Werbung
Deutsche Märkte öffnen in 14 Minuten
  • Nikkei 225

    37.068,35
    -1.011,35 (-2,66%)
     
  • Dow Jones 30

    37.775,38
    +22,07 (+0,06%)
     
  • Bitcoin EUR

    59.749,57
    +2.493,51 (+4,36%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.281,23
    -31,39 (-2,39%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.601,50
    -81,87 (-0,52%)
     
  • S&P 500

    5.011,12
    -11,09 (-0,22%)
     

Machtkampf um die Opel-Rente: Betriebsrat tobt, Entrüstung bei der Belegschaft

Der Autobauer will die hochverzinste Altersvorsorge der Mitarbeiter kürzen. Doch der Betriebsrat lehnt Verhandlungen ab und spricht von einem „Angriff“.

Werksschließungen, Stellenstreichungen, Gehaltsverzicht: Die Coronakrise trifft die Autoindustrie „besonders hart“, schreibt Opel-Personalchef Ralph Wangemann in einer Rundmail vom vergangenen Freitag an seine 15.000 Beschäftigten. Die Verkäufe der Marke mit dem Blitz sind teils um bis zu 90 Prozent eingebrochen. Wann sich die Lage bessere, sei nicht absehbar. „Wir gehen aber davon aus, dass die Folgen dieser Krise die gesamte Branche noch jahrelang beschäftigen werden“, so Wangemann.

Mit diesen dramatischen Worten bereitet der Opel-Arbeitsdirektor seine Truppe auf weitere Einschnitte vor. Zum „Schutz des Unternehmens“ stünden bei der PSA-Tochter alle Ausgaben auf dem Prüfstand.

Selbst die größten Besitzstände sind nicht mehr tabu. Betrafen die jüngsten Sparmaßnahmen bei Opel wie die Schließung der Getriebefertigung nur einige Hundert Mitarbeiter, zielen die neuesten Kürzungspläne auf die gesamte Belegschaft ab.

WERBUNG

Konkret hält Wangemann eine „Modernisierung“ der betrieblichen Altersversorgung bei der hessischen Traditionsfirma für „zwingend erforderlich“. Die geltenden Vereinbarungen seien „ein gewichtiger Kostenfaktor“. Der Manager kündigte deshalb an, zügig mit dem Betriebsrat in Verhandlungen treten zu wollen. Doch die Arbeitnehmervertreter lehnen Wangemanns Ansinnen entrüstet ab.

„Hände weg von der Opel-Altersversorgung“, heißt es in einem Rundschreiben, das der Betriebsrat am Dienstagmorgen an die Belegschaft versandt hat und das dem Handelsblatt vorliegt. Die Interessenvertreter um Betriebsratschef Uwe Baum sprechen von einem „Angriff“, der dazu führe, dass die „ohnehin schon beschädigte Bindung an Opel weiter sinkt“. Es handle sich um ein „trauriges Ereignis“, die Entrüstung in der Belegschaft sei groß.

„Der Gesamtbetriebsrat lehnt die Verschlechterung der Altersversorgung ab“, heißt es in dem Schreiben. Die Arbeitnehmervertreter betonen zudem, dass der „Löwenanteil“ der Finanzierung der Altersversorgung vom Alteigentümer General Motors (GM) getragen wird.

Als PSA im Sommer 2017 Opel von GM gekauft hat, sind die europäischen Pensionspläne für bestehende Opel-Rentner tatsächlich bei GM verblieben. Die Amerikaner haben darüber hinaus drei Milliarden Euro an PSA zur Begleichung von künftigen Pensionsverpflichtungen überwiesen.

Opel-Personalchef Wangemann betont, dass sich die avisierten Kürzungen ausschließlich auf die künftigen Rentenbausteine beziehen: „Bereits erworbene Ansprüche bleiben vollständig erhalten.“ Laut Wangemann liegen die Opel-Betriebsrenten zudem „deutlich über dem Marktstandard“.

Der Autobauer garantiert seinen deutschen Mitarbeitern eine jährliche Verzinsung von fünf Prozent. „In dem aktuellen Niedrigzinsumfeld führt dies dazu, dass wir alleine für den Ausgleich der Verzinsung jährlich einen dreistelligen Millionen-Betrag zuführen müssen“, heißt es in einer internen Stellungnahme der Opel-Geschäftsführung. „Dies ist keine nachhaltige und wettbewerbsfähige Aufstellung einer betrieblichen Altersversorgung“, argumentieren die Manager.

Der Betriebsrat verweist dagegen darauf, dass die Kosten für die Altersversorgung durch den Abbau von Tausenden Stellen in den vergangenen Jahren bereits erheblich gesunken sind. Aufgrund der vielen freiwilligen Abgänge haben sich bei der Opel Automobile GmbH in 2018 sogar Erträge von 35,4 Millionen ergeben, heißt es dazu im Jahresabschluss.

Zugleich musste Opel aber fast 65 Millionen Euro an Pensionsrückstellungen bilden und gut 180 Millionen Euro für Zinszahlungen aus der Pensionsverpflichtung aufwenden.

Riesige Summen und drastische Worte

Das Thema ist hochsensibel, denn es geht um gewaltige Summen. Opel beziffert das Pensionsvermögen seiner deutschen Mitarbeiter in 2018 auf mehr als 2,3 Milliarden Euro. Verwaltet wird das Geld von der Allianz Treuhand GmbH.

In den vergangenen Jahrzehnten haben die Betriebsräte die sehr guten Konditionen der Opel-Rente, die schon mal um ein Drittel oder gar die Hälfte höher liegen kann als die gesetzliche Pension, bis aufs Blut verteidigt, heißt es im Arbeiterlager. „Es geht hier um einen unserer zentralen Besitzstände.“

Die Kürzungspläne des Managements empfinden Betriebsräte und Gewerkschafter daher als „Schlag ins Kontor“. Einige Interessenvertreter sprechen gar von so etwas wie der „maximal möglichen Demoralisierung“, die Manager würden die Coronakrise als Vorwand nutzen, um drastische Einsparungen zu rechtfertigen.

Die Führungsriege fühlt sich dagegen missverstanden. Personalchef Wangemann bittet um Verständnis. Denn es gehe um nichts weniger als die „Zukunftssicherung unseres Unternehmens in dieser dramatischen Wirtschaftskrise“. In der aktuellen Lage seien leider auch Einschnitte bei der Altersversorgung unvermeidlich.

In Rüsselsheim zeichnet sich damit wieder einmal ein erbitterter Machtkampf zwischen der Geschäftsführung um Opel-Chef Michael Lohscheller und dem Betriebsrat ab. Kompromisslinien sind derzeit nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Der Ton wird rauer und teils sogar persönlich.

„Wo ist eigentlich in der von der Geschäftsleitung beschriebenen Krise der Beitrag des Opel-Managements? Sind beispielsweise auch Einschnitte bei dessen Altersversorgung geplant?“, fragt der Betriebsrat in seinem Schreiben an die Belegschaft. Im Führungskader sorgen solche Formulierungen für Unmut. „Selbstverständlich werden Anpassungen alle Hierarchieebenen der Opel Automobile GmbH in Deutschland betreffen – inklusive der oberen Führungskräfte“, betonen die Geschäftsführer in ihrer Stellungnahme an die Belegschaft.

Zugleich werfen die Betriebsräte der Geschäftsführung Intransparenz vor. Eine Mitarbeiterumfrage aus dem vergangenen Jahr sei immer noch nicht veröffentlicht worden. „Viele Kolleginnen und Kollegen mutmaßen, dass dahinter ein so schlechtes Umfrageergebnis steckt, dass dieses zur freiwilligen Erfolgsprämie von 600 Euro führte“, ätzen die Arbeitnehmervertreter. Laut Geschäftsführung soll die Umfrage aber „selbstverständlich“ noch veröffentlicht werden.

Die gegenseitigen Anwürfe zeigen, wie tief die Gräben zwischen den Lagern mittlerweile sind. Insider befürchten, dass der neue Machtkampf um die Betriebsrenten die Zusammenarbeit in Rüsselsheim auf Monate lähmen wird – zum Schaden aller.