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Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer stellt Nord Stream 2 infrage

Die deutsche Debatte um Nord Stream 2 verschärft sich. Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer stellt das Projekt zur Disposition. Auch Außenminister Maas erhöht den Druck auf Russland.

Der Bundesaußenminister will auch versuchen, eine europäische Antwort auf die Rolle Moskaus beim Giftanschlag auf Nawalny zu finden. Foto: dpa
Der Bundesaußenminister will auch versuchen, eine europäische Antwort auf die Rolle Moskaus beim Giftanschlag auf Nawalny zu finden. Foto: dpa

Deutschland erhöht den Druck auf Russland, zur Aufklärung der Vergiftung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny beizutragen. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zeigte sich am Sonntag offen für Sanktionen gegen Russland auch bei der Gaspipeline Nord Stream 2.

„Ich habe immer gesagt, dass Nord Stream 2 für mich kein Herzensprojekt ist“, sagte sie der Nachrichtenagentur Reuters. „Für mich war dabei immer klar, dass die berechtigen Sicherheitsinteressen der mittelosteuropäischen Staaten und der Ukraine berücksichtigt werden müssen.“ Was jetzt weiter passiere, hänge vom Verhalten der russischen Seite ab.

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Auch Außenminister Heiko Maas (SPD) plädierte notfalls für eine härtere Gangart gegenüber Moskau. Mit Blick auf das Pipeline-Projekt sagte der SPD-Politiker der „Bild am Sonntag“: „Ich hoffe nicht, dass die Russen uns zwingen, unsere Haltung zu Nord Stream 2 zu ändern.“

Bislang hatte die Bundesregierung eine Verknüpfung des Falls Nawalny mit dem deutsch-russischen Gasprojekt vermieden.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer (CDU), warnte indes vor einem Stopp der Gaspipeline. „Ein Baustopp wäre aus europäischer und deutscher Sicht absurd sowie politisch und ökonomisch ein Schuss ins eigene Knie“, sagte Pfeiffer dem Handelsblatt. „Unser Interesse an einer weiteren Transportroute für Gas ist mindestens genauso hoch wie das Russlands.“

Pfeiffer betonte, Nord Stream 2 leiste einen wichtigen Beitrag zur Diversifizierung der Transportrouten und erhöhe damit Liquidität, Wettbewerb und auch die Versorgungssicherheit in Europa. „Ohne Nord Stream 2 verkauft Russland keinen Kubikmeter Gas mehr oder weniger, doch europäische Gaspreise würden steigen“, gab der CDU-Politiker zu bedenken. „Wirtschaftlich wäre der einzige Gewinner Russland. Politisch würde damit das genaue Gegenteil erreicht.“ Klar sei aber auch, es brauche nun eine abgestimmte, europäische Antwort. „Diese muss jedoch zielgerichtet sein und darf nicht europäische Interessen gefährden.“

Auch der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter mahnte: „Wir können nicht aus der Kernkraft und Kohle aussteigen, amerikanisches Schiefergas verurteilen und dann noch auf russisches Gas verzichten.“ Hier habe sich Deutschland selbst eingeengt. „Zu Nord Stream 2 müssen wir jetzt stehen“, schrieb Kiesewetter auf Twitter.

Maas betonte, dass ein Stopp der fast fertig gebauten Pipeline auch deutschen und europäischen Firmen schaden würde: „Wer das fordert, muss sich der Konsequenzen bewusst sein. An Nord Stream 2 sind mehr als 100 Unternehmen aus zwölf europäischen Ländern beteiligt, etwa die Hälfte davon aus Deutschland.“ Die Debatte jetzt allein auf Nord Stream 2 zu verengen, werde dem Fall nicht gerecht.

„Wenn es in den nächsten Tagen auf der russischen Seite keine Beiträge zur Aufklärung gibt, werden wir mit unseren Partnern über eine Antwort beraten müssen“, machte Maas deutlich. „Wenn wir über Sanktionen nachdenken, sollten diese möglichst zielgenau wirken.“

Russland bestreitet, in die Vergiftung des 44 Jahre alten Oppositionellen verwickelt zu sein, laut Maas gibt es aber „viele Indizien“ dafür. Das Nervengift Nowitschok habe sich in der Vergangenheit im Besitz russischer Stellen befunden und sei nur einer sehr kleinen Gruppe von Menschen zugänglich.

„Und das Gift wurde von staatlichen Stellen bereits für den Anschlag auf den Ex-Agenten Sergej Skripal verwendet. Wenn sich die russische Seite nicht an der Aufklärung des Verbrechens an Herrn Nawalny beteiligt, wäre das ein weiteres Indiz für die Tatbeteiligung des Staates. Sollte es über Verschleierungen und Nebelkerzen nicht hinausgehen, müssen wir davon ausgehen, dass Russland etwas zu verheimlichen hat“, sagte Maas.

Altkanzler Gerhard Schröder gerät unter Druck

Unterdessen forderten Politiker von CDU und Grünen Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) auf, seinen Posten beim Pipeline-Unternehmen Nord Stream 2 zu räumen. Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) sagte dem Berliner „Tagesspiegel“: Schröder müsse „umgehend seine Ämter und Posten in Russland aufgeben“.

Für den Anschlag auf Nawalny mit einem Nervengift trage allein die russische Regierung die Verantwortung. Auch wenn Moskau die Verantwortung leugne, dürfe das gerade ein ehemaliger Bundeskanzler „weder politisch noch moralisch“ ignorieren, sagte der CDU-Politiker.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „SPD-Altkanzler Schröder muss sich jetzt entscheiden, ob er auf der Seite der Demokratie und der Menschenrechte steht.“ Göring-Eckardt hatte bereits gefordert, die Bauarbeiten an dem Pipeline-Projekt zu stoppen.

Schröder ist Präsident des Verwaltungsrats der Nord Stream 2 AG, bei der der russische Konzern Gazprom formal einziger Anteilseigner ist. Kritiker werfen dem Altkanzler vor, in seiner Position Lobbyarbeit für den Kreml zu betreiben.

Maas sagte der „Bild am Sonntag“ auf die Frage, ob die SPD den Altkanzler vor die Wahl stellen müsse, weiter Genosse oder „Putins bester Gaslobbyist“ zu sein: „Das ist wirklich ein Thema, mit dem ich mich gerade nicht auseinandersetze.“ Auf die Frage, ob Schröder das Ansehen Deutschland beschädige, antwortete Maas: „Sie können hier Sachen vermischen, ich werde das nicht tun.“

Ukrainischer Botschafter fordert dreimonatiges Embargo

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer wandte sich gegen Forderungen nach einem Baustopp für die Ostsee-Pipeline. „Nord Stream 2 muss weitergebaut werden“, sagte der CDU-Politiker am Samstag. „Wir sind aufeinander angewiesen, wir brauchen diese Zusammenarbeit.“

Der CDU-Wirtschaftsexperte Friedrich Merz hatte einen zweijährigen Baustopp für Nord Stream 2 gefordert. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, wie Merz Kandidat für die Nachfolge von CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer, sprach sich gegen eine vorschnelle Entscheidung aus. Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen, dritter aussichtsreicher Kandidat für den CDU-Vorsitz, hatte dafür plädiert, Nord Stream 2 auf den Prüfstand zu stellen.

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans äußerte Vorbehalte gegen einen Baustopp. Sanktionen nach der Nawalny-Vergiftung müssten zielgerichtet sein, sagte er in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. Nord Stream 2 sei ein Infrastrukturprojekt, das zu 90 Prozent fertig sei und den eigenen Versorgungsoptionen diene, betonte Walter-Borjans. Sanktionen müssten vorrangig auf andere Bereiche zielen, zum Beispiel auf den Handel oder auf Persönlichkeiten, „die in diesem Regime tätig sind“. Denn: „Wir wollen nicht das russische Volk treffen, und wir wollen auch nicht uns treffen, sondern wir wollen gegen die vorgehen, die hier ganz offenbar die Hintermänner eines Verbrechens sind.“ Dieses müsse zunächst aufgeklärt werden.

Auch in der SPD-Bundestagsfraktion gibt es diesbezüglich Befürworter. „Ich finde, dass jetzt der gesamte Instrumentenkoffer auf den Tisch muss. Russland muss verstehen, dass wir international an einem Wendepunkt angekommen sind“, sagte der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD, Frank Schwabe, dem Handelsblatt. „Wer sich nicht an grundlegende Normen des Völkerrechts hält, gefährdet auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit.“

Die FDP stellte ebenfalls die Energiepartnerschaft mit Russland infrage. „Die russische Regierung manipuliert Wahlen, arbeitet an der Destabilisierung von Demokratien und lässt Regimegegner im Ausland vergiften“, sagte der designierte Generalsekretär Volker Wissing dem Handelsblatt. „Es ist mehr als fraglich, ob wir gut beraten sind, uns in die Abhängigkeit solcher Partner zu begeben.“ Er erwarte daher von der Bundesregierung „ein Bekenntnis zu unseren Werten, das über Sonntagsreden hinausgeht“.

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, forderte ein dreimonatiges Embargo für Gas- und Öl-Lieferungen aus Russland als Reaktion auf die Vergiftung Nawalnys. Der auch von einigen deutschen Politikern geforderte Baustopp reiche nicht aus.

Stattdessen müssten alle Importe von Öl, Gas und anderen wichtigen Rohstoffen gekappt werden, „um dem Putin-Regime die wichtigste Einnahmequelle für seine aggressive Politik zu entziehen“, sagte Melnyk der Deutschen Presse-Agentur. Zusätzlich forderte Melnyk einen Stopp aller europäischen Investitionen in Russland. „Es ist an der Zeit, den Kremlherrn endlich mit einer heftigen Antwort zu überraschen“, betonte er.

Die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, hält einen Verzicht auf die geplante Gaspipeline für vertretbar. „Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende: Baustopp von Nord Stream 2 als Sanktion gegen Russland ist sinnvoll“, schreibt Kemfert auf Twitter. Das Projekt sei von Anfang an ein Fehler gewesen. „Die Pipeline ist energiewirtschaftlich unnötig, teuer und widerspricht den Zielen der Energiewende, des Klimaschutzes sowie der Diversifikation der Erdgasbezüge.“

Mit Material von dpa.