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Münchener Juwelier wagt mit dem Online-Diamanthändler Yorxs den Neustart

Der Juwelier Ralf Nutt hat den insolventen Online-Diamanthändler Yorxs übernommen. Er will schaffen, woran die Gründer scheiterten: profitabel zu wachsen.

Ralf Nutt, 55, muss nur nach Antwerpen fahren, um zu sehen, dass seine Branche im Umbruch steckt. In der europäischen Hauptstadt des Diamanthandels hat Nutt einst eine Lehre gemacht. Heute betreibt er einen Juwelier und Diamanthandel in der Münchener Innenstadt.

Sein letzter Besuch in Antwerpen vor einigen Jahren habe ihm noch deutlicher gezeigt, wie stark sich der Handel mit Diamanten ins Internet verlagere. Die traditionsreichen Handelshäuser würden gezwungen, sich anzupassen, sagt Nutt: „Wer glaubt, das Internet zerstört das Geschäft, bleibt in Zukunft außen vor.“

Eine Erkenntnis, die der Familienunternehmer auch selbst beherzigt: Im vergangenen Jahr hat er den Online-Diamanthändler Yorxs aus der Insolvenz herausgekauft. Das Start-up hatte jahrelang in der Diamantbranche für Aufsehen gesorgt, weil es eine breitere Palette an Diamanten zu niedrigeren Preisen als die gesamte Konkurrenz in Deutschland bot.

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Die Gründer Joachim Giehl und Casimir Graf zu Maltzahn sammelten in mehreren Finanzierungsrunden Millionen bei Risikokapitalgebern ein, unter anderem bei der Staatsbank KfW. Doch im September 2019 musste Yorxs Insolvenz anmelden. Inzwischen hat Nutt den Händler in sein Familienunternehmen integriert – und schaltet auf Wachstum.

Die Pleite von Yorxs ist ein Lehrstück darüber, wie selbst Start-ups mit einem starken Produkt an überambitionierten Wachstumsplänen scheitern können. Die Übernahme durch den Juwelier Nutt ist jedoch auch beispielhaft dafür, wie Familienunternehmen und Start-ups voneinander profitieren können.

Nutt bezeichnet sich selbst als „Juwelier und Diamantaire“. Früh hat er im elterlichen Schmuckbetrieb am Niederrhein mitgearbeitet, mit Mitte 20 zog es ihn nach München – „um mich meinem Vater zu beweisen“, wie er sagt. 1996 gründete er seinen ersten eigenen Juwelier mit angeschlossener Schmuckwerkstatt im Münchener Stadtteil Bogenhausen. Seit 2006 befindet sich der Sitz des Geschäfts und der Werkstatt in der Innenstadt unweit der Maximilianstraße.

Der Aufstieg von Yorxs verblüffte die Branche

Nutt ist Unternehmer der alten Schule: Seine Firma führt er als eingetragener Kaufmann. Die Kunden empfängt Nutt gern persönlich – vorzugsweise im Nadelstreifenanzug und mit einem Seidentuch um den Hals. Das in München gängige „Grüß Gott“ hat er sich angewöhnt, doch der rheinische Singsang in seiner Stimme ist auch nach bald 30 Jahren in Bayern unüberhörbar.


Den Aufstieg des ebenfalls in München ansässigen Diamant-Start-ups Yorxs beobachtete er zunächst mit Erstaunen: „Yorxs wurde von Quereinsteigern gegründet. Aber sie haben eine ganze Branche verblüfft.“ Die Grundlage war eine umfangreiche Diamanten-Datenbank, aus denen die Kunden wählen und frei mit unzähligen unterschiedlichen Fassungen und Ringen kombinieren konnten. Zudem warb das Unternehmen damit, Diamanten bis zu 50 Prozent unter dem Preis des Einzelhandels anzubieten.

„Das Neue an Yorxs war, dass sie eine große Menge an Diamanten gebündelt und erstmalig online zur Verfügung gestellt haben, zu einem einmaligen Preis“, sagt Nutt. Unabhängige Branchenexperten bestätigen, dass Yorxs innerhalb weniger Jahre zur größten Verkaufsplattform für Diamanten in Deutschland aufstieg.

Immer wieder habe er von Kunden gehört, dass ein bestimmter Stein bei Yorxs günstiger lieferbar sei. „Ich musste mein Vertriebskonzept neu erfinden“, sagt Nutt. Im Wettbewerb mit dem digitalen Angreifer half ihm, dass er selbst gut vernetzt ist und so schnell an gefragte Steine kommt. Zudem produziert er sämtliche Schmuckstücke selbst und kann so auf individuelle Kundenwünsche eingehen, statt nur Ringe von der Stange anzubieten.

Über das Handelsblatt erfuhr Nutt schließlich, dass Yorxs Insolvenz anmelden musste. Die im Bundesanzeiger veröffentlichten Bilanzen ließen auf eine finanzielle Schieflage und Probleme in der Buchhaltung schließen, die Yorxs schließlich zum Verhängnis wurden. Mehrfach musste Yorxs seine Bilanzen berichtigen, etwa weil sich ein scheinbarer Millionengewinn als Verlust entpuppte.

Yorxs, so ist in der Branche zu hören, wurde auf rasantes Wachstum mit hohem Fremdkapitalanteil getrimmt. Das sollte einen schnellen Verkauf an einen großen US-Konkurrenten wie Blue Nile ermöglichen. Als sich kein Deal abzeichnete, blieben Investitionen in die Software auf der Strecke.

Mit der Übernahme durch Nutt steht Yorxs wieder auf solidem Fundament. Wie viel er für das insolvente Start-up gezahlt hat, verrät Nutt nicht, nur so viel: „Ich habe den Kaufpreis komplett aus Eigenkapital finanziert.“ Beide Unternehmen ergänzten sich jedoch hervorragend, betont der Unternehmer.

Große Chance für Mittelständler

Nutt will online wachsen und neue Kunden auch für seinen Laden gewinnen. Dabei hilft es, dass die Marke Yorxs und der Onlineshop bereits am Markt etabliert sind. Gleichzeitig profitiere jedoch auch Yorxs, etwa weil Nutt anders als seine Vorgänger auf ein eigenes Lager zurückgreifen kann und dadurch manche Steine schneller lieferbar sind. Zudem können Kunden auch Ringe und Fassungen aus der hauseigenen Schmuckwerkstatt wählen, mit besserer Qualität als die Ware von der Stange und „lebenslanger Haltbarkeit“, wie Nutt verspricht.

Oliver Merkel, Partner bei der Unternehmensberatung Bain & Company und Experte für die Konsum- und Luxusgüterindustrie, bestätigt, dass sich auch Juweliere nicht länger dem digitalen Wandel entziehen können: „Die Branche hat sich lange Zeit gewehrt“, beobachtet er. „Doch jetzt hat auch der Letzte verstanden, dass Onlinehandel sein muss.“

Das gelte umso mehr für Mittelständler, die sich nicht auf die Zugkraft einer starken Marke verlassen können. Über das Internet könnten sie weltweit potenzielle Käufer ansprechen, sagt Merkel: „Es ist ihre einzige Chance zu wachsen.“

Den Markennamen Yorxs abzustoßen war für Nutt keine Option: „Mein Bauchgefühl sagt mir, der Name ist gut.“ Dabei war diese Strategie durchaus riskant. Immer wieder bestellten Kunden bei Yorxs und lasen danach im Internet über die Insolvenz des Händlers.

Besonders zu Beginn habe er viele Telefonate geführt, um Kunden die Sorgen zu nehmen, die Steine würden nicht geliefert und das Geld sei weg. Vielfach lieferte er Diamanten auf Rechnung – ein hohes Risiko in einem Geschäft, das eigentlich immer per Vorkasse abgewickelt wird. Doch das hat sich ausgezahlt: Die Anrufe besorgter Kunden werden seltener.

Nutt sagt gern: „Yorxs ist mir vor die Füße gefallen.“ In der Corona-Pandemie erweist sich die Übernahme umso mehr als Glücksfall für den Familienunternehmer. Er muss zwar wie seine Konkurrenten den Laden schließen. Doch online läuft der Verkauf weiter.