Werbung
Deutsche Märkte öffnen in 31 Minuten
  • Nikkei 225

    37.068,35
    -1.011,35 (-2,65%)
     
  • Dow Jones 30

    37.775,38
    +22,07 (+0,06%)
     
  • Bitcoin EUR

    58.302,71
    +784,12 (+1,36%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.281,09
    -31,54 (-2,40%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.601,50
    -81,87 (-0,52%)
     
  • S&P 500

    5.011,12
    -11,09 (-0,22%)
     

Müssen die Kunden den wilden Streik ausbaden?

Bis Oktober ist der Flugbetrieb bei Air Berlin gesichert – zumindest finanziell. Doch wilde Streiks stürzen die insolvente Airline erneut in die Krise. Welche Rechte haben Kunden, deren Flug gestrichen wurde?

Tausende Air-Berlin-Kunden dürften aufgeatmet haben, als der Bund zusicherte, den Flugverkehr der insolventen Airline zumindest bis Oktober aufrechtzuerhalten. Doch nun hat Air Berlin nicht nur ein finanzielles, sondern auch ein personelles Problem: Rund 150 Piloten meldeten sich am Dienstag krank, mehr als 150 Flüge wurden seither gestrichen. Auch am Mittwoch kam es zu Ausfällen. Per Brandbrief an die Belegschaft versucht der Vorstand um Chef Thomas Winkelmann nun, weitere Ausfälle zu verhindern. Auf fünf Millionen Euro beziffert das Management den bisherigen Schaden, rund 14.000 Passagiere mussten demnach wegen des wilden Streiks am Boden bleiben. Doch welche Rechte können sie geltend machen – und was passiert mit ihren Tickets?

Warum melden sich so viele Piloten gleichzeitig krank?
Nach Einschätzung vieler Experten sind die Krankmeldungen ein sogenannter „wilden Streik“, um bei einer möglichen Übernahme bessere Konditionen für die Piloten durchzusetzen. Bei einem wilden Streik entscheiden Teile der Belegschaft auf eigene Faust, ihre Arbeit niederzulegen – ohne Rückendeckung der Gewerkschaften. Das ist eigentlich illegal, dürfte im Einzelfall allerdings schwer nachzuweisen sein. Ähnliche Vorfälle gab es bei Tuifly im Oktober 2016, als bekannt wurde, dass der Ferienflieger gemeinsam mit der österreichischen Air-Berlin-Tochter Niki in eine Holding integriert werden sollte. Die Pläne sind später gescheitert – durch die Krankmeldungen entstand damals allerdings ein Schaden von 22 Millionen Euro.

Mein Flug bei Air Berlin ist wegen der Krankmeldungen gestrichen worden. Kann ich mein Geld zurückverlangen?
Grundsätzlich haben Passagiere bei Streichungen ein Recht auf Verpflegung sowie einen zumutbaren Ersatzflug, den die Fluggesellschaft organisieren – oder den kompletten Ticketpreis erstatten muss. Bei Air Berlin erschwert die Lage aber das laufende Insolvenzverfahren. Das heißt, dass bei Ausfällen und Verspätungen für die Fluggäste zwar Ansprüche entstehen. Ob es allerdings auch zu Zahlungen kommt, ist ungewiss – bei Insolvenzen werden die Ansprüche von Kunden in der Regel nachrangig behandelt. Erst, wenn die Airline alle anderen Gläubiger bezahlt hat, folgen Entschädigungen für gestrichene und verspätete Flüge. Rechtsexpertin Dunja Richter-Britsch von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg rät Betroffenen, auf einer Umbuchung zu bestehen: „Eine selbst vorgenommene Alternativbuchung oder auch die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen in der Hoffnung, von Air Berlin das Geld ersetzt zu bekommen, scheinen eher aussichtslos.“

Ich habe eine Pauschalreise bei einem Reiseveranstalter gebucht. Wie sieht es hier mit Erstattungen aus?
„Pauschalreisende können sich entspannt zurücklehnen“, sagt Eva Klaar, Reiserechtsexpertin bei der Verbraucherzentrale Berlin. Denn sie haben keinen direkten Vertrag mit Air Berlin, sondern mit ihrem Reiseveranstalter, der allein für die Beförderung seiner Kunden verantwortlich ist. Klaar rät aber allen Betroffenen dazu, ihre Rechte geltend zu machen – auch jenen, die ihren Flug direkt bei Air Berlin gebucht haben.

WERBUNG

Sollte ich einen Flug, der bereits geplant ist, stornieren oder auf eine andere Airline umbuchen?
Die Antwort der Verbraucherschützerin ist klar: „Auf keinen Fall, wenn der Flug noch nicht annulliert wurde“, so Klaar. Der Hintergrund: Mit einer Stornierung erwirbt der Kunde zwar eine Forderung gegenüber Air Berlin, den Ticketpreis wenigstens teilweise zurückzuerstatten. Ob es am Ende allerdings dazu kommt, ist ebenso offen wie die Frage nach möglichen Entschädigungen wegen gestrichener oder verspäteter Flüge. Auch hier werden die Ansprüche der Kunden erst nach denen aller anderen Gläubigern behandelt. Einige Air-Berlin-Kunden, mit denen sie Kontakt hatte, würden vorsorglich dennoch bei einer anderen Airline buchen, sagt Klaar – um den Urlaub nicht gefährden. „Allerdings bleiben die am Ende wohl auf den zusätzlichen Kosten sitzen.“

Manche Air-Berlin-Flüge sind derzeit besonders günstig. Sollte ich jetzt noch buchen?
Das hänge von mehreren Faktoren ab, sagt die Berliner Verbraucherschützerin Klaar. „Für mehrwöchige Familienurlaube ist Air Berlin derzeit keine gute Wahl.“ Wer allerdings eine Schnäppchen-Reise übers Wochenende mit der insolventen Airline plane, könne durchaus Glück haben, so die Expertin. „Dabei kommt es aber auch auf die Risikobereitschaft des Reisenden an.“

Was passiert mit meinem Ticket, wenn Air Berlin von einer anderen Airline aufgekauft wird? Was ist mit Bonusmeilen oder Gutscheinen?
Ob die bereits bestehenden Verträge mit den Air-Berlin-Kunden bei einer Übernahme weiterhin gültig bleiben, kann derzeit niemand sagen. Erst, wenn die Verhandlungen mit einem oder mehreren potenziellen Käufern abgeschlossen sind, herrscht in diesem Punkt Klarheit. Noch bis Freitag können Kaufinteressenten ihr Angebot für die insolvente Airline einreichen. Was Bonusmeilen und Gutscheine angeht, hat Verbraucherschützerin Richter-Britsch allerdings schon jetzt schlechte Nachrichten: „Das Vielfliegerprogramm Topbonus stellte selbst bereits Insolvenzantrag. Damit können gegenwärtig keine gesammelten Meilen mehr für Gratisflüge oder zum Einlösen von Prämien eingesetzt werden.“

KONTEXT

Rechte von Fluggästen bei Streiks

Ansprechpartner/Informationsquellen

Erster Ansprechpartner für Flugreisende ist immer die Fluggesellschaft, bei Pauschalreisen der Reiseveranstalter. Auch der jeweilige Flughafen bietet auf seiner Internetseite ausführliche Informationen über die aktuellen Abflug- und Ankunftszeiten. Bei Informationen aus dem Internet ist es sinnvoll, sich diese auszudrucken, um später einen Beleg zu haben.

Stornierung, Umbuchung, Umsteigen

Einen streikbedingt gestrichenen Flug kann der Kunde stornieren, er bekommt dann sein Geld zurück. Wer trotzdem fliegen will, hat Anspruch auf einen späteren Flug. Das kann aber dauern, bis der Streik vorbei ist - und auch länger, da ein Rückstau entstehen kann. Bei langen Ausständen muss die Fluggesellschaft eine Ersatzbeförderung organisieren, zum Beispiel mit der Bahn oder Bussen.

Verspätung

Verspätet sich der Flug wegen des Streiks, stehen Betroffenen bestimmte Leistungen zu. Bei einer Flugstrecke bis 1500 Kilometer haben die Passagiere ab einer Verspätung von zwei Stunden Anspruch auf Leistungen wie Telefonate, Getränke und Mahlzeiten. Ist der Flug zwischen 1500 und 3500 Kilometer lang, greift die Vorschrift ab einer Verspätung von drei Stunden, bei Langstreckenflügen ab vier Stunden. Auch eine Übernachtung im Hotel muss ggf. bezahlt werden. Ist eine Verspätung absehbar, sollten Passagiere trotzdem zur ursprünglichen Abflugzeit am Flughafen sein, da der Reisende sonst möglicherweise einen kurzfristig organisierten Ersatzflug verpasst.

Entschädigung

Bei Annullierung, Überbuchung oder Verspätung ab drei Stunden haben Passagiere zwar laut EU-Verordnung Anspruch auf eine Entschädigung von bis zu 600 Euro - aber nur, wenn kein "außergewöhnlicher" Umstand daran schuld ist. Die Fluggesellschaften werten Streiks, wie zum Beispiel auch miserables Wetter, als außergewöhnlichen Umstand. Eine Entschädigung gibt es daher nicht.