„Sie müssen jetzt hier weg“
Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries hat gerade vor der pittoresken Kulisse des amerikanischen Kapitols angefangen zu erklären, warum sie eigentlich in den USA ist, als ein Polizist auf sie zugelaufen kommt. „… zu erklären, was freier Welthandel bedeutet und warum er wichtig ist“, kann sie gerade noch sagen, als sie unterbrochen wird. „Sie haben keine Wahl, wir müssen dieses Gebiet abriegeln“, fordert ein Polizist sie im rüden Ton auf, sich zu entfernen.
Zypries ignoriert ihn. Es sei wichtig zu erklären, dass Deutschland etwas gegen die Handelsüberschüsse, die die USA so heftig kritisieren, unternimmt, fährt sie fort. Sie nennt die Investitionen, die vor allem die SPD erhöhen will, sie nennt den Mindestlohn, den sie selbst erhöhen will, und die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung, auch ein Anliegen von ihr, die aber noch nicht mit Finanzminister Schäuble final abgeklärt ist. „Aber natürlich gehört auch dazu, dass die Amerikaner mehr exportieren“, sagt sie. Da ist es wieder, das Argument, das schon Sigmar Gabriel zu seiner Zeit als Wirtschaftsminister gern brachte. Wenn die Amerikaner mehr Autos in Übersee verkaufen wollen, müssen sie eben bessere bauen.
„Das Prinzip heißt …“ setzt Zypries in Washington vor dem Kapitol wieder an. „Sie müssen jetzt hier weg“, sagt der Polizist. „Nur eine Sekunde“, ruft Zypries verärgert. Doch es hilft nichts, sie muss gehen, ein paar Meter weiter weg vom Kapitol, zur Sicherheit.
Wenige Stunden später trifft Zypries auf Paul Ryan, den mächtigen Sprecher des Repräsentantenhauses. Er gilt als Befürworter der Grenzausgleichssteuer, einer Steuer, die Importe belasten und Exporte entlasten und so den amerikanischen Unternehmen zugutekommen soll. Zwar ist die Steuer in ihrer ursprünglich geplanten Form wohl nicht mehr auf der Agenda der US-Regierung. Dass die USA irgendeine Form von protektionistischen Maßnahmen einführen könnten, ist aber nicht unwahrscheinlich.
Zypries hat hochkarätige Gesprächspartner in Washington, nach Ryan trifft sie sich am Mittwoch mit ihrem Amtskollegen Wilbur Ross sowie dem neuen US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer. „Man wird hier mit einem großen Interesse empfangen“, freut sich Zypries. Die Bereitschaft von Paul Ryan, sich mit ihr zu treffen, wertet sie als „gutes Signal.“ Im Gespräch sei herausgekommen, dass die Amerikaner ihr Steuersystem anpassen wollen, erklärt sie im Anschluss. Wie das genau aussehen soll, ist noch unklar.
Abendessen mit Firmenvertretern
Die Grenzausgleichssteuer ist nicht das einzige Konfliktthema, das Deutschland derzeit mit den USA hat. Unter Zypries’ Amtskollegen Ross läuft gerade etwa eine Untersuchung der Stahlbranche, an dessen Ende eine Benachteiligung ausländischer Hersteller stehen könnte. Die Bundesregierung behält sich vor, dagegen vor der Welthandelsorganisation (WTO) zu klagen, sollte es soweit kommen.
Washington erlebt gerade einen Delegations-Ansturm aus Deutschland. Bundeswirtschaftsministerin Zypries ist spät dran. Vor ihr waren schon Außenminister Sigmar Gabriel in der Hauptstadt zum Antrittsbesuch der neuen Regierung von Donald Trump, ebenso Finanzminister Wolfgang Schäuble, Verkehrsminister Alexander Dobrindt, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Eigentlich wollte auch Umweltministerin Barbara Hendricks kommen, von der Leyen sogar ein zweites Mal seit Januar, beide Reisen wurden aber abgesagt. Zeitgleich mit Zypries ist derzeit Landwirtschaftsminister Christan Schmidt in Washington. Merkel und Gabriel hätten in Sachen Freihandel schon Vorarbeit geleistet, sagt Zypries. „Meine Grundhaltung ist positiv. Es ist wichtig, dass wir einen Draht miteinander installieren.“
Draht spannen will sie aber nicht nur in Washington, sondern auch auf föderaler Ebene. Nach den Gesprächen mit Ross und Lighthizer wird sie Henry McMaster, den Gouverneur von South Carolina treffen. In dem US-Bundesstaat hat Autohersteller BMW sein weltweit größtes Werk.
Futter für ihre Gespräche mit Ross, Ryan, Wilbur und McMaster hatte sie sich bereits am Abend zuvor geholt, bei einem Abendessen mit Unternehmensrepräsentanten großer deutscher Firmen wie Siemens und SAP.