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Machtkampf bei VW – Ein Weltkonzern blockiert sich selbst

Volkswagens Geschäftszahlen sehen wieder prächtig aus. Doch der Konzern muss fit für die Zukunft werden. Den nötigen Wandel bremst interner Streit.
  • Trotz Milliardengewinns bröckelt Volkswagens klassisches Geschäftsmodell.

  • Nach dem Diesel-Skandal muss VW die Transformation zur E-Mobilität gelingen.

  • Doch der Konflikt zwischen Konzernspitze und Betriebsrat stoppt den Wandel.

  • Infografik: Volkswagen und die Automobilindustrie

Holzdecke, Rundbögen, Hirschgeweihe – die Eingangshalle vom Schlosshotel Fleesensee strahlt Luxus und Tradition aus. Aus den hohen Fenstern schaut man auf die mecklenburgische Seenlandschaft, eine Welt für sich. Der ideale Ort für eine Betrachtung der Dinge mit etwas Distanz. Drei Autostunden von Wolfsburg entfernt, lud VW-Chef Herbert Diess vor Kurzem 50 seiner Topmanager in die neobarocke Luxusherberge zu einer zweitägigen Klausur ein.

Auf der Tagesordnung stand die Zukunft des größten Autokonzerns der Welt. Diess referierte ausgiebig über die Neuausrichtung des Autobauers – oder genauer gesagt über die Hindernisse der geplanten Transformation. Der Umbau bei Volkswagen dauere zu lange, sagte er seiner Führungsriege. Eigentlich würden nur er und VW-Markenvorstand Arno Antlitz den Wandel mit dem notwendigen Tempo forcieren. Die Situation sei frustrierend, klagte Diess, der selten zum Lamento neigt.

Nicht nur vom Management sieht er sich ausgebremst. Blockierer seien für ihn auch die Betriebsräte mit Bernd Osterloh an der Spitze. Abgeschreckt von der ungewöhnlich großen Macht würden viele Topkräfte allzu schnell in den Verhandlungen mit Osterloh einknicken. Diess ist einer der erfahrensten Automanager Deutschlands. Er war es gewohnt, dass er Pläne, die er sich einmal vorgenommen hatte, auch umgesetzt hat.

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Und genau wegen dieser Durchsetzungsstärke ist Diess von den Volkswagen-Eigentümern vor knapp einem Jahr als neuer Vorstandschef eingesetzt worden. Doch die vielfältigen Widerstände im VW-Reich sind selbst für ihn eine Herausforderung. „Diess ist ein Kämpfer, aber er wirkt immer häufiger verzweifelt“, sagt ein Manager, der regelmäßig mit ihm spricht.

Die Unruhe des VW-Chefs hat wenig mit der ökonomischen Situation des Autokonzerns gemein. Die Volkswagen-Bilanz glänzt, als hätte es die Dieselaffäre gar nicht gegeben. Am kommenden Dienstag wird der Autobauer erneute Rekordzahlen präsentieren. Mit einem operativen Gewinn von 14 Milliarden Euro ist Volkswagen erneut Europas größter Industriekonzern.

Die Gegenwart sieht bei Volkswagen blendend aus. Was Diess sorgt, ist die Zukunft. Aus den USA drohen Strafzölle auf Autos, die Verkaufszahlen in China schwächeln wegen der nachlassenden Konjunktur – und gleichzeitig muss sich Volkswagen nicht nur auf das Elektrozeitalter umstellen, sondern auch auf das autonome Fahren. Hinzu kommen neue Konkurrenten aus China und den USA, sie heißen Geely oder Google. Und die haben einen entscheidenden Vorteil: Sie treten ohne Ballast, ohne alte Werke, ohne alte Technologie, ohne langjährige Mitarbeiter auf den Plan. So viele gleichzeitige Herausforderungen gab es in der 82-jährigen Geschichte von Volkswagen noch nie.

Betriebsräte wissen um ihren Einfluss

Diess ist davon überzeugt: Volkswagen muss die Transformation schnell genug gelingen. Doch die inneren Widerstände sind immens. Einflussreichster Widersacher ist Betriebsratschef Bernd Osterloh. Gegen dessen Veto hat sich in den vergangenen Jahren so gut wie nichts bei Volkswagen bewegt. Die Macht des Betriebsrats hat bei Volkswagen eine lange Tradition.

Auch Osterlohs Vorgänger wussten um ihren Einfluss – und nutzten ihn auch. Selbst der übermächtige Volkswagen-Boss Ferdinand Piëch musste in der Regel teure Zugeständnisse machen, um den Betriebsrat für seine Pläne zu gewinnen. Zu Beginn seiner Amtszeit schloss Diess mit dem mächtigen Arbeitnehmervertreter einen Burgfrieden, damit der ihn vor elf Monaten in den Sattel des Vorstandschefs hievte.

Doch jetzt beginnt der Pakt zwischen Diess und Osterloh zu bröckeln. Die vielen Gespräche, die die beiden Kontrahenten in den vergangenen Monaten geführt haben, haben offenbar nur bedingt ein größeres Verständnis für die Gegenseite gebracht. Schon bei der Benennung von Audi-Chef Bram Schot gab es Spannungen. Diess wollte eigentlich einen anderen Manager.

Jetzt spitzt sich der Konflikt zu, durch ein gewaltiges Unterfangen: die Umstellung auf Elektromotoren. Für die Herstellung von Elektrofahrzeugen braucht es weniger Mitarbeiter als bei herkömmlichen Autos mit Verbrennungsmotor. Hinzu kommt, dass Elektroautos teurer in der Produktion sind – die Kunden aber nicht mehr zahlen wollen. Volkswagen ist also gezwungen, die Produktionskosten zu senken. Andernfalls schrumpft die Rentabilität.

Der Vorstand um Konzernboss Diess hat sich deshalb entschlossen, ein neues Sparprogramm aufzulegen. Nach aktuellem Stand sind Effizienzmaßnahmen von 5,9 Milliarden Euro jährlich ab dem Jahr 2023 geplant. Nötig seien aber wohl sieben Milliarden, wie es in Konzernkreisen hieß. „Die E-Modelle werden teurer als die Verbrenner – und die Mehrkosten können wir nicht auf die Kunden umlegen“, sagte ein hochrangiger Manager.

Das neue Sparpaket hat längst den Widerstand des Betriebsrats provoziert. Denn Teil des Programms ist ein Stellenabbau – auch im Stammwerk in Wolfsburg. Bis 2023 könnten von den Sparmaßnahmen zusätzlich rund 5000 Beschäftigte in der Verwaltung betroffen sein. Nach Informationen aus Konzernkreisen könnte die Zahl noch auf bis zu 7000 steigen.

Ein Stellenabbau in Wolfsburg galt in den vergangenen Jahren als fast unmöglich. Weder Piëch noch der langjährige VW-Chef Martin Winterkorn haben sich getraut, Stellen am Hauptsitz des Autokonzerns zur Disposition zu stellen. Diess traut es sich – und stößt damit auf Widerstand.

Osterloh und der VW-Betriebsrat munitionieren sich gegen die geplanten Stellenkürzungen. Wo es geht, leisten die Arbeitnehmervertreter in diesen Tagen erbitterten Widerstand. Ernsthafte Konflikte zeigen sich jetzt beim Umbau der Werke in Hannover und Osnabrück auf das neue Zeitalter. Dort entfallen Tausende Arbeitsplätze, die Entscheidung trägt der Betriebsrat mit. Aber die anfangs erzielten Kompromisse werden nun vom Vorstand aufgelöst, klagen die Arbeitnehmer.

Die Versuche des Managements, die Wogen zu glätten, sind bisher reichlich erfolglos geblieben. „Die guten Zahlen täuschen teilweise darüber hinweg, dass wir auch erhebliche Defizite haben“, begründet Diess seine Entscheidung. „Wir müssen hart daran arbeiten, dass Volkswagen auch in zehn und 15 Jahren noch erfolgreich ist.“

Es ist die große Frage, die den Wolfsburger Autokonzern bewegt: Wie bleibt VW dauerhaft erfolgreich? Der VW-Chef ist in dieser Debatte nicht der einzige Mahner. Auf dem Genfer Autosalon kritisierte in dieser Woche auch Wolfgang Porsche die Behäbigkeit in Wolfsburg. Die beiden Männer hatten zuvor ein Treffen, das offenbar Wirkung bei dem betagten Großinvestor hinterlassen hatte.

„Wir sind kein Paradies, sondern ein Unternehmen mit harten Wettbewerbern. Da müssen sich die Investitionen auch rechnen“, sagte der 75-Jährige. Porsche ist Aufsichtsrat und Sprecher des größten Aktionärs. „Ich habe nichts gegen die Mitbestimmung“, sagte Porsche dem Handelsblatt. Auch verstehe er, dass Osterloh die Zahl der Arbeitsplätze halten wolle. Dies sei schließlich dessen Aufgabe. Aber dessen Macht geht ihm zu weit.

„Wir müssen uns zukunftssicher aufstellen“, forderte der Enkel des legendären Auto-Pioniers Ferdinand Porsche. Dazu müssten die verkrusteten Strukturen bei Volkswagen aufgebrochen werden. Dem Betriebsrat um Osterloh will er Einhalt gebieten. Es ist eine gezielte Kampfansage.

Aber der Gegner ist mächtig. Osterloh und seinen Mitkämpfern stehen weitreichende Rechte zu, festgeschrieben im VW-Gesetz. Auch ein Bestechungsskandal konnte dem Betriebsrat vor Jahren nichts antun. Gesteigert wird der Einfluss des Betriebsrats durch die Politik, die über den 20-Prozent-Anteil des Landes Niedersachsen bei Volkswagen viel mitzureden hat. Oft verfolgen beide Parteien gleiche Ziele, so hat das Bundesland ein hohes Interesse an lokalen Standorten und Arbeitsplätzen. Zusammen haben sie eine komfortable Mehrheit im Aufsichtsrat.

Management und Betriebsrat ziehen bei Volkswagen zwar an einem Strang, aber meistens nicht in dieselbe Richtung. Diess hat nicht viel zu verlieren, er will nur bis 2023 im Amt bleiben und muss bei den Reformen auf das Gaspedal drücken. „Diess ist ein Hitzkopf, der jede Möglichkeit zu seinem Vorteil nutzen würde“, klagt ein Arbeitnehmervertreter. Diese Aussage trifft indes auch auf Osterloh zu.

Mittlerweile agieren die Kontrahenten so dünnhäutig, dass die Gefühle hochkochen. So war Osterloh über die öffentliche Einlassung von Wolfgang Porsche hochverärgert, berichten Beteiligte. Einen Wutanfall habe er bekommen. Mit rotem Kopf habe er Gespräche mit dem Vorstand über ein geplantes Sparpaket kurzfristig auf Eis gelegt.
Stillstand ist aber das Allerletzte, was Volkswagen braucht. Die Kräfte der Transformation zerren an dem Riesen wie an der ganzen Branche. Um den Ernst der Lage zu verstehen, muss man sich das Innenleben des Riesenkonzerns anschauen. Veränderungen fallen schwer, Verkrustungen gibt es viele. Kleine Beispiele zeigen das Ausmaß der Unbeweglichkeit.

Eine Kanne Kaffee für 60 Euro

650.000 Mitarbeiter zählt der Autobauer mittlerweile – mehr, als in dem Balkanstaat Montenegro Menschen leben. Der Konzern ist über die Jahre schier unaufhaltsam gewachsen. Das VW-Reich zählt heute 123 Produktionsstandorte, verteilt auf vier Kontinente. Zum Portfolio gehören auch Versicherungen, Hotels und Restaurantbetriebe, nicht zu vergessen die Sicherheitsdienste.

Die VW-Mitarbeiter betrachten ihr Unternehmen wie einen eigenen Staat, mit Wolfsburg als Hauptstadt. Da darf der Amtsschimmel nicht fehlen. Beispiel Kaffee für Konferenzen: Der hauseigene Caterer verlangt für die Lieferung einer Kanne Kaffee 60 Euro. Selbst die hochpreisige Starbucks-Kette liefert die gleiche Menge für einen Bruchteil.

Diess wollte das ändern. Aber ein externer Wettbewerb ist auf dem Werksgelände nicht zugelassen. Statt den hauseigenen Wucher wie seine Vorgänger zu akzeptieren, ließ der Vorstandschef die Verköstigung von internen Sitzungen kurzerhand streichen. Das Festhalten an alten Gewohnheiten geht über Konferenzkaffee hinaus.

Jedes Jahr etwa stellt VW rund 1400 Auszubildende ein. Laut einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat werden auch alle übernommen. „Die können wir doch nicht alle einstellen, wenn doch der Bedarf nicht mehr da ist“, klagt Wolfgang Porsche. Er folgt der Argumentation von Diess, der nur noch die besten Absolventen haben will. Ändern konnte er das trotz intensiver Gespräche mit Osterloh allerdings nicht. „Wir haben einen Tarifvertrag“, sagte ein Vertreter des Betriebsrats.

Dieses Beharren auf Gewohntem zeigt sich auch am Sicherheitsdienst. Anders als Daimler oder andere Unternehmen leistet sich VW selbst eine Mannschaft. Und wie viele Menschen das seien, klagte Porsche. Ein Bekannter hatte ihm kürzlich von einem Besuch im Stammwerk berichtet. Für jede Tätigkeit sei dort jemand zuständig gewesen. Für die Schranken, zum Öffnen der Türen und zur Annahme. Überall Menschen, resümierte das Familienoberhaupt.

Burgfriede hält nur kurz

An teurem Kaffee, dem Sicherheitspersonal oder der Übernahme aller Auszubildenden wird Volkswagen nicht zugrunde gehen. Der Konzern tut sich schwer, wichtige Zukunftsfelder zu besetzen. Beispiel Transformation Elektrofahrzeuge im Werk in Hannover. Im Herbst herrschte am Standort große Zufriedenheit. Nach wochenlangen Verhandlungen hatten sich Volkswagen und der Betriebsrat auf einen Standortsicherungsvertrag für das Transporterwerk geeinigt.

Die Fabrik sollte demnach eine wichtige Rolle bei der anstehenden Elektrifizierung des Konzerns bekommen. Dort sollen künftig elektrische Kleinbusse gefertigt werden. Zugleich wird die Beschäftigungssicherung in Hannover von 2025 auf Ende 2028 verlängert. Treiber dieser Vereinbarung war auch Diess. Damit wollte das Unternehmen dem Misstrauen in der Belegschaft begegnen, in Hannover gibt es eine gewisse Skepsis, ob die neuen Elektrotransporter wirklich ein Erfolg werden.

Die Unruhe war zuvor noch aus einem anderen Grund groß. Im Rahmen der Nutzfahrzeugkooperation mit Ford verliert Hannover einen Teil der Produktion – mehrere 10 000 Fahrzeuge sollen künftig in einer türkischen Ford-Fabrik produziert werden. Doch mit dem Burgfrieden aus dem vergangenen Herbst ist es in Hannover schon wieder vorbei. Stein des Anstoßes: Ein Teil der neuen Elektrobusse wird doch nicht in Hannover gebaut, entgegen den Zusagen des Unternehmens.

Das Transportermodell T6 bekommt Ende 2020 einen Nachfolger, der dann als T7 firmieren wird. Der sollte ursprünglich auch eine rein batteriegetriebene Version bekommen. Und dieses Modell ist aus dem VW-Programm herausgenommen worden, auch auf Betreiben von Diess.

In der VW-Entwicklungsabteilung sind die Kapazitäten eng bemessen, aus Konzernsicht sollen sich die Entwickler auf Modelle mit höheren Stückzahlen konzentrieren. Der T7 als Hybridmodell und mit Verbrennungsmotor wird dem Standort erhalten bleiben. Außerdem beginnt dort zwei Jahre später die Produktion des ID Buzz.

Trotzdem ist die Verärgerung in Hannover auf Gewerkschaftsseite groß, insbesondere auf Diess. Schon nach wenigen Wochen habe die Konzernführung ein Versprechen gebrochen. „Wie können wir dem Konzern überhaupt noch trauen“, fragt ein Insider. Die Glaubwürdigkeit in der Belegschaft sei dahin. Mitarbeiter fragten sich, ob der Konzern auch noch andere Teile der Vereinbarung aus dem vergangenen Jahr im Nachhinein wieder aufkündigen werde. „Was ist dieses Papier noch wert?“, klagt ein Arbeitnehmervertreter.

Für das Management ist Hannover jedoch nur eines von vielen Beispielen dafür, dass sich der Betriebsrat bei jeder Kleinigkeit einmischt – und so für Schwerfälligkeit sorgt. „Manchmal trauen sich Führungskräfte gar nicht, bestimmte Entscheidungen zu treffen, weil sie Angst haben, dass sich der Betriebsrat querlegt“, heißt es im Umfeld des Managements. Ein Aufsichtsrat klagt: „Selbst im Vorstand sitzen Leute, die den Konflikt mit Osterloh nicht eingehen wollen.“ Dieser vorauseilende Gehorsam ist ein weiterer Bremsklotz für Vorstandschef Diess.

Um ein Werk gibt es immer wieder Diskussionen: VW hatte im Jahr 2009 nach der Pleite von Karmann den Standort Osnabrück übernommen – auf Wunsch der IG Metall. „Wohl eher auf Druck“, wie es im Konzern heißt. Das Werk gilt mit einer Belegschaft von rund 2300 Menschen als zu klein und unwirtschaftlich, eine Schließung des Standorts wäre betriebswirtschaftlich geboten. Wolfsburg könnte mit seiner Kapazität die Arbeit leicht übernehmen und damit die Produktivität verbessern.

Aber das Werk gilt in Arbeitnehmerkreisen als heilig. Jeder Anlauf, es zu schließen, werde im Kern erstickt, berichten Manager. „Benötigt wird es eigentlich nicht.“ Der Betriebsrat und das Land Niedersachsen halten die Hand über Osnabrück.

Kühl kalkuliertes Zweckbündnis

Osterloh ist ein glühender Fan des VfL Wolfsburg. Bei Spielen des Fußballbundesligisten zeigte sich auch Diess manchmal, aber eher als Pflichtübung, er schwärmt für den Rekordmeister FC Bayern München. Auch sonst gehen die beiden sich aus dem Weg, es verbindet sie keine Männerfreundschaft.

Es ist ein kühl kalkulierter Friedenspakt, der sie seit anderthalb Jahren zusammenhält. Ihnen war klar geworden, dass sie sich im Kampf gegeneinander nur Aufreiben würden. Beide zeichnet eine Härte aus, die sie selbst in scheinbar aussichtslosen Kämpfen gegen ihre Gegner obsiegen lässt. Diess mag Herausforderungen: Er läuft Marathons, geht auf Trecking- und Skitouren. Vor seinem 60. Geburtstag entdeckte er das Kite-Surfen, am liebsten auf dem Gardasee.

Osterloh kann Karrieren beenden oder auch anschieben. Selbst bei der Berufung von Diess im April vergangenen Jahres vom VW-Markenchef zum CEO war es sein Plazet, das ihn an die Spitze beförderte. Eine Überraschung. Ein Jahr zuvor hatten sich die Männer noch über die Frage verkantet, ob Mitarbeiter von Fremdfirmen übernommen werden können. Die Kraftprobe hatte Diess verloren, aber er lernte dazu. Ohne Osterloh würde er seine Ziele nicht erreichen. Eines davon war die Konzernspitze, das andere ist die Sanierung des Großkonzerns.

Dem Arbeitnehmerfürsten blieb die Taktik von Diess nicht verborgen. Er wusste, dass er später einmal den VW-Chef zum Gegner haben wird. „Onkel Herbert kann halt nicht aus seiner Haut“, sagte Osterloh vor Vertrauten. Aber der oberste Betriebsrat weiß auch, dass er Diess braucht. Zumindest bislang.

Als Diess im Juli 2015 die Leitung über die Kernmarke VW übernahm, da war der Bereich in einem desolaten Zustand. Zwar verkauften die Niedersachsen Jahr für Jahr mehr Autos mit dem runden Logo auf der Haube. Aber VW verdiente kein Geld. Die schmale Marge reichte nicht einmal, um die benötigten Investitionen zu refinanzieren.

Absprachen zwischen Leitung und Betriebsrat

Osterloh ist keiner, der mit einer roten Fahne um das Werk rennt. Er denkt betriebswirtschaftlich und handelt oftmals auch so. In einem armdicken Ordner sammelte er Vorschläge für Kostensparmaßnahmen. Die Vielzahl an Lenkrädern oder Felgen will er verkleinern. Es sind kleine Maßnahmen, aber mit Wirkung. Die jährlichen Einsparungen summierten sich in die Milliarden – ein Beleg für das Missmanagement von Winterkorn und dessen Mannen. Als Diess anfing, brachte er ihm gleich eine Kopie des Ordners vorbei.

Furcht und Resignation löst im Management ein Wort aus: Panzerschrankpapiere. Gemeint sind damit schriftlich fixierte Absprachen zwischen Leitung und Betriebsrat, die in Tresoren gesammelt werden. Viele dieser Vereinbarungen wurden noch in der Ägide von Winterkorn und Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch geschlossen. „Besonders ein Dorn im Auge sind uns die Panzerschrankpapiere“, klagte ein hochrangiger Manager.

Was sich hinter den Panzerschrankpapieren verbirgt, berichtet ein Topmanager. Auf einer Vorstandssitzung vor einigen Monaten sei über die strategische Aufstellung diskutiert worden. „Im Gespräch war ein möglicher Export von Autos aus China.“ VW ist dort mit seinen Partnern FAW und SAIC einer der größten Fahrzeughersteller, ein Export in die Region oder vielleicht sogar nach Europa könnte wirtschaftlich Sinn machen. Eigentlich eine Routinefrage, aber nicht bei VW. Es gebe da doch eine Absprache mit dem Betriebsrat, wonach der Vorstand für einen solchen Export die Zustimmung der Arbeitnehmer brauche, gab ein altgedienter Vorstand zu bedenken. „Ach, die Panzerschrankpapiere“, entfuhr es einem weiteren.

Die Zeit der Panzerschrankpapiere ist noch immer nicht vorbei. Bis heute würden derartige Kompromisse geschlossen, wie Insider berichten. Dabei gehe es vor allem um Personalien. Stimme der Betriebsrat der Berufung eines Managers zu, dann erhalte er ein Besetzungsrecht in der nächsten Runde. Zuletzt war dies bei Audi der Fall. Diess hatte sich lange gegen den von den Arbeitnehmern favorisierten Bram Schot gewehrt.

„Er wollte lieber Alexander Seitz auf dem Posten sehen“, sagte ein Beteiligter. Von dem Audi-Finanzchef hatte er sich ein härteres Durchgreifen erhofft. Diess gab am Ende trotz Bedenken nach, ihm blieb auch wenig anderes übrig: die Macht der Panzerschrankpapiere.

Teil der Wahrheit ist auch: Die Bewahrer des Status quo stecken im Management selbst. Statt sich mit dem Wettbewerb zu beschäftigen, dreht sich bei VW viel um VW selbst. „Wir vergleichen uns noch immer mit anderen Marken im eigenen Haus“, berichtete eine Führungskraft.

Aktuell hakt es bei der geplanten Kooperation mit Ford. Schon vor über einem Jahr haben die Schwergewichte Gespräche über eine Zusammenarbeit aufgenommen. Es geht um den gemeinsamen Bau von Nutzfahrzeugen, aber auch von Elektroautos und selbstfahrenden Autos.

Porsche schreckt Osterloh auf

Beide Unternehmen könnten durch eine Bündelung jährlich Milliarden sparen. Bislang haben sie aber nur eine einzige Vereinbarung geschlossen: Sie werden gemeinsam leichte Nutzfahrzeuge produzieren. Wichtige Dinge wie das autonomen Fahren oder in der Produktion stehen aus. Laut Konzernkreisen steht die Vereinbarung zum autonomen Fahren seit Herbst im Grundsatz.

Die Papiere könnten bald unterschrieben werden, wenn es die Bedenkenträger nicht gäbe. Einflussreiche Kräfte aus dem Management würden regelmäßig neue Probleme entdecken. „Das ist wie eine Lehmschicht im Unternehmen, in der sehr viel stecken bleibt“, verlautete es dazu aus dem Konzern.

Aufgeschreckt von Äußerungen des Großaktionärs Wolfgang Porsche meldete sich Betriebsratschef Osterloh zu Wort. „Unsere Probleme heißen: WLTP, verschobene Fahrzeugprojekte, Abgasskandal, Synergien und Komplexität“, sagte er und meint mit WLTP die Umstellung auf das neue Abgasprüfverfahren. Das seien alles Management-Themen, die nichts mit der Belegschaft zu tun haben. „Das kostete die Eigentümer bereits mehrere Milliarden. Und darauf sollte sich der Aufsichtsrat fokussieren.“

Besonders empört sind die Arbeitnehmer über den Vorwurf, VW sei „verkrustet“. Seit dem Ausbruch der Dieselkrise vor bald vier Jahren habe sich doch viel verändert, sagte ein Vertreter des Betriebsrats. Am 18. September 2015 hatten die US-amerikanischen Umweltbehörden dem Autohersteller einen millionenfachen Betrug bei den Abgaswerten von Dieselfahrzeugen nachgewiesen. „Das Unternehmen ist seitdem schon im Wandel.“

Für den Betriebsrat geht es beim Sparprogramm nicht nur um den Dienst an den Mitarbeitern. Es geht auch um seine eigene Machtbasis. Denn je weniger Mitarbeiter ein Konzern hat, desto kleiner wird sie. Gesichert wird diese Basis von einem Netzwerk an Betriebsräten und Vertrauensleuten der Gewerkschaft IG Metall, die praktisch in jeder noch so kleinen Einheit präsent sind.

Über das Betriebsverfassungsgesetz und das VW-Gesetz ist die Beteiligung der Arbeitnehmer in dem Umfang festgeschrieben. Und Osterloh weiß es zu nutzen: „Er hört alles, was in den Werkshallen und Fluren der Verwaltung passiert“, sagt ein hochrangiger Manager. Mit diesem Netzwerk füllt der Betriebsrat die Lücke, die von der Führungsetage geschaffen wurde.

Vor allem Winterkorn hatte sich in den zehn Jahren an der VW-Spitze wenig darum geschert, dass die Strukturen mit dem rasanten Wachstum Schritt hielten. Mit vielen Problemchen wurden neue Managementpositionen geschaffen. Letztlich hätten sich viele Führungskräfte gegenseitig blockiert. „Ein sehr ineffizientes System“, sagte ein früherer Topmanager.

Aber Strukturen müssen aufgebrochen werden, nicht nur durch den Wandel durch Elektromotoren und Digitalisierung. Auch im Tagesgeschäft brauen sich dunkle Wolken zusammen – und bieten reichlich Grund zum Handeln.

Probleme beim Golf

Der neue Golf, das Erfolgsmodell aus Wolfsburg, soll in der zweiten Jahreshälfte neu aufgelegt werden. Doch es gibt gewaltige Systemfehler bei der Elektronik. Das Auto macht einfach nicht, was die Entwickler wollen, es fallen Nacharbeiten an. Deshalb soll die geplante Jahresproduktion deutlich zusammengestrichen werden, wie es aus Konzernkreisen heißt. Statt mehr als 80.000 Autos sind im Moment nur noch gut 10.000 in diesem Jahr geplant.

Das könnte im Stammwerk in Wolfsburg nach der Sommerpause noch für Probleme sorgen. Was tun mit Tausenden Mitarbeitern, für die es keine Arbeit gibt, weil es bei der Produktion des Golf 8 hakt? Für den 60-jährigen Herbert Diess sind für solche Rückschläge vor allem Bedenkenträger und Blockierer in den eigenen Reihen des Konzerns verantwortlich. Einer, der in der Reihe ganz vorn steht, ist ebenjener Osterloh. Sein Einfluss reicht tief in die Welt von Volkswagen hinein. „Er weiß oft besser Bescheid über die Betriebsabläufe als der Vorstand“, sagte ein Aufsichtsrat.

Auch bei Audi gibt es Probleme. Lange Zeit genoss der Ingolstädter Ableger ein Eigenleben im VW-Konzern, und solange Audi mit seinen Ergebnissen mehr als die Hälfte des Gewinns der Gruppe erwirtschaftete, störte sich niemand in Wolfsburg daran. Die Premiummarke steckt nun in der Krise, die Gewinne schrumpfen, und die Wettbewerber BMW und Daimler sind außer Sichtweite.

„Audi ist nicht mehr die Gewinnmaschine, die es einmal war“, kritisierte Wolfgang Porsche. Die Firma mit ihren 80.000 Mitarbeitern müsse schlanker und effizienter werden. Als eine der Ursachen hat Porsche einmal mehr den Betriebsrat ausgemacht, der ebenfalls eine starke Stellung im Machtgefüge der Tochter hat. „Ingolstadt ist in einigen Bereichen verkrustet, aber nicht so sehr wie Wolfsburg.“

Audi-Chef Schot genießt zwar nicht das uneingeschränkte Vertrauen von Diess, aber er leitet die aus dessen Sicht richtigen Schritte ein: Bis zum Jahr 2022 will Schot die Kosten um insgesamt 15 Milliarden Euro senken. Die Härte werden nicht nur die Mitarbeiter am Band zu spüren bekommen, sondern auch die oberen Etagen. „Wir haben heute zu viele Führungskräfte an Bord“, sagte Schot kürzlich dem Handelsblatt.

„Eine Ebene – also rund zehn Prozent der Leitung – werden wir rausnehmen können.“ Wer länger mit Wolfgang Porsche über Volkswagen und die Verteilung der Macht spricht, der bekommt unweigerlich etwas über die Rolle Niedersachsens zu hören. Das Bundesland ist zweitgrößter Aktionäre nach den Familien – und verfügt über einen großen Einfluss. Zumindest aus Sicht von Porsche und einiger Manager.

Seit Jahrzehnten schickt Niedersachsen zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat. Altbundeskanzler Gerhard Schröder und der frühere Bundespräsident Christian Wulff saßen bereits im Kontrollgremium. Aktuell nehmen Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) zwischen den Vertretern der Familien und Osterloh Platz.

„Jetzt ruht erst einmal alles“

Arbeitnehmer und Politiker schweißt die Absicht zusammen, möglichst viele Arbeitsplätze im Bundesland zu halten. Einen Großteil der Investitionen hat die VW-Führung in früheren Jahren daher in die niedersächsischen Werke geleitet. „Das geschah auch, um die Politik positiv zu stimmen“, heißt es in den Reihen des Managements. Osterloh und Weil sind nicht nur natürliche Alliierte, sie pflegen auch einen engen Draht. In wichtigen Fragen stimmten sie sich ab, wie es heißt.

Diese Nähe zwischen Land und Betriebsrat ist aus Sicht der Familien Porsche und Piëch problematisch. Sie fühlen sich um ihren Einfluss betrogen: Denn letztlich kommen die beiden Fraktionen im Aufsichtsrat auf zwölf von 20 Stimmen. Selbst mit seinem Doppelstimmrecht könnte Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch den Rückstand nicht ausgleichen.

Jeder größere Stellenabbau oder eine Schließung von Werken könnten Betriebsrat und Land blockieren. Die Porsches und Piëchs sehen sich zwar als die eigentlichen Herren über den Giganten Volkswagen, ausüben können sie ihre Macht aber nicht.

Dass sich Wolfgang Porsche ausgerechnet in dieser Woche zu Wort gemeldet hat, ist kein Zufall. Denn am kommenden Mittwoch wollte Diess eigentlich die Eckpunkte seines Sparprogramms vorstellen. Management und Betriebsrat haben gerade erst die Konsultationen dazu aufgenommen. Für vergangenen Mittwoch und für den Montag waren Treffen geplant. „Jetzt ruht erst einmal alles“, hieß es in Konzernkreisen.

Der Betriebsratschef wartet auf ein klärendes Gespräch mit Wolfgang Porsche. Dies könnte zeitnah in Salzburg stattfinden, wo viele Mitglieder der Familien Porsche und Piëch ihren Wohnsitz haben. Orchestriert wird diese Zusammenkunft von Personalvorstand Gunnar Kilian. Bevor der auf den Posten kam, war er der engste Mitarbeiter von Osterloh. Zudem verfügt er über einen sehr engen Draht zu den Familien. „Er genießt das Vertrauen von allen beteiligten Akteuren“, sagte ein Insider. Er soll nun vermitteln.

Ein Sparprogramm wird so oder so kommen. Bisher eilt Diess der Ruf eines erfolgreichen Sanierers voraus. Vor gut zwei Jahren hatte er bereits ein Sparpaket für die Kernmarke durchgedrückt. Das Programm läuft noch bis Ende 2020 – und bringt Einsparungen in Höhe von 3,7 Milliarden Euro jährlich. Die operative Marge der Kernmarke VW verdoppelte sich zwar unter der Führung von Diess, fiel aber im vergangenen Jahr laut Konzernkreisen mit 3,8 Prozent erstmals wieder. Ein Rückschlag, über den er sich sehr ärgert, wie aus seinem Umfeld zu hören ist.

Diess will die Zügel anziehen. Dieses Mal will er auch die Privilegien der Zentrale in Angriff nehmen. „Wir sind unglaubwürdig, wenn wir Wolfsburg schonen“, sagte er in einem kleinen Kreis. Warum sollten andere Standorte sparen, wenn sich in Wolfsburg nichts verändere? Von der Umrüstung auf die Elektromobilität ist das Stammwerk bislang ausgeklammert worden.

In Deutschland werden neben Zwickau nun Hannover und Emden für die neue Zeit gerüstet. Der Umbau bedeutet zwar Investitionen in Milliardenhöhe, aber eben auch einen massiven Stellenabbau. In Hannover und Emden sollen rund 7.000 Arbeitsplätze verloren gehen.

Bereits in der kommenden Woche will Diess erste Details über ein Sparpaket für die Kernmarke bekanntgeben. Um rund 5,9 Euro jährlich soll das Ergebnis ab 2023 verbessert werden. Rund die Hälfte der Summe will das Unternehmen durch Preisanhebungen für seine Autos einspielen. Der Rest soll über Einschnitte vor allem in den niedersächsischen Werken erreicht werden.

Im Fokus steht damit Wolfsburg, Stammwerk und Stolz des Volkswagen-Konzerns. Der letzte Manager, der sich daran versuchte, Wolfsburg zu schleifen, war Wolfgang Bernhard. Das war im Jahr 2006 – und hatte das Ende seiner Karriere eingeläutet. Der langjährige Chef Martin Winterkorn soll Diess nach seinem Amtsantritt gesagt haben, er solle die Finger von Wolfsburg lassen.

Diess aber packt das Thema an, ein Konflikt mit Osterloh ist programmiert. In den vergangenen Monaten hat er seine Mannschaft prüfen lassen, wo sich die Kosten drücken lassen. Das Ergebnis: praktisch überall. Keinen Bereich will der Vorstandschef schonen. Die Hauptlast soll auf die Verwaltungen und die indirekten Bereiche entfallen, wie es in den Kreisen hieß. Dazu zählen unter anderem die Logistik, die Wettbewerber wie BMW und Daimler bereits ausgelagert hätten. „Bislang zahlen wir hier die deutlich höheren Tarife der Automobilindustrie“, klagt eine Führungskraft.

Vom Umbau soll die Produktion – also Bandarbeiter – nicht ausgeklammert werden. Die Effizienz müsse sich erheblich verbessern, sagt ein Topmanager. Denkbar sei etwa, den Anteil von Leiharbeitern zu erhöhen. Darüber würden die Kosten gesenkt werden.
In Summe könnten in den kommenden drei Jahren bis zu 7000 Arbeitsplätze wegfallen. Dies ist laut Konzernkreisen allein schon über Altersteilzeit machbar.

Zum Teil werden neue Stellen unter anderem in der Softwareentwicklung geschaffen. „Unter dem Strich ist der Abbau wenig dramatisch.“ Allerdings könnte sich die Lage auch noch verschärfen, etwa wenn sich die Konjunktur eintrübt. Bislang ist Volkswagen mit seinen zwölf Marken gut durch die Dieselkrise gekommen, der Absatz konnte sogar noch auf rund elf Millionen Fahrzeuge gesteigert werden. In China und anderen Weltregionen schwächelt aber die Nachfrage.

Manch Branchenexperte sieht darin bereits die Vorzeichen für eine handfeste Krise. Dem Vorstand käme eine Rezession nicht ungelegen. Dann nämlich ließen sich Sparmaßnahmen und ein größerer Stellenabbau leichter durchsetzen. Die Festung Wolfsburg würde sturmreif werden. So weit ist es aber noch nicht, die Mannschaft um Diess muss sich mit kleineren Schritten auf ihr Ziel zubewegen. Erste Eckpunkte des Sparpakets will der Vorstandschef am Mittwoch auf der Pressekonferenz der Marke VW bekanntgeben.

Guter Draht zu jüngeren Aufsichtsräten

Die offenen Worte von Wolfgang Porsche auf dem Genfer Autosalon sind ungewöhnlich. In der Regel hält er sich mit provokanten Äußerungen zurück. Er sei ein Mann des Ausgleichs, saget er einmal über sich selbst. „Es ist gut, wenn er sich hinter uns stellt“, sagte eine Führungskraft. Jede Unterstützung sei hilfreich. „Schließlich ist der Druck, sein Geschäft zu verändern, auf alle in der Industrie groß.“

Ein Grund, den Wolfgang Porsche getrieben hat, dürfte auch der anstehende Generationswechsel sein. Porsche und sein Cousin Michel Piëch, Sprecher seines Familienzweiges, werden in absehbarer Zeit altersbedingt die Zügel aus der Hand geben. Die Vertreter der vierten Generation sollen dann die Verantwortung über den weltgrößten Automobilkonzern übernehmen. Einige wie Julia Kuhn-Piëch oder Daniell Porsche sind bereits in den verschiedenen Aufsichtsräten des Konzerns vertreten.

Osterloh soll einige der Berufungen mit Wohlgefallen begleitet haben. Denn auch dank der Vermittlung von Kilian hat er schon vor einiger Zeit einen Draht zu den Nachwuchsaufsehern aufgebaut. Die ältere Generation fürchte nun, dass der Betriebsrat diesen Kontakt nutzen könnte, um Diess einzuzäunen, hieß es im Umfeld der Familien. Porsche hat sich daher für Ferdinand-Oliver Porsche als zukünftigen Sprecher seines Familienzweiges ausgesprochen.

Er wäre ein guter Kandidat, auch wenn dies noch nicht mit den anderen Familienmitgliedern abgesprochen sei. Der 57-Jährige soll wie sein älterer Onkel wenig von der Macht der Betriebsräte halten. Wolfgang Porsche hat mit seinen Worten zumindest Klarheit über seine Position geschaffen, auch wenn er die Konsultationen über das geplante Sparpaket torpediert hat. Zumindest vorerst.

Auf Dauer wird das so nicht bleiben. „Weder Osterloh noch Diess können sich einen dauerhaften, harten Konflikt leisten“, hieß es in Kreisen des Aufsichtsrates. VW müsse sich verändern, um den Branchenumbruch zu überstehen. „Daran hat keine Seite einen Zweifel.“ Doch der Frust sitzt tief auf beiden Seiten – und der Handlungsdruck wächst. Der Machtkampf in Wolfsburg geht in die entscheidende Phase. Ein möglicher Verlierer: Volkswagen.

Mitarbeit: Sven Afhüppe, Andrea Rexer