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Müllberge elektrisieren Firmengründer

Im September startete das Handelsblatt einen Ideenwettbewerb, um den Verpackungsabfall zu verringern. Nun kommt es zu einer ersten Firmengründung.

Der im September gestartete Ideenwettbewerb „The Mission“, mit dem die Stiftungsorganisation Futury, die Beratungsfirma Bain und das Handelsblatt die Verpackungsflut im Supermarkt eindämmen wollen, führt zu einer ersten Unternehmensgründung. Die Forschungsgruppe um den Freiburger Studenten Christian Knobloch gab am Mittwoch bei einer Abschlusspräsentation in Frankfurt bekannt, dass sie mit der eigenen Firma „Recyda“ auf den Markt geht.

Die Sorge über wachsende Abfallberge hatte vor wenigen Monaten zahlreiche Sponsoren wie Nestlé oder die Deutsche Bank hinter dem Projekt vereint. Einer der Hauptgründe: 2017 produzierten die Deutschen mit 18,7 Millionen Tonnen 37,5 Prozent mehr Verpackungsmüll als im Vergleichsjahr 1996. Bedenklich zudem: Nur noch 49,7 Prozent der Kunststoffe aus der Gelben Tonne wurden zuletzt zu Granulat verarbeitet, die restlichen Mengen „thermisch verwertet“ – also verbrannt – oder schlicht „beseitigt“.

Recyda, eine der vier ins Rennen geschickten Teilnehmergruppen, will daran etwas ändern – und programmiert dazu eine globale Datenbank. Sie soll Markenartikler und Händler unterstützen, für ihre Verpackungen umweltschonende Lösungen zu finden.

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Das elektronische Verzeichnis enthält nicht nur die Abfallverwertungs-Vorschriften einzelner Länder, sondern listet darüber hinaus die dortigen Sortier- und Recyclingkapazitäten auf. „Die Recyclingfähigkeit von Verpackungen hängt immer von dem Land ab, in dem das Produkt in Umlauf gebracht wird“, begründet Knobloch den Unternehmenszweck.

Umfangreiche Informationen über den Recyclingmarkt verschafften sich die Uniabsolventen seit September im Austausch mit Firmenpartnern, die sich an „The Mission“ beteiligten. So gewährte das Entsorgungsunternehmen Pre-Zero, eine Tochter der Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland), einen Einblick in die Sortiertechnik.

Die Verpackungshersteller Schur Flexibles und Huhtamaki, ebenfalls Sponsoren des Ideenwettbewerbs, gaben Auskunft über die Zusammensetzung von Plastikbeuteln für Lakritzstangen, Shampooflaschen oder „Gourmet-Trayern“, auf denen etwa eingeschweißtes Rinderfilet in den Kühltruhen der Discounter lagert.

Erste Pilotkunden im Herbst

Nun drängen die Jungunternehmer zur Eile. Schon im zweiten Quartal 2020 soll eine Datenbank für die wichtigsten Länder Europas stehen, die nationale Recyclinganlagen etwa für PET, Polypropylen oder Aluminium ausweist. Mit ersten Pilotkunden will man kommenden Herbst auf den Markt gehen – zunächst mit einem Monatsabonnement von 99 Euro je Nutzer. „Zum Jahresende werden wir dann vollständig auf dem Markt vertreten sein“, kündigt Knobloch an.

„Wenn Recyda die Datenbank geschickt aufbaut“, glaubt Bain-Berater Axel Seemann, „können sie für Verpackungsunternehmen wertvolle Informationen liefern.“ Am Ende dürften Kunden sogar bereit sein, weitaus mehr zu zahlen als 99 Euro monatlich, erwartet er.

Weiterhin in der Testphase bleiben die drei übrigen Wettbewerbskandidaten von „The Mission“. Unter ihnen befindet sich das von der deutschen Start-up-Expertin Nina Beike geführte Team „Sliceomat“, das Maschinenbauer und Handelskunden sucht, um einen Lebensmittel-Automaten auf den Markt zu bringen.

Das zwei Meter hohe Gerät in Kühlschrankgröße soll nach Kundenwunsch ganze Würste in einzelne Scheiben zerteilen, die bei der Automaten-Ausgabe in loses Papier oder mitgebrachte Plastikschalen fallen. Ersetzen will das Team, unterstützt von dem westfälischen Wurstfabrikanten Reinert und dem Maschinenhersteller Weber, Kunststoff-Einzelverpackungen im Kühlregal.

Noch aber schreckt Handelsexperten offenbar der hohe Stückpreis der Automaten, der voraussichtlich zwischen 18.000 und 30.000 Euro liegt. Man wolle die Idee prüfen, erklärte dazu Michael Löscher, beim Mutterkonzern von Lidl und Kaufland verantwortlich für den Einsatz von Verpackungskunststoffen.

Barcodes helfen beim Müllsparen

Vergeblich um Investoren bemühte sich bislang auch das Wettbewerbsteam „Innoblock“, das gemeinsam mit Katjes und Procter & Gamble eine Informations-App entwickelte. Mit ihr sollen Barcodes auf Verpackungen per Smartphone eingelesen werden, die über das jeweilige Verpackungsmaterial Auskunft geben.

Weiterhin auf eine Umsetzung warten muss ebenso das Mehrweg-Verpackungssystem „Circolution“, das der Volkswirtschafts-Absolvent Till Faupel und zusammen mit seinem Kommilitonen Jakob Seiss in Frankfurt präsentierte. Die von ihnen entwickelten Edelstahl- und Glasgefäße sollen künftig – ähnlich wie heute schon Bier- und Mineralwasserflaschen – zwischen gleich mehreren Herstellern zirkulieren.

Zwar fand das vierte „Mission“-Projekt in der Vorbereitungsphase die Unterstützung des Logistikkonzerns DB Schenker. Wie die Retourenlogistik und das Pfandclearing aber am Ende aussehen werden, ist noch nicht entschieden.

Einem Mehrweg-Pfandsystem bescheinigt das Handelsblatt Research Institute (HRI) in einer noch unveröffentlichten Studie für die Zukunft eher geringe Erfolgsaussichten. „Es schafft Wettbewerbsvorteile für diejenigen, die sich nicht an dem kostenintensiven System beteiligen“, sagt HRI-Analyst Christian Tribowski. Hinzu komme ein weiterer Nachteil: „Weil beim Einkauf auf jeden Artikel ein Pfand entfallen würde“, warnt er, „könnte der Wocheneinkauf dadurch erheblich teurer werden.“

Ob die Ideen der vier Uni-Teams Einzug halten in Deutschlands Supermärkte, bleibt damit abzuwarten.