurde zumindest nach außen hin wenig gesprochen. Russland und Frankreich seien historische Partner, sagte Macron stattdessen in Petersburg. Diese Achse will der 40-Jährige nun wieder stärken - unter anderem mit dem neugegründeten Trianon-Dialog, ein Pendant zum Petersburger Dialog, den vor Jahren Putin und der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder zur Stärkung zivilgesellschaftlicher Kontakte aus der Taufe hoben

Wobei die russisch-französische Variante wohl einen stärkeren politischen Anstrich hat. Das Treffen Macrons und Putins am Freitag im Rahmen des Koordinationsausschusses soll zum offiziellen Startschuss des Trianon-Dialogs werden.

Der Dialog soll in jedem Fall weitergehen: Macron hat eine baldige Rückkehr nach Russland in Aussicht gestellt: Während Großbritanniens Regierung einen Boykott der Fußball-WM angekündigt hat, will Macron die französische Nationalelf mit einer Visite unterstützen und dabei auch Putin treffen. Voraussetzung sei, dass die „Les Bleu“ ins Finale kommen. Aber er sei Optimist und hoffe auf eine schnelle Wiederkehr nach Russland, sagte er den Journalisten in Petersburg.