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Luxus muss nicht in die Schmuddelecke

Dürfen Markenhersteller ihren Händlern verbieten, ihre Waren über Internetplattformen wie Amazon oder Ebay zu verkaufen? Der Europäische Gerichtshof hat dazu nun eine Grundsatzentscheidung getroffen.

Hersteller von Luxusprodukten können ihren Händlern den Vertrieb über Onlineplattformen künftig ohne Angst vor einem Kartellverfahren untersagen. Das stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit einem am Mittwoch veröffentlichten Grundsatzurteil klar. Die Entscheidung hat Auswirkungen auf den gesamten Online-Handel. Für die deutschen Wettbewerbshüter ist sie pikant.

Es geht um bekannte Düfte wie Joop, Davidoff oder Calvin Klein – der Parfumhersteller Coty legt Wert auf das Luxusimage seiner Marken. Darum wäre es ihm ein Dorn im Auge, wenn eigens autorisierte Händler die Waren nicht nur selbst im Internet feilbieten, sondern auch auf Drittplattformen wie Amazon einstellen. Coty, an dem die deutsche Milliardärs-Familie Reimann beteiligt ist, verbietet dies den Händlern darum vertraglich ausdrücklich. Die Folge: ein jahrelanger Rechtsstreit.

Hinter dem Verbot steht die Sorge der Luxusbranchen, einen Imageverlust zu erleiden, wenn teure Produkte plötzlich bei Ebay und Co oder Preisvergleichsportalen auftauchen. Nun stellte der EuGH klar: Ein Anbieter von Luxuswaren kann seinen autorisierten Händlern verbieten, die Waren im Internet über eine Drittplattform wie Amazon zu verkaufen (Az. C-230/16). Entsprechende Vertragsklauseln sind demnach mit dem Wettbewerbsrecht der Union vereinbar.

Im konkreten Fall erhob Coty Germany vor deutschen Gerichten Klage gegen einen ihrer autorisierten Händler, Parfümerie Akzente. Der wollte sich nicht länger vorschreiben lassen, wie er Coty-Produkte vertreiben darf. Das Landgericht Frankfurt gab zunächst dem Online-Händler Recht. Daraufhin ging Coty vor dem Oberlandesgericht Frankfurt in Berufung, welches das Verfahren aussetzte und den EuGH hierzu befragte.

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Mit seinem Urteil stellte der Gerichtshof nun fest, dass ein selektives Vertriebssystem für Luxuswaren, das primär der Sicherstellung des Luxusimages dieser Waren dient, nicht gegen das unionsrechtliche Kartellverbot verstößt. Allerdings müssen folgende Bedingungen erfüllt sein: „Die Auswahl der Wiederverkäufer muss anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgen, die einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden, und die festgelegten Kriterien dürfen nicht über das erforderliche Maß hinausgehen.“ Die eigentliche Vertragsklausel zum Verbot müsse das Luxusimage der betreffenden Waren sicherstellen, einheitlich festgelegt und ohne Diskriminierung angewandt werden, und in angemessenem Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen.

Die beklagte Parfümerie Akzente GmbH sprach von einem Urteil gegen „pauschale Plattformverbote“ und verwies auf die vom EuGH genannten Bedingungen. Der Fall geht nun zurück zum Oberlandesgericht Frankfurt.

Das Urteil ist pikant, weil vor allem das Bundeskartellamt in Drittplattformverboten meist eine Beschränkung des Internetvertriebs sieht. Denn das Verbot mache es insbesondere kleineren Onlinehändlern unzulässig schwer, neue Kunden zu erreichen. Das wirke sich, so die Argumentation der Wettbewerbshüter, auch zulasten der Verbraucher auf den Produktpreis aus. In mehreren Verfahren hatte das Bundeskartellamt diese Sichtweise eingenommen. In der Folge mussten etwa die Sportschuhhersteller Asics und Adidas ihre Vertriebspolitik ändern.


Das Urteil wird noch geprüft

Mit der „großzügigen Behandlung“ von Drittplattformverboten habe sich der EuGH nun gegen die deutlich strengere Rechtsauffassung des Bundeskartellamtes und einzelner Gerichte gestellt, meint Hanno Schaper, Kartellrechtler bei der Kanzlei Noerr. „Für das Bundeskartellamt dürfte es deshalb deutlich schwieriger werden, seine bisherige Entscheidungspraxis fortzusetzen“, betonte der Jurist. Allerdings müsse immer noch im Einzelfall geprüft werden, ob die Vertragsbedingungen noch in hinreichendem Maße Online-Verkäufe des Vertragshändlers zuließen.

Der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, teilte auf Anfrage mit, das Urteil werde noch geprüft. „Auf den ersten Blick sehen wir aber nur begrenzte Auswirkungen auf unsere Entscheidungspraxis“, betonte Mundt. „Der EuGH hat sich offenbar große Mühe gegeben, seine Aussagen auf den Bereich echter Prestigeprodukte zu beschränken, bei denen die luxuriöse Ausstrahlung der wesentliche Teil des Produkts selbst ist.“ Das Bundeskartellamt habe sich in seiner Entscheidungspraxis bislang mit Herstellern von Markenware außerhalb des Luxusbereichs befasst. „Solche Hersteller haben nach unserer ersten Einschätzung auch weiterhin keinen Freibrief, ihre Händler bei der Nutzung von Verkaufsplattformen pauschal zu beschränken“, sagte Mundt.

„Das Urteil hat auch Auswirkungen auf Markenprodukte, die über kein ausgesprochenes Luxusimage verfügen“, meint indes Markus Schöner, Geschäftsbereichsleiter Kartellrecht bei der Kanzlei CMS Deutschland. Auch hier seien Einschränkungen des Verkaufs über Onlineplattformen zum Schutz des jeweiligen Produktimages möglich. „Das Urteil schafft für Hersteller von Luxusprodukten endlich Rechtssicherheit“, betonte Schöner. Bestehende Vertriebsverträge, die den Vertrieb über Onlineplattformen noch zuließen, könnten entsprechend angepasst werden.

Stephanie Birmanns, Brüsseler Kartellexpertin bei der Kanzlei SZA Schilling, Zutt & Anschütz, wertet das Urteil als Schlappe für die deutschen Wettbewerbshüter: „Mit der heutigen Entscheidung erteilt der EuGH der strengen Linie des Bundeskartellamts zu Plattformverboten eine Absage.“ Das Urteil werde maßgebliche Auswirkungen auf die Gestaltung der Vertriebsstruktur für luxuriöse Konsumartikel haben.

Anders sieht das Thomas Funke, Leiter Kartellrecht bei der Kanzlei Osborne Clarke: „Der Apfel, den die europäischen Richter den Herstellern zum Nikolaustag in den Stiefel stecken, könnte vergiftet sein.“ Wer moderne Vertriebswege einschränke, erreiche weniger Kunden und gerate so im Wettbewerb mit anderen Marken ins Hintertreffen. Markenhersteller würden sich gut überlegen, ob sie von der neuen Chance auch Gebrauch machten. „Die heutige Entscheidung stellt den Plattformvertrieb in die Schmuddelecke“, kritisierte Funke. Dabei biete auch der moderne Online-Handel durchaus Chancen zur angemessenen Darstellung einer Marke. Das Urteil betone in diesem Rahmen, dass Beschränkungen nicht weiter gehen dürften als nötig.