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Macron drückt weiter aufs Tempo

Frankreichs Haushalt wird umstrukturiert, der Arbeitsmarkt reformiert. Der Staatschef gönnt sich keine Atempause. Doch seine Steuerreform könnte ihm den Vorwurf einbringen, nur ein Präsident der Reichen zu sein.

Mit den Beratungen über den Haushalt 2018 beginnt für Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und seine Bewegung „La République en Marche“ (LREM) eine heikle politische Aufgabe. Macron will seinen Entwurf möglichst unbeschadet durchs Parlament bringen. Die Fraktion von LREM in der Nationalversammlung dagegen will beweisen, dass sie mehr ist als nur der Abnickverein des Präsidenten.

Stein des Anstoßes ist die Abschaffung der Vermögensteuer für alle Anlageformen außer Immobilien, verbunden mit einer neuen Flat Tax von 30 Prozent für Kapitalerträge. Beides zusammen kostet den Staat rund 4,5 Milliarden Euro an Einnahmen – und das in einer Zeit, in der er mühsam Einsparungen zusammenkratzt, um endlich deutlich unter der EU-Defizitgrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung zu bleiben. 100.000 staatliche geförderte Jobs entfallen, mehrere Milliarden Euro werden bei Mietzuschüssen gestrichen.

Da gleichzeitig die steuerliche Veränderung fast ausschließlich den reichsten Franzosen zu Gute kommt, hat sie Macron den Schimpfnamen „Präsident der Reichen“ eingetragen. Der hielt im TV-Interview am Sonntag dagegen: „Ich halte nichts von dieser Neiddebatte, bei der man auf die losgeht, die Erfolg haben.“ Die Wirtschaft sei „wie eine Seilschaft: Wenn man auf die Vordersten mit Steinen wirft, stürzen alle ab.“

Beeindruckt hat er damit wenige Franzosen. Nicht einmal die Hälfte der Zuschauer sagte nach dem Interview, der Präsident habe sie überzeugt. Schon seit ein paar Tagen fürchteten Macrons Mitarbeiter, der Ruf eines „Präsidenten der Reichen“ könne sich festsetzen. In aller Schnelle legte Macron deshalb nach. Zu Beginn der Woche legten drei junge Beraterinnen in einem der goldgeschmückten Säle des Elysée-Palastes eine „Initiative für eine Strategie zum Kampf gegen Armut von Kindern und Jugendlichen“ vor. Fix wurden rund 40 Persönlichkeiten der Sozialfürsorge und Vertreter von Unternehmen für Dienstagmittag in den Elysée zum Essen eingeladen, um mit dem Präsidenten über die richtige Strategie gegen Armut zu debattieren.

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Parallel dazu bereiten die Abgeordneten von LREM einige Korrekturen am Haushalt vor, die sich aber sehr im Rahmen halten sollen. Vorgesehen ist, besonders „ostentative Symbole des Reichtums“, die künftig nicht mehr der Vermögensteuer unterliegen, anderweitig stärker zu besteuern. Gemeint sind etwa Luxusjachten und Goldbarren. Außerdem sollen sie in der Debatte auf die Elemente des Budgets hinweisen, die besonders den Ärmeren helfen, wie ein höherer staatlicher Zuschuss für Menschen mit niedrigem Einkommen und die Aufstockung der niedrigsten Renten.

Gefährlicher als die Debatte rund um die Vermögensteuer ist möglicherweise eine Entwicklung, auf die am Dienstag der liberale Unternehmer und Vermögensberater Sebastien Laye hinwies: Macron könne die Unterstützung der Mittelschicht verlieren. Denn die sei der große Verlierer seiner Finanzpolitik und sehe sich außerdem durch die Politik der „Flexicurity“ am Arbeitsmarkt neuen Risiken ausgesetzt. Bei der Steuer lasse sich nachrechnen, so Laye, dass die Mittelschicht zwar von der Senkung der Sozialabgaben und der Wohnsteuer profitiere. Doch auf der anderen Seite werde ihr Kaufkraft entzogen, durch eine höhere Solidaritätsabgabe (CSG, zwischen Sozialabgabe und Steuer angesiedelt). Der zweite Effekt sei bei Menschen mit mittlerem Einkommen deutlich größer als der erste.

Darüber kann man lange streiten, und natürlich weisen Macrons Anhänger den Vorwurf zurück. Eine Berechnung des im Finanzministerium angesiedelten Schatzamtes zeigt aber, dass in den nächsten fünf Jahren vor allem auf die Menschen am obersten Ende der Einkommenspyramide und die ganz unten Verbesserungen zukommen, während die Mitte leer ausgeht.

Stichhaltig ist auch, dass von den nächsten anstehenden Arbeitsmarktreformen das Risiko ausgeht, die Mittelschicht zu verunsichern. Macron will die Arbeitslosenversicherung umkrempeln. Die chronisch defizitäre, von Arbeitgebern und Gewerkschaften zu Lasten Dritter verwaltete Kasse soll finanziell ins Gleichgewicht kommen. Bislang zahlt die Versicherung maximal 7.450 Euro im Monat, höchstens 36 Monate lang. Man erinnert sich: Gerd Schröders Reformen gerieten in Misskredit, als der Mittelschicht klar wurde, dass infolge der Veränderungen auch ein „Besserverdiener“ sehr schnell auf eine sehr niedrige „Stütze“ abrutschen konnte.

Macrons Berater sagten am Dienstag nachdrücklich, an den Leistungen solle nicht gerüttelt werden. Stattdessen solle eine Bonus-Malus-Regel eingeführt werden. Unternehmen, die wenig unbefristete Arbeitsverträge abschließen und vor allem auf prekäre Arbeitsverhältnisse setzen, die hohe Ausgaben der Arbeitslosenversicherung nach sich ziehen, sollen mehr zahlen. Bislang entrichten alle Unternehmen eine Abgabe von vier Prozent ihrer Lohnsumme, hinzukommen 2,4 Prozent des Bruttolohns auf Seiten der Arbeitnehmer. Künftig soll der Arbeitgeberbeitrag zur Arbeitslosenversicherung variieren: Weniger Beitrag für die vielen unbefristeten Verträge, mehr Beitrag für die mit kurzen Laufzeiten. „Das ist eine Frage der Gerechtigkeit“, sagt Finanzminister Bruno Le Maire, „Wir senken die Unternehmenssteuern, wir entlasten die Kapitalbesteuerung, auf der anderen Seite müssen die Unternehmen sich beschäftigungsfreundlich verhalten.“


„Frankreich ist hart zu den Schwachen“

Der Beschäftigung soll vor allem eine Offensive zugunsten der Aus- und Weiterbildung zu Gute kommen. „Frankreich hat heute fast nur noch strukturelle Arbeitslosigkeit“, sagt ein Macron-Berater. Das bedeutet: Selbst wenn die Wirtschaft brummt, sinkt die Erwerbslosigkeit nicht weiter, weil die Qualifizierung nicht zum Bedarf passt. Frankreich habe sehr gute Schulen für Ingenieure, liege bei der beruflichen Bildung aber auf einem der letzten Plätze in der EU, zusammen mit Griechenland, Italien und Spanien, sagt man selbstkritisch im Elysée: „Frankreich ist hart zu den Schwachen.“ Wenn man hinter die Fassaden schaue, zeigten sich große Ungerechtigkeiten, die vor allem in einem gespaltenen Arbeitsmarkt und in einer schlechten Berufsbildung zum Ausdruck komme.

Künftig sollen die einzelnen Weiterbildungs-Lehrgänge strenger auf Qualität kontrolliert werden, unter anderem durch ein Monitoring der Wirkung auf die Beschäftigungschancen und mit Hilfe der Benotung durch die Teilnehmer. Ziel sei es, die durchschnittliche Qualifizierung zu verbessern. Weiterbildung soll zu einem individuellen Recht werden, das jeder einfordern kann, ausgestattet mit einem „Bildungskapital“, das auch beim Wechsel des Unternehmens nicht verloren geht. Bei der Berufsausbildung wird den Unternehmen mehr Mitsprache eingeräumt, was Inhalte und Ausrichtung angeht. Mitte 2018 soll das neue Gesetz verabschiedet werden, das derzeit erarbeitet wird.

15 Milliarden Euro zusätzlich wird der Staat für die bessere Aus- und Weiterbildung bereitstellen. „Das Geld ist da, der Flaschenhals ist die mangelnde Qualität“, sagen Macrons Leute. Zudem habe sich eine unsoziale Praxis eingebürgert: „Wer über 45 Jahre alt ist, bekommt keine Weiterbildung mehr.“ Da setze künftig das individuelle Recht an. Mit dem Kraftakt für bessere berufliche Bildung will die Regierung nicht nur die Arbeitslosigkeit senken. Sie hofft auch, damit die Wirtschaft besser auf die Digitalisierung vorzubereiten, durch die „einige Jobs verschwinden, vor allem aber viele Qualifikationen entwertet werden.“ Dort müsse man Vorsorge treffen.

Macrons Politik ist also durchaus nicht so einseitig, wie das Etikett „Präsident der Reichen“ vermuten lässt. Doch in der Bearbeitung der Öffentlichkeit waren seine Gegner bislang erfolgreicher als er selber.